Wahl-Check: Helge Lindh (SPD)

Unser Redakteur Jan Filipzik hat für Sie die Wuppertaler Bundestags-Kandidaten unter die Lupe genommen und sie gefragt, was sie für Wuppertal erreichen wollen, sollten sie am 24.09. gewählt werden. Wir stellen Ihnen die Kandidaten und ihre Ziele in unserer Serie "Wahl-Check" vor:

Mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Helge Lindh unterwegs in seiner heimatstadt Wuppertal.

Heute kommt Helge Frederik Lindh (SPD) zu Wort.

Beruf:
Helge Frederik Lindh, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Landtag

Alter:
40 Jahre laut Ausweis, fühle mich nämlich viel jünger

DS: Für welches Thema stehen Sie hauptsächlich ein?

Helge Lindh: „Zwei Gegenfragen: Wen oder was vertrete ich? Darf ich mit unserer Welt zufrieden sein? Die Welt ist reich an Interessenvertretern. Ich will aber in allererster Linie Menschen vertreten, insbesondere die Menschen aus Wuppertal. Interessen ist es im Prinzip egal, wer sie wie wann wo vertritt. Menschen indes ist es ganz und gar nicht egal, wer sie wie wann wo vertritt.

Politik lebt von Veränderung, Politik muss Veränderung wollen. Politik muss einen Unterschied machen, sonst können wir sie uns gleich sparen. Die Welt, in der wir leben, schreit geradezu danach, nicht einfach so weiterzumachen. Der Mensch als Individuum steht im Mittelpunkt meines politischen Handelns. Deshalb betrachte ich die moderne, solidarische Gesellschaft als die zentrale Aufgabe. Es ist zwingend an der Zeit, Gesellschaft noch einmal neu zu denken und für unser aller Zusammenleben zu kämpfen. Viele haben zu Recht den Eindruck, sie stünden gesellschaftlich draußen vor der Tür und zählten einfach nicht: klare politische Aufgabe. Die Kinderarmut, die Altersarmut wird fortwährend wachsen, wenn wir nicht offensiv eingreifen: klare politische Aufgabe. Familien fühlen sich alleingelassen und zerrissen vor lauter Anforderungen an sie: klare politische Aufgabe. Menschen in der Mittelschicht sehen sich permanent unter Druck und am Rande des sozialen Absturzes: klare politische Aufgabe. Frauen über 45 erleben, dass ihnen viel zu wenig zugetraut, dafür umso mehr das vermeintlich hohe Alter zu ihren Lasten ausgelegt wird: klare politische Aufgabe.

Gutverdienende kommen finanziell ordentlich über die Runden, sind aber erschöpft und einfach nicht glücklich mit ihrem Leben: klare politische Aufgabe. Alle sind geeint in dem Bewusstsein, dass sie nie jemand ernsthaft gefragt hat, wie sie denn eigentlich leben möchten. Gestatten wir uns endlich die Frage: Von welcher Gesellschaft träumen wir? Zum Sand im Getriebe unseres Zusammenlebens gehört auch die Beziehungskrise zwischen Politik und Bevölkerung.“

DS: Warum ist Ihnen das Thema so wichtig?

Helge Lindh: „Weil ich nicht anders kann. Weil es mir keine Ruhe lässt. Weil es mich unmittelbar angeht. Politisch dominiert zu oft – ohne böse Absichten zu unterstellen – eine Art Kartell der Mutlosigkeit, das uns lähmt. Begegnungen mit Familien, die ich in den letzten Jahren begleite, zahllose Gespräche mit unterschiedlichsten Menschen haben mich gelehrt, dass unser politisches Versprechen, Menschen eine Stimme zu geben, gut gemeint, aber nicht gut ist. Menschen haben eine eigene Stimme. Dieser Stimme will ich Gehör verschaffen und aufrichtig, wahrhaftig, nicht jedoch gefällig Antwort geben. Mit beiden folgenden Varianten können wir uns doch nicht ernsthaft abfinden: weder mit einer Gesellschaft, die schleichend auseinanderdriftet, noch mit einer solchen, die uns mit einem Knall um die Ohren fliegt. Ungerechtigkeit, die an der Würde von Individuen kratzt und die ihnen die Luft zu atmen nimmt, macht mich zornig. Diesen „heiligen Zorn“ habe ich geerbt, vermutlich von meiner Mutter, die Ungerechtigkeit in ihrem Umfeld niemals unwidersprochen hinzunehmen vermochte.

DS: Was sind andere Themen, für die Sie sich einsetzen möchten?

Herlge Lindh: „Wer an der Zukunft Wuppertals arbeiten möchte, muss sich dem Thema „Integration“ stellen. Zuwanderung prägt diese Stadt. Vielfalt macht Wuppertal lebendig, zugleich sind Unsicherheiten und Ängste im Raum. Schauen wir hin. Stellen wir uns offensiv dieser Frage. Als Vorsitzender des Integrationsrates habe ich mich dem Thema in den letzten Jahren intensiv gestellt. Integration ist kein abstrakter politischer Diskurs und ebenso kein multikulturelles Sommerfest, sondern harte Arbeit. Ein tägliches Ringen um Zusammenleben und das Nutzen von Chancen. Das bedarf konkreter Auseinandersetzung mit Menschen, Biografien, Lebenswelten, und das bedarf hoher Verbindlichkeit. „Wir schaffen das“ reicht nicht.

Der Themenblock Digitalisierung, Mobilität, Energiewende ist eine weitere wichtige Fragestellung. Technologie ist kein Allheilmittel und kann uns nicht die Aufgabe abnehmen, unser Zusammenleben zu gestalten. Die Frage lautet: Was ist sozial modern, wie sieht die Zukunft der Arbeit aus, und wie buchstabieren wir Respekt und gegenseitige Verantwortung unter diesen technologischen wie ökologischen Bedingungen aus? Wir tun gut daran, über die nächste Wahl hinauszudenken. Und vergessen wir nicht, dass unsere Demokratie – langsam, mühsam, manchmal wenig sexy – die beste alle Regierungsformen ist. Sie ist kein Selbstläufer und permanent gefährdet, wie wir an dem weltweiten Wahnsinn um uns herum und am Siegeszug des Populismus und Nationalismus erfahren.“

DS: Was können Sie besser als die anderen Kandidaten?

Helge Lindh:Es steht mir nicht zu, die anderen Kandidaten zu beurteilen. Das wäre unangemessen. Meine Stärken sind Zuhören, Geduld und die Bereitschaft, sich vom Leben anderer Menschen irritieren und berühren zu lassen und dafür eine Sprache zu finden. Vor allem neige ich zu einer ausgesprochenen Hartnäckigkeit. Hartnäckigkeit ist die wirkungsvollste Waffe gegen Ignoranz und Gleichgültigkeit. Dinge beim Namen zu nennen liegt mir. Dinge teilnahmslos geschehen zu lassen und hinzunehmen, ist gewiss nicht meine Stärke.“

DS: Wie rechnen Sie sich Ihre Chancen bei der Wahl aus?

Helge Lindh:Diese Frage stelle ich mir nicht. Auf Basis meiner Überzeugungen und als der, der ich bin, stehe ich zur Wahl. Unermüdlich kämpfe ich mit all meinen Kräften um jede Stimme in meinem Wahlkreis. Das erfüllt mich, denn ich liebe Wuppertal. Ich fühle mich eins mit dieser Stadt. Das nennt man wohl Heimat. Am Ende entscheiden die Wählerinnen und Wähler.“

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