15. August 2023

Manfred Todtenhausen: „Wir Liberale sind Kritik gewöhnt“

Er ist gelernter Handwerker, er ist Unternehmer und er ist Politiker. Pragmatismus ist bei Manfred Todtenhausen (72) Programm. Der Elektromeister und Ex-Geschäftsführer der Elektro Todtenhausen GmbH sitzt bereits zum zweiten Mal für die Freien Demokraten (FDP) im Bundestag: Von 2012 - 2013 und seit 2017. 

Der Bundestagsabgeordnete Manfred Todtenhausen (FDP) – © DBT

Manfred Todtenhausen ist Mitbegründer des Vereins „Liberaler Mittelstand NRW e.V.“. Der engagierte Tierschützer und ehemalige Stadtverordnete der Bergischen Metropole kandidierte bei der Bundestagswahl 2021 für den Wahlkreis Wuppertal I. 

Der Ehemann und Vater eines Sohnes ist als Bundestagsabgeordneter Mitglied im „Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen“, im „Petitionsausschuss“ und im „Wirtschaftsausschuss“. Er macht auch keinen Hehl daraus, dass ihm das Wohl der bergischen Wirtschaft besonders am Herzen liegt, 

Der STADTZEITUNG hat Manfred Todtenhausen ein umfassendes Interview gegeben. 

DS: Haben Sie vorher geahnt, dass Regieren in einer Dreier-Koalition so schwierig werden würde? 

Manfred Todtenhausen:Dass es die erste Ampel-Regierung auf Bundesebene und damit auch die erste Koalition dort sein würde, die aus drei recht unterschiedlichen Partnern besteht, das war uns in der Partei wie in der Fraktion von vornherein bekannt – dafür muss man sich nur die Wahlaussagen und -plakate von 2021 anschauen. 

Aber die Union war zum besagten Zeitpunkt nicht regierungsfähig, und so war es aus dem bundesrepublikanisch geprägten Demokratieverständnis heraus für alle drei Ampel-Parteien schnell klar, dass es auf diese neue Regierung hinauslaufen würde – mit allen Folgen und demokratischem Streit, der dazu gehört. 

Dass dann am 24. Februar 2022 der verbrecherische Angriffskrieg Putins auf die Ukraine folgte, war zur Regierungsbildung im Dezember 2021 nicht absehbar. Allein aus dieser Tatsache heraus hätte jede Regierung in jeder Zusammenstellung Probleme lösen müssen, um die hart gerungen werden muss.“

DS: War Ihnen von vornherein klar, dass die Grünen versuchen würden, ihre ideologisch geprägten Vorstellungen und Überzeugungen rigoros durchzusetzen?

Manfred Todtenhausen: „Dass die Grünen versuchen, ihre Vorstellungen in die Politik einzubringen, ist aus ihrer Sicht ja nur verständlich. Das tun wir ja auch. Regierungsfähigkeit beweist sich allerdings darin, dass alle Partner bereit sind, Kompromisse zu schließen. Bisher war das möglich, wenn auch manchmal etwas langwierig – Stichwort Heizungsgesetz. Das brauchte einen längeren Anlauf, viele anstrengende Gespräche, weil wirklich alle Bürgerinnen und Bürger direkt oder indirekt in ihren vier Wänden betroffen sind.

Aber auch hier haben wir am Ende gesehen: Wir haben eine parlamentarische Demokratie, wo der Bundestag Herr der gesetzgeberischen Verfahren ist, wie ein jüngster Beschluss aus Karlsruhe wieder einmal zeigte. Insofern gilt für uns wie für alle anderen das Struck’sche Gesetz: Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es hineingekommen ist. Sie sehen also: Meine Fraktion fühlt sich diesem Gesetz besonders verpflichtet. Bei anderen war das nicht immer so in der Vergangenheit.“

Manfred Todtenhausen bei einer Rede im Bundestag – © Deutscher Bundestag

DS: Der Kanzler lehnt sich zurück – so sehen das viele Kritiker. Ihre Partei ist quasi das Regulativ, dass die Grünen, deren Priorität auf Klimaschutz liegt, nicht überdrehen. Und dafür steckt Ihre Partei reichlich Prügel ein – sogar von der CDU. Wie gehen Sie damit um? 

Manfred Todtenhausen: „Kritik sind wir als Liberale gewohnt, das war auch schon früher so. Wir verstehen uns natürlich als Regulativ und stehen ja aus Überzeugung für Meinungsvielfalt, da muss man dann auch Gegenwind aushalten. Am Ende kommt es darauf an, die bestmöglichen Lösungen zu finden, die unser Land voranbringen. Dabei dürfen wir nicht vergessen:

Die Vorgängerregierungen haben uns  wahrlich genügend umfangreiche Aufgaben überlassen, um Deutschland fit zu machen für das 21. Jahrhundert – Stichwort Demografie und Fachkräftebedarf, Bildung und Digitalisierung, Klimaschutz und Erneuerung der Infrastruktur. Das löst man nicht in zwei Jahren, was sich da aufgestaut hat.“

DS: Grüne Politik zu vertreten ist in diesen Zeiten offensichtlich en vogue – auch oder gerade in der Medienbranche. Das wird bei den öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten sichtbar – und in fast jeder Talk-Show. Selbst viele Journalisten sind nicht mehr neutral, ordnen Fakten ein, hinterfragen kritisch, sondern geben sind schon fast als Lobbyisten. Wie sehen Sie diesen Trend?

Manfred Todtenhausen: „Wir werden zu allen möglichen Sendungen eingeladen, unsere Stimme und unsere Fachpolitikerinnen und -politiker finden Gehör und sind es gewohnt, mit ihren journalistischen Fragestellerinnen und -stellern Themen zu erörtern und Lösungsmöglichkeiten zu artikulieren.

Sicher wünscht sich der eine oder andere manchmal mehr Ausgewogenheit, das geht mir auch so. Diese regelmäßige Einseitigkeit in machen Sendeformaten fällt schon auf. Das führt ja auch dazu, dass die Einschaltquoten für die „Talkshows“ weiter sinken. Ich glaube, dass die Zuschauer sich nicht gern beeinflussen lassen, sondern sich eine eigene Meinung bilden.

Durch die neue Medienvielfalt und Social Media ergeben sich aber neue Möglichkeiten. Insofern hat jede Zeit ihre Chancen und Herausforderungen. Da müssen wir das Beste daraus machen.“

DS: Nur ein Beispiel von vielen: Ulrike Hermann von der „taz“ hat Ihre Partei in der Sendung „Maischberger“  als Blockierer und Opposition innerhalb der Koalition bezeichnet. Die FDP würde sich ihrer Meinung nach bereits Wahlkampf machen. Und sie erklärte noch im Stile einer PR-Managerin der Heizungs-Branche: Die Wärmepumpe sei die einzige wirksame Lösung. Fühlen Sie sich als Blockierer?

Manfred Todtenhausen: „Nein. Wir sind Korrektiv oder ausgleichendes Regulativ, wie Sie vorhin schon gesagt haben. Unsere Politik steht für Vernunft und Vertrauen in die Zukunft, in die Menschheit und in Technik und Entwicklung. Uns geht es um Gebote und Fairness, weniger um Verbote und Überregulierung. Als Handwerker liegt mir auch das Pragmatische, Machbare nah.

Alle Journalistinnen und Journalisten können nicht unserer Meinung sein, da steht Frau Hermann dann für sich und ihre Meinung. Den „Hans-Joachim-Friedrichs-Preis“ für ausgewogene Berichterstattung will und wird sie sicher nicht gewinnen oder anstreben wollen. Aber bei Frau Maischberger – um bei dem Beispiel zu bleiben – sitzen ja drei Vertreter der Medien in der Regel, und auch wir Liberale werden als Gesprächsgäste in ihre Sendung eingeladen. Wir können da auch gut dagegenhalten So sind die Spielregeln.“

MdB Manfred Todtenhausen (FDP) – © Deutscher Bundestag / Julia Novak

DS: Früher gab es Bundesminister für Wirtschaft, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie oder Bundesminister für Wirtschaft und Energie. Robert Habeck ist der erste Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz. Und das ist sicher kein Zufall. Ist da die Gefahr nicht von vornherein sehr groß, dass ein Grüner da den Schwerpunkt nicht bei der Wirtschaft, sondern beim Klimaschutz setzt? 

Manfred Todtenhausen:Als die Ministerien verteilt wurden, war uns Liberalen das Finanzministerium mit einem Finanzminister Christian Lindner sehr wichtig. Die Grünen wollten neben dem Auswärtigen Amt das Wirtschaftsministerium, in das sie den Klimaschutz integriert haben. Alle wesentlichen Energiefragen waren da im Übrigen schon vorher beheimatet. Insofern war es nicht überraschend, dass die Grünen in der Transformation in Richtung Klimaschutz ihren Schwerpunkt sehen.

Dass die Wirtschaft manchmal zu sehr in Vergessenheit gerät bei Robert Habeck, das haben wir Liberale auch schon kritisiert. Und ich mache mir natürlich Sorgen um den Mittelstand und die Abwanderung von großen Unternehmen. Deshalb drängen wir Liberale ja auch darauf, dass die Bundesregierung als Ganzes mehr für den Standort Deutschland tut. Insofern passt das, was insbesondere Christian Lindner im Finanzministerium plant und umsetzt.“

DS: Sie sind selbst Unternehmer und haben im Gegensatz zu vielen Politiker-Kolleginnen und – Kollegen eine berufliche Ausbildung und auch jede Menge Berufserfahrung. Wie sehr sehen Sie den Standort Deutschland gefährdet?

 Manfred Todtenhausen:Wir starten nun in den Sommer mit wirklich durchwachsenen Aussichten: Die Energiekrise ist zwar abgewendet, aber Inflation und Zinsentwicklung zeigen ihre Wirkung und werden uns noch länger begleiten – die Baubranche ist in einer Krise. Nicht nur das ifo-Institut sieht eine leichte Rezession, auch das IW Köln konstatiert in seiner Kurz-Studie Handlungsbedarf. Das bedeutet alles zusammengenommen, dass wir mit einer guten Standortpolitik die Wettbewerbsfähigkeit von Industrie, Mittelstand und Handwerk stärken müssen.

Aber ehrlich gesagt: Die Regierung ist ja schon dran. So viele Gesetze wie derzeit wurden noch nie auf den Weg gebracht. Ich nenne nur das Fachkräfteeinwanderungsgesetz und das Weiterbildungsgesetz, das Inflationsausgleichgesetz, das geplante Zukunftssicherungsgesetz und das Wachstumschancengesetz mit wichtigen Reformen für Unternehmen im Steuerrecht, das LNG-Gesetz und das Gesetz zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich. Last but not least das Bürokratieentlastungsgesetz IV, das jetzt bald in die entscheidende Phase kommt und wofür ich im Wirtschaftsausschuss zuständig bin. 

DS: Rund 80 Prozent der Deutschen sind mit der Arbeit der Bundesregierung unzufrieden. SPD, Grüne und auch Ihre Partei hat in Umfragen viel an Zuspruch verloren. Dabei haben Sie nicht nur beim Gebäude-Energie-Gesetz (GEG) möglicherweise Schlimmeres verhindert. Warum wird Ihrer Partei das nicht positiv angerechnet? 

Manfred Todtenhausen: „Die Umfragen für uns sind zwar nicht so gut wie vor zwei Jahren, aber sie waren auch schon mal schlechter. Derzeit haben wir uns stabilisiert: Die Menschen wissen durchaus zu schätzen, was wir in der Regierung leisten. Und wir arbeiten an der Verbesserung der gesamten Performance unserer Bundesregierung. Dafür haben wir noch ein gutes Jahr Zeit, bis dahin sollten die wichtigsten Vorhaben auf dem Weg sein.

Es bleibt dabei: Wir stehen für Konsolidierung der Staatsfinanzen, für Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, für Investitionen in Zukunft und Infrastruktur, für die Modernisierung von Gesellschaft und Verwaltung. Jeder sollte sich die Frage stelle: „Wo ständen wir ohne die Freien Demokraten?“ 

DS: Sie beobachten sicher auch die wirtschaftliche Entwicklung in der bergischen Region ganz genau. Wie fällt da Ihre Bilanz nach zwei Jahren Ampel-Regierung aus? 

Manfred Todtenhausen:Unsere Bergische Region hält ihren Status und hat mit Mittelstand und Handwerk, aber auch Global Playern renommierte Wettbewerber am Start. Ich nenne nur Vorwerk, Vaillant oder das Bayer-Werk. Die arbeiten alle an Innovationen, mit denen sie Lösungen für die Zukunft ermöglichen. Um einzelne Branchen und um den Einzelhandel in unseren Bergischen Kommunen mache ich mir aber schon Gedanken. Da wünschte ich mir mehr und schnellere Umsetzung von Ideen.“ 

DS: Wie groß ist Ihre Sorge, dass die Aktionen der sogenannten „Letzten Generation“ noch radikaler werden? 

Manfred Todtenhausen:Das kann man schwer einschätzen. Ich sehe hier die Aufgabe der Behörden, alle rechtstaatlichen Mittel zur zeitnahen Durchsetzung von Recht zu nutzen. Inhaltlich ist es aber Aufgabe der anderen Aktivisten etwa von Fridays for Future sowie von Umweltorganisationen und auch aller Parteien, für ein Umdenken zu sorgen und Ängste und Radikalisierung zu bekämpfen. Andernfalls profitieren davon völkische Parteien.“ 

Manfred Todtenhausen (e.) 2013 als Schriftführer neben dem damaligen Bundestags-Vizepräsidenten Wolfgang Thierse (SPD) – © Deutscher Bundestag / Lichtblick / Achim Melde

DS: Was bemängeln Sie am Umgang mit der AfD, die immer stärker wird? Haben Sie eine Idee, wie die bürgerlichen Parteien CDU/CSU, SPD, FDP und die Grünen wieder Stimmen von der AfD zurückerobern könnten? 

Manfred Todtenhausen: Mich wundert der Zuspruch bei dieser völkischen Partei, die zwar Polemik, aber keine echten Lösungen anbietet. Ganz klar und einfach: Wir müssen auf die pseudoeinfachen Lösungen der AfD hinweisen, die keine sind, weil sie der Realität nicht standhalten. Und wir müssen mit eigenen Lösungen kommen und sie besser erklären. Die Lösungen sind da oder in Planung, die Kommunikation wird auch bald besser werden. Rattenfänger haben kurze Beine, weil ihre Politik den Realitätscheck nicht besteht.“

DS: Die SED-Nachfolge-Partei „Die Linke“ vertritt teilweise ähnliche Positionen wie die AfD: z.B. Große Russland-Nähe, keine Waffenlieferungen an de Ukraine, NATO-Austritt, große Distanz zur EU. Dennoch sitzen sie in mehreren Landesregierungen. Liegt da nicht der Verdacht nahe, dass die Partei von linksorientierten Kreisen als Mehrheitsbeschaffer ganz bewusst hoffähig gemacht wurde?

Manfred Todtenhausen: „Ja, das ist sicher so. Aber aufgrund ihrer Positionen, die Sie aufzählen, spielte sie im Bund bisher nie eine Rolle und rutschte bei der letzten Wahl sogar unter die 5-Prozent-Marke. Nur dank ihrer drei Direktmandate gelang der Einzug in den Bundestag. Insgesamt haben die Extremen – ob rechts oder links – keine Lösungen parat, um unser Land nach vorne zu bringen. Und dass die Linke in Thüringen den Ministerpräsidenten stellt, liegt eher in der Person als in der Politik begründet.

Aber nicht nur im Osten ist die Linke in der Regierung: In Bremen hätte es etwa bei der vorletzten Wahl andere Mehrheiten gegeben, aber die Grünen wollten das dort nicht. So geht halt Demokratie.“

DS: Regierungsbildung wird sicher auch in Zukunft nicht leichter. Was macht Ihnen Hoffnung?

Manfred Todtenhausen:Natürlich leben wir in einer Zeit vieler Krisen, die es zu bewältigen gilt. Aber wir lernen daraus für die Zukunft. Das ist es, was mich zuversichtlich macht. Und ich muss sagen: Mit den Berichterstattern der anderen Ampel-Partner, aber auch mit Kolleginnen und Kollegen aus den anderen demokratischen Fraktionen pflege ich einen guten, oft freundlichen Austausch – wir sind nicht immer einer Meinung, aber vielfach einig im Ziel. Und darauf kommt es an.“

DS: Vielen Dank für das offene, informative Gespräch.

Das Interview führte PETER PIONKE

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