26. März 2021

Ernst-Andreas Ziegler: „Wir haben Corona die Stirn gezeigt“

Er ist stolzer Vater der Junior Uni. Als Journalist und Schriftsteller hat er die Medienlandschaft in Wuppertal entscheidend mitgeprägt. Prof. Dr. h.c. Ernst-Andreas Ziegler, ein Mann mit Visionen, der in seinem Berufsleben schon viel erlebt hat. Aber eine Corona-Pandemie war auch für ihn eine ganz neue, eine einschneidende Erfahrung. Und eine große Herausforderung! Doch er und seine Geschäftsführer-Kolleginnen Dr. Ariane Staab und  Dr. Annika Spathmann haben schnell innovative, pragmatische Problem-Lösungen in der Covid-19-Krise gefunden.

Prof. Dr. Ernst-Andreas Ziegler – © Junior Uni

Die Junior Uni ist eine europaweit bewunderte außerschulische Bildungs-Einrichtung, die Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit gibt, in professionellen Laboren unter Anleitung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu experimentieren und so selbst zu jungen Forscherinnen und Forschern zu werden.

Doch wie soll experimentiert und geforscht werden, wenn wegen des Corona-Lockdown die Türen der Junior Uni verschlossen bleiben müssen? Die STADTZEITUNG hat sich darüber mit Junior Uni-Gründer Prof. Dr. Ernst-Andreas Ziegler unterhalten.

DS: Bei vielen kulturellen Einrichtungen gab ein Jahr mit Unterbrechungen Stillstand. Wie hat Ihrer Meinung nach die Junior Uni die Corona-Krise gemeistert?

Ernst-Andreas Ziegler: „Dieses schreckliche Virus hat uns nicht kaputtgemacht. Im Gegenteil. Wir haben ihm erfolgreich die Stirn geboten. Das lag weniger an mir, sondern in erster Linie an unserem leidenschaftlichen und hochkompetenten Team, auf das ich sehr stolz bin. Ich habe mitgewirkt, den Startschuss und jeglichen  Freiraum zu geben. Als privater außerschulischer Lernort haben wir nach dem Lockdown sofort antizyklisch umgeschaltet. Während andere abwarteten (oder auf Erlaubnis von „oben“ abwarten mussten), haben wir innerhalb weniger Tage und Nächte Kursangebote auf digitale Formate umgepolt. Was natürlich nur mit engagierten Dozentinnen und Dozenten geht. Dabei entstanden neue spannende Lern- und Experimentiervideos, dazu dann im Mai erste Online-Kurse.“

DS: Und das ging dann alles völlig reibungslos und planmässig über die Bühne?

Ernst-Andreas Ziegler: „Anfangs war manches ruckelig, doch wir trauten uns, auch Fehler zu machen und die dann schnell zu korrigieren.  Das war ein richtig guter kreativer Prozess! So entstanden zusätzlich Berufsorientierungsvideos, Experimentiervideos, digitale Wettbewerbe und digitale Veranstaltungen –  wie Livestreams mit mehreren Hundert Zuschauern. Parallel dazu gab es Dozentenschulungen und zusätzliche Kooperationen mit Einrichtungen auch von weither. Für viele Kurse wurden Materialpakete zum Experimentieren daheim entwickelt und verschickt. So paradox es ist: Diese Art von Notwehr gegen die Pandemie hat uns noch erfolgreicher gemacht. Weil das Internet keine Grenzen kennt, erreichen wir inzwischen wissensdurstige Kinder und Jugendliche im gesamten deutschen Sprachraum. Das werden wir auch nach der Pandemie fortsetzen. Trotzdem bleiben Präsenzkurse unser Schwerpunkt.“

DS: Sie hätten es sich doch bestimmt nicht träumen lassen, dass Streams von Veranstaltungen und digitale Kurse so schnell und so massiv – zumindest für einen gewissen Zeitraum – zur Norm werden würden?

Ernst-Andreas Ziegler: „Stimmt. Meine Geschäftsführerkolleginnen Dr. Ariane Staab und  Dr. Annika Spathmann  und unser verantwortlicher Fachkoordinator Dr. Stefan Hellhake hatten zwar bereits vor Corona über YouTube-Videos und Livestreams nachgedacht, doch dass wir plötzlich völlig umschalten müssten, konnte niemand voraussehen. Nichts an diesem Virus ist gut. Es bedeutet Leben oder Tod. Wir bekämpfen es.  Wir sehnen uns natürlich danach, dass die Junior Uni bald wieder voller lernbegeisterter junger Menschen ist. Und bis dahin werben wir dafür, dass sich jeder impfen lässt. Zu seinem eigenen Schutz und zum Schutz aller anderen.“

DS: Wenn Sie Corona vorausgeahnt hätten, was hätten Sie und Ihr Team bei den Planungen für Junior Uni und deren Ausstattung anders gemacht?

Ernst-Andreas Ziegler: „Obwohl wir immer nach vorne schauen und vorauszudenken versuchen, waren auch wir keine Hellseher. Wären wir es gewesen, hätten wir größere Kursräume geplant. Vor Corona konnten in unserem Kursräumen bis zu 15 Studentinnen und Studenten gemeinsam Forschen, Experimentieren, mit Freude Lernen. Wegen der Corona-Abstandsregeln dürfen in Präsenzkursen nur maximal 5-8 Teilnehmer in die Kursräume.“

DS: Hat Sie der quasi vom Staat verordnete Schnellkurs in Sachen Digitalisierung, was Ihre Computer-Kenntnisse angeht, nach vorn gebracht oder waren Sie schon vorher auf diesem Gebiet firm?

Ernst-Andreas Ziegler: „Unser Gesamtteam war schon vorher digital gut aufgestellt, dank finanzieller und fachlicher Förderung unserer Hauptspender. So hatten wir bereits eine gute Basis, sodass wir im ersten Lockdown sehr schnell Laptops für alle Mitarbeiter sowie Software zur Kommunikation (z.B. für Videokonferenzen) etablieren, die technischen Voraussetzungen für die Online-Kurse schaffen und Leihgeräte für Studentinnen und Studenten zur Verfügung stellen konnten. Unseren Geldgebern, also den Stiftungen und den ebenso gemeinwohlorientierten Unternehmern sowie Einzelspendern, sind wir überaus dankbar.“

DS: Welche Lehren und Schlüsse ziehen Sie für sich und die Junior Uni für die Zukunft aus der Corona-Pandemie?

Ernst-Andreas Ziegler: „Obwohl unser Bildungssystem eines der besten der Welt ist – und die Schulen beziehe ich ausdrücklich ein – hat diese Pandemie auch seine Schwächen offenbart, die dringend und schnell abgestellt werden müssen. Dazu braucht es Innovationen und sehr viel Kreativität. Bei allem Respekt vor Politik und Verwaltungsbürokratie: Das ist nur mit privater, unternehmerischer Hilfe zu schaffen. Vor allem bedarf es einer neuen staatlichen Verwaltungskultur. “

DS: Welche Lösungsansätze schweben Ihnen denn da ganz konkret vor?

Ernst-Andreas Ziegler: „In den Ministerien und Kommunen sollte künftig niemand mehr Angst davor haben, neue kreative Ansätze zu unterstützen, auch wenn die nicht bereits viele Jahre erfolgreich sind. Die dort bislang sehr wenig geförderter Risikobereitschaft von Beamten und Angestellten  müsste künftig erstes Kriterium für Beförderungen sein. Die glücklicherweise überwundenen Probleme während der Startjahre der Junior Uni  waren für uns gerade deshalb so schwer, weil „die da oben“ bremsten, vor allem aus Angst vor Entscheidungsverlust und aus Sorge vor möglicher späterer Rechtfertigung.“

DS: Viele Ihrer Veranstaltungen liefen per Stream im Internet und waren somit für viel mehr Menschen als ein normales Live-Event erlebbar. Welche Feedbacks haben Sie da bekommen?

Ernst-Andreas Ziegler: „Sehr viele – und zwar sämtlich positive. Unsere Livestreams sind sehr interaktiv gestaltet, in denen man Fragen im Chat stellt. Dass Kinder und Jugendliche, live dazu geschaltet, unglaublich viele Fragen stellen – das kam und kommt sehr gut an. Außerdem hat uns die Digitalisierung ermöglicht, noch mehr spannende Referenten als bisher nicht nur aus der Region, sondern aus dem gesamten deutschen Sprachraum für Vorträge zu gewinnen. Jüngste Beispiele waren eine Wissenschaftlerin vom Forschungsschiff Polarstern, die über grandiose Erlebnisse erzählte. Oder ein Physiker aus dem Team von Nobelpreisträger Prof. Genzel, der Fragen zu schwarzen Löchern beantwortete.“

DS: Auch Sie haben ja sicher weit mehr Homeoffice als in normalen Zeiten betrieben. Wenn die Pandemie vorbei ist, werden Sie dann wieder genauso viel Zeit wie früher in der Junior Uni verbringen oder wird dann Ihre Frau ihr Veto einlegen?

Ernst-Andreas Ziegler: „Gerade weil meine Kolleginnen in der Geschäftsführung das Operative eigenverantwortlich gestalten, habe ich jetzt größeren Freiraum – auch für neue Ideen. Solange ich dem Team noch helfen kann, will ich das weiter tun. Meine Frau trägt mein Engagement voller Überzeugung mit.“

Der Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merke am 13.05.2019 – ein echtes Highlight für die Junior Uni und Für Prof. Ernst-Andreas Ziegler – © Junior Uni / Anna Schwartz

DS: Einige Ihrer Sponsoren leiden wirtschaftlich sehr unter der Corona-Krise. Inwieweit haben Sie Sorgen, dass sich das auf die Finanzierung Ihrer Einrichtung auswirkt?

Ernst-Andreas Ziegler: „Wir sind nach wie vor voller Mut zur Zukunft. Bestärkt wird dieser Mut durch die Erfahrung und Gewissheit, dass unsere Geldgeber ebenso leidenschaftlich dafür brennen, allen jungen Menschen die denkbar besten  Bildungschancen  zu ermöglichen, und zwar ausdrücklich auch denen aus armen oder – aus anderen Gründen – bildungsbenachteiligten  Familien. Bislang sind uns sämtliche Geldgeber treu geblieben. Ich verneige mich vor ihnen, ihren Familien und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Allen Unterstützern ist sehr bewusst, wie wichtig die Junior Uni ist. Was sich übrigens auch daran zeigt, dass weitere Junior Unis nach unserem Vorbild gegründet oder in der Planung sind. So in Mülheim an der Ruhr, in Essen, in Mönchengladbach und in Daun in Rheinland-Pfalz. Die Pandemie wird diesen Prozess in ganz Deutschland und darüber hinaus beschleunigen. Dabei helfen wir gern mit unseren Erfahrungen.“

DS: Was haben Sie am meisten in Zeiten des Lockdowns vermisst?

Ernst-Andreas Ziegler: „Die Junior Uni voller begeisterter Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Und die auf sie wartenden und vor Stolz fast platzenden Eltern und Großeltern.“

DS: Werden Sie die Corona-Pandemie und ihre Folgen als Journalist und Buchautor in irgendeiner Form aufarbeiten?

Ernst-Andreas Ziegler: „Gute Anregung. Warten wir die weitere Entwicklung ab.“

DS: Vielen Dank für das interessante, informative und spannende Gespräch

Das Interview führte Peter Pionke

 

 

 

 

 

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