16. Oktober 2023

Claus Wilcke: Ich stehe bis zum letzten Atemzug auf der Bühne

Er schrieb als smarter Gentleman Fernsehgeschichte. Von 1969 bis 1972 spielte Claus Wilcke (84) den lebenslustigen und draufgängerischen US-Multimillionär Persy Stuart, der umbedingt in den exquisiten britischen "Excentric Club" aufgenommen werden wollte und dafür 13 schwierige Aufgaben zu lösen hatte. 

Schauspiel-Evergreen Claus Wilcke lebt für seinen Beruf

Die halbe Fernseh-Nation sass mittwochs um 19:10 Uhr vor der Mattscheibe, fieberte bei den spannenden Abenteuern mit. „Persy Stuart“ war die erste TV-Serie des ZDF überhaupt – und die insgesamt 52 Folgen echte „Strassenfeger“ mit Einschaltquoten über 50 Prozent.

Für Claus Wilcke gab es auch ein Leben nach „Persy Stuart“. Ihm blieb der Erfolg treu und er wurde nicht wie viele seiner Kollegen in die Serien-Schublade gesteckt. Das liegt sicher auch daran, dass er als Künstler sehr breit aufgestellt ist. 

Der Schauspieler mit der klassischen Ausbildung spielt regelmässig Theater und wird auch immer wieder für TV-Produktionen gebucht. Außerdem ist er ein gefragter Synchronsprecher.

Ab dem 14. Oktober steht der Wahl-Wuppertaler in der von Ernst-Werner Quambusch wieder eröffneten Komödie am Karlsplatz in dem Stück „Die Terrasse“ auf der Bühne.

Der STADTZEITUNG hat er ein ausführliches Interview gegeben.

DS: Die Rolle des Persy Stuart hat Sie berühmt gemacht. Werden Sie eigentlich auf der Strasse immer noch als „Persy Stuart“ angesprochen?

Claus Wilcke: „Nein, die Zeit ist vorbei. Die jüngeren TV-Zuschauer kennen die Serie gar nicht mehr, obwohl Sie vom ZDF insgesamt achtmal wiederholt wurde und auch in vielen anderen Ländern gelaufen ist.“

DS: Heute wird man als Serien-Darsteller in Deutschland schnell in eine Schublade gesteckt und hat dann Schwierigkeiten, andere Rollen zu bekommen. War für Sie Percy Stuart aus heutiger Sicht eher Fluch oder Segen?

Claus Wilcke: „Die Serie war für mich eindeutig ein Segen. Ich habe mich damals sehr über einen persöhnlichen, handschriftlichen Brief des damaligen ZDF-Intendanten Dr. Karl Holzamer gefreut, in dem er schrieb: ‚Herzlichen Dank, dass Sie dem Zweiten Deutschen Fernsehen mit der ersten TV-Serie überhaupt so in die Puschen geholfen haben.‘ Ich bekomme auch heute noch TV-Angebote. So war ich vor einiger Zeit  noch in aktuellen Serien wie „Unter Uns“ oder und in den Schluss-Staffel von „Verbotene Liebe“ dabei. Dafür haben wir ein halbes Jahr lang auf Mallorca gedreht. “

Claus Wilcke mit der Wuppertaler Schauspielerin Lore Duwe  in dem Theaterstück „Ab in den Urlaub“ – © privat

DS: Die Folgen von ‚Persy Stuart‘ waren 35 Minuten lang. Wie viele Drehtage hatten Sie damals pro Folge?

Claus Wilcke: „So viele, wie nötig waren. Wenn wir Sonne brauchten und es regnete, sind wir ins Hotel gegangen und haben dort gefeiert, bis die Sonne wieder schien. Im Schnitt hatten wir 10 Drehtage pro Folge. Wir standen damals eben noch nicht so unter Zeitdruck. Heute muss eine 90minütige ‚Tatort‘-Folge in 20 Drehtagen abgedreht sein.“

DS: Die Serie Persy Stuart spielte eigentlich in England, doch gedreht wurde u.a. in Deutschland, Spanien, Südamerika, Paraguay, Jamaika und den USA. Haben die Gründe dafür etwas mit den Wetterverhältnissen auf der britischen Insel zu tun?

Claus Wilcke: „Nein, wir haben auch in England gedreht. Zu den vielen unterschiedlichen Drehorten kam es, weil Persy Stuart im Auftrag des ‚Excentric Clubs‘ Aufgaben zu lösen hatten, die auf der ganzen Welt spielten.“

DS: Wie viele der damaligen Schauspiel-Crew leben heute eigentlich noch?

Claus Wilcke: „Von den Darstellern der Mitglieder des ‚Excentric Clubs‘ lebt leider keiner mehr. Und auch mein hochgeschätzter Freund und Partner Horst Keitel alias Reginald Prewster ist seit 2015 tot. Er war eigentlich kerngesund, ist aber aus Liebe zu seiner Frau Hertha Kravina, die schwer demenzkrank war, freiwillig mit ihr zusammen aus dem Leben geschieden. Beide hatten sich geschworen, wenn einer von ihnen schwer krank wird, dann würden sie gemeinsam in den Tod gehen. Dafür hatten sie sich schon 15 Jahre vorher in Holland Giftcocktails gekauft. Als Hertha und Horst von der Polizei dann tot aufgefunden wurden, lagen sie engumschlungen auf dem Ehebett. Fast so wie Romeo und Juliia. Ich zolle den beiden allergrössten Respekt.“

Theater-Chef Ernst-Werner Quambusch (l.) mit Film-Star Claus Wilcke – © Paul Coon

DS: Sie stehen heute auch noch regelmässig vor der Kamera. Was hat sich bei dieser Arbeit im Gegensatz zu den Dreharbeiten in den 60er und 70er Jahren geändert?

Claus Wilcke: „Es ist alles sehr viel schneller geworden, weil man aus Kostengründen unter einem enormen Zeitdruck steht.  Was ich allerdings sagen muss: Die Dreharbeiten sind heute sehr gut organisiert und bis ins kleinste Detail vorbereitet.“

DS: Sie haben als Synchronsprecher Weltstars wie Warren Beatty, George Hamilton, Michael Landon, Elvis Presley oder Omar Sharif Ihre Stimme geliehen. Wie bereitet man sich auf einen solchen Job vor?

Claus Wilcke: „Ich habe bislang rund 1.200 Filme synchronisiert – u.a. auch Ron Perlman in der bisher erfolgreichsten US-Serie ‚The Beauty and the Beast‘, die bei uns beim Sender Sat1 lief. Bei jedem einzelnen Synchronisations-Auftrag schaue ich mir immer vorher immer den Originalfilm genau an. Außerdem studiere ich die Drehbücher. Erst danach gehe ich ins Tonstudio.“

DS: Sie haben bei den Karl-May-Festpielen in Bad Segeberg und Elspe echte Actionrollen gespielt – beispielsweise Old Firehand. Dafür mussten Sie ein richtig guter Reiter sein. Wann haben Sie das gelernt?

Claus Wilcke: „Ich habe in Berlin und London eine sehr anspruchsvolle Ausbildung zum Stuntman absolviert. Ich bekam  ja die Rolle des Persy Stuart auch deswegen, weil ich alle Stunts selbst übernehmen konnnte. Ich habe mich nicht nur mit galoppierenden Pferden überschlagen, ich bin auch in Barcelona aus dem dritten Stock durch eine Feinsterscheibe ins Hafenbecken gesprungen. Dazu kommen zig spektakuläre Crashs mit dem Auto. Damals gab es noch keinen digitalen Schnitt, alle Szenen wurden in Echtzeit gedeht. Ich habe übrigens für meine Stunts zwei ‚Bambis‘ bekommen. Heute wäre das unmöglich. Allein aus Versicherungs-Gründen müssen bei gefährlichen Szenen Stuntmen eingesetzt werden.“  

Claus Wilcke, der erfolgreiche Schauspieler mit den vielen Gesichtern. Hier mit Lore Duwe – © Kammerspielchen

DS: Sie haben eine klassische Schauspielausbildung absolviert. Viele junge Kolleginnen und Kollegen starten sofort eine TV- oder Filmkarriere, ohne jemals auf der Theaterbühne gestanden zu haben. Fehlt ihnen da nicht eine wichtige Basis?

Claus Wilcke: „Ich bin sehr froh, dass ich eine dreijährige klassische Schauspielausbildung gemacht und diese mit der Note „Sehr gut“ abgeschlossen habe. Damals gab es noch Zensuren. Und man musste auch noch Kenntnisse in Theaterwissenschaften nachweisen. Ganz klar: Die fundierte Ausbildung ist das Fundament meiner Arbeit auf der Bühne und vor der Kamera. Ich merke sofort, wer eine klassische Schauspiel- und eine phonetische Sprachausbildung genossen hat und wer nicht. Heute rutschen viele Newcomer beim Casting einfach so rein, weil sie als Typ zur Rolle passen. Aber dann hapert es oft an der Sprache, die für einen Schauspieler enorm wichtig ist. Viele der jungen Kollegen kennen überhaupt keine Endkonsonanten.“

DS: Ihr Freund Ernst-Werner Quambusch, ein Theatermacher mit Leib und Seele, hat die Komödie am Karlsplatz wieder belebt. Die erste geplante Premiere mit Ihnen fiel wegen technischer Probleme leider ins Wasser. Wie sehr freuen Sie sich jetzt auf die neu angesetzte Premiere am 14. Oktober?

Claus Wilcke: „Total. Ich freue mich sehr darauf, mal wieder in Wuppertal Theater zu spielen. Und dann darf ich auch noch in Klaus Wirbitzkys wertvollster und anspruchvollster Komödie ‚Die Terrasse‘ auf der Bühne stehen. Ich liebe dieses Stück. Es ist für mich eine grosse Herausforderung den Psychologen zu spielen, der in einem Seniorenstift auf einen Chirurgen trifft. Beide Männer sind Alphatiere, die sich lange verbal bekämpfen. Doch am Ende entsteht daraus aber eine tiefe, feste Männerfreundschaft. Das ist keine typische Boulevard-Komödie, sondern ein Theaterstück mit sehr viel Tiefgang.“

DS: Sie sind jetzt zum fünften Mal verheiratet. Inwieweit hat Ihr Beruf, bespielsweise die häufigen Trennungen, eine Rolle dabei gespielt, dass vier Ihrer Ehen gescheitert sind?

Claus Wilcke: „Die Ehen sind gescheitert, weil ich ein Workaholic bin und Tag und Nacht gearbeitet habe: Texte lernen, Proben, Vorstellungen, Dreharbeiten, Synchronisationen. Ich selbst habe nie die Scheidung eingereicht. Das waren immer die Frauen, weil sie sich mehr oder weniger allein gelassen fühlten. Dabei habe ich immer wieder gesagt: ‚Begleite mich doch einfach zu den Proben, zu den Theaterauffürungen oder Drehabeiten.‘ Aber das wollten sie nicht. Und dann hatte ich auch einmal eine Ehefrau, die glaubte, bei soviel Arbeit müsste ich doch Multimillionär sein. Aber wir sind hier nicht in Hollywood. In Deutschland kannst du als Schauspieler kein Millionär werden.“

Tierfreund Claus Wilcke mit Katze Jaliha – © Paul Coon

DS: Als Schauspieler geht man nicht wie die meisten Berufstätigen mit 65 Jahren in Rente. Gibt es denn für Sie einen Punkt, an dem Sie sagen: Das ist meine letzte Rolle, dann ist Schluss?

Claus Wilcke: „Diesen Punkt gibt es bei mir garantiert nicht. nicht. Ich liebe meinen Beruf über alles. Als ich 65 Jahre alt wurde, war für mich klar, dass ich auf jeden Fall weiter arbeiten würde. Meine Mutter hat mir auf dem Sterbebett mit auf den Weg geben: ‚Bleibe Deinem Publikum treu!‘ Das habe ich mir zu Herzen genommen. Die Zuschauer begleiten mich schon über Generationen. Dafür sage ich immer wieder: Dankeschön. Mein Geschenk an sie ist, dass ich bis zum letzten Atemzug spielen werde. Wenn, dann falle ich auf der Bühne um. Ich werde im nächsten Jahr 85 Jahre alt. Aber ich bin nach topfit. Ich sehe meine Arbeit als Super-Trainingsprogramm, um alt zu werden.“

DS: Gibt es noch irgendeinen Traum, den Sie sich noch erfüllen wollen?

Claus Wilcke: „Ich hoffe sehr, dass ich noch lange auf der Bühne stehen kann. Ich wünsche mit aber auch, dass ich noch die eine oder andere Fernseh-Rolle bekomme. Und ich wäre sehr dankbar, wenn auch das ZDF, dem ‚Persy Stuart‘, die erste TV-Serie überhaupt, Einschquoten von bis zu 54 Prozent beschert hat, mich nicht ganz vergisst.“

DS: Vielen Dank für das sehr offene, informative Gespräch.

Das Interview führte Peter Pionke

 

 

Straßenfeger – Percy Stuart – Staffel 1 + 2 – ZDF – Studio Hamburg Enterprises – 4 DVD – ASIN: B07KZFYLG4

VITA CLAUS WILCKE

Claus Wilcke wurde am 12.08,1939 in Bremen geboren. Nach der Schule absolvierte er eine dreijährige Schausspielausbildung. Albert Lippert engagierte ihn danach für vier Jahre am Theater Bremen.

Anschliessend folgten Engagements am Staatstheater Oldenburg, an den Bühnen der Hansestadt Lübeck, an den Münchner Kammerspielen, am Grenzlandtheater Aachen, an der Kleinen Komödie Hamburg, am Theater Die Komödie in Frankfurt/Main und am ETA Hoffmann Theater Bamberg.

1958 gab Claus Wilcke sein Spielfilm-Debüt in „Meine 99 Bräute“ (Regie: Alfred Vohrer). Danach übernahm er u.a. Rollen in Film- und Fernsehproduktionen wie „SOKO 5113“, „Der Alte“, „Die Männer vom K3“, „Sylter Geschichten“, „Balko“, „Unter uns“ und „Verbotene Liebe“.

Anfang der 1980er Jahre sass er bei den  Karl-May-Festspielen Bad Segeberg (Rolle des Juan Cortinez in „Im Tal des Todes“ und den Karl-May-Festspielen im sauerländische  Elspe (als Old Firehand) im Pferdesattel.

Seit 1959 ist er dank seiner markanten Stimme als Synchronsprecher für international bekannte Schauspieler sehr gefragt. Er synchronisierte Warren Beatty („Der römische Frühling der Mrs. Stone“), Terry Carter (Kampfstern Galactica), George Hamilton („Liebe auf den ersten Biss“), Rutger Hauer („Mysteries“), Michael Landon („Unser kleine Farm“), Elvis Presley („Acapulco“ – „Blaues Hawaii“), Omar Sharif („Lawrence von Arabien“), William Shatner („Die Entführung des Präsidenten“).

Auch in Hörspielen wie „König Julius 111“,  „Hui Buh“, „Das verfluchte Haus“, oder „Gruselkabinett“ sass Claus Wilcke als Sprecher am Mikrofon, ebenso bei der ersten Staffel von  „Planet Erde“.

Claus Wilcke ist zum fünften Mal verheiratet. Auch seine Kinder Nicolas Böll und Alexandra Wilcke sind in der Schauspielbranche unterwegs.

Auch mit 84 Jahren verschwendet Vollblut-Schauspieler Claus Wilcke keinen Gedanken ans Aufhören.

Link zur Webseite der „Kammerspielchen“:

http://www.kammerspielchen.com

 

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