8. April 2022

Der Politik einmal den (die) Spiegel vorhalten

Eines vorweg: Ich bin seit vielen Jahren Journalist, habe bei diversen großen Zeitungen und auch beim Fernsehen gearbeitet. Ich bin aber kein ausgewiesener Politik-Experte. Deshalb außere ich mich in diesem Kommentar auch eher aus der Sicht eines mündigen, Politik interessierten Bürgers.

Ex-Familien-Ministerin Anne Spiegel – © (Foto: Bundesregierung/Kugler)

Die Affäre um Familienministerin Anne Spiegel stellt einmal mehr die große Verlogenheit im Polit-Alltag in den Fokus und sorgt sicher auch für noch mehr Politikverdrossenheit unter den potentiellen Wählerinnen und Wählern. 

Ich will hier auch gar nicht auf die Fehler der offentsichtlich überforderten und falsch beratenen Familienministerin eingehen. Mich persönlich hat ihr Seelenstriptease vor laufenden TV-Kameras, das sicherlich ein Alleinstellungsmerkmal in der politischen Landschaft darstellt, sehr berührt, ja sogar großes Mitleid bei mir hervorgerufen.

Da stand eine total verzweifelte Frau, der man die Angst um ihren Ministerposten, um ihre Karriere und um ihren Ruf förmlich von den Augen ablesen konnte.

Spätestens jetzt war klar, dass ein Rücktritt alternativ los sein würde oder dass Anne Spiegel von ihrem Amt entbunden werden müsste, schon allein, um sie vor sich selbst zu schützen. Ein politisches und menschliches Drama!

Und was nach ihrem Rücktritt geschah, der ihr vermutlich massiv von „Parteifreundinnen“ und „Parteifreunden“ nahe gelegt wurde, war Scheinheiligkeit in Hochkultur! Da wurde Anne Spiegel von Kolleginnen und Kollegen, die hinter verschlossenen Türen kräftig an ihrem Stuhl gesägt hatten, für ihre doch so tolle Leistung als Ministerin über den grünen Klee gelobt. So manche Krokodilsträne kullerte da symbolisch.

Man fühlte an eine Beerdigung erinnert, bei der der liebe Verblichene in der Grabrede zur Überraschung aller Anwesenden urplötzliche einen Heiligenschein verpasst bekommt. Mit Glaubwürdigkeit hat das alles nichts zu. 

Aber die Kern-Frage ist doch, warum gelten in der Politik andere Gesetze und andere Qualitäts-Ansprüche als in der freien Wirtschaft? Kein Vorstandsvorsitzender würde sich vor die Belegschaft stellen und sagen: „Mir geht es im Moment gar nicht gut, mir ist die Frau weggelaufen, mein Hund musste eingeschläftert werden und ich habe auch noch Ärger mit dem Finanzamt.“ Undenkbar! Das wäre sein Aus!

Politik und freie Wirtschaft – zwei verschiedene Paar Schuhe

Aber in der freien Wirtschaft kommt es ja auch nicht auf Proporz an, auf irgendwelche Quoten, sondern auf Qualität. Wo steht eigentlich geschrieben, dass die stärkste Fraktion in einer Koalition den Kanzler stellen muss? Ich weiss selbst, das diese Frage äußert naiv ist.

Aber musste es unbedingt ein ziemlich empathieloser Zauderer wie Olaf Scholz sein, von dem viele sagen, die Chance, Kanzler zu werden, sei ihm quasi in den Schoß gefallen, weil die Union sich mit der Aufstellung eines äußerst farblosen, ungeschickten Kandidaten selbst demontiert habe?

Wären nicht Christan Lindner, Rudolf Habeck oder auch Annalena Baerbock geeigneter, talentierter und glaubwürdiger in diesem verantwortungsvollen Job? Aber Qualität ist in der Politik eben nicht das wichtigste Kriterium. Da geht es darum, welches Geschlecht man hat oder ob man politisch rechts oder links steht! Es sollte doch im Idealfall so sein, dass die Besten das Land regieren – oder zumindest die Besten einer Koalition. Unerfüllbare Wunschträume offensichtlich!

Christine Lambrecht, die vor ihrer Berufung zur Verteidigungsministerin vermutlich Panzer höchstens aus Kinofilmen kannte und Gesundheitsminister Karl Lauterbach, der immer mehr zum Talkshow-Polit-Clown mutiert, können jetzt jedenfalls erst einmal aufatmen. Einen weiteren Rücktritt oder Rauswurf kann sich die „Ampel“ vor den wichtigen Landtagswahlen nicht leisten.

Aber last but not least droht jetzt der nächste faule Kompromiss: Für die Nachfolge von Anne Spiegel ist ja bereits in Stein gemeisselt: Es muss eine Grüne sein, eine Frau sein und dem linken Flügel der Partei angehören. Fachkompetenz spielt dabei bekanntlich nur eine Nebenrolle…

Peter Pionke

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