Dietmar Bell: Zeit ist das kostbarste Gut

Gewählt von den Wuppertalerinnen und Wuppertalern, um sie auf der politischen Bühne zu vertreten und ihre Interessen durchzusetzen. Berufspolitiker haben einen ganz besonderen Job. In unserer losen Serie stellen wir einige von ihnen vor. Diesmal steht Dietmar Bell im Fokus.

MdL Dietmar Bell – © Land NRW / Jens Grossmann

Ein Interview zwischen Wochenendeinkäufen, Schreibtischarbeit und Familienessen – auch das gehört zum Leben eines Berufspolitikers. Wir treffen Dietmar Bell, der seit 2010 im Düsseldorfer Landtag sitzt, an einem Samstag in der Wuppertaler SPD-Zentrale an der Robertstraße. Es ist 10 Uhr früh, und obwohl er an diesem Tag noch einen vollen Terminkalender hat, wirkt Bell entspannt, ausgeglichen und so, als wäre er fast ein bisschen erhaben über diesen Faktor Zeit, der – wie wir später noch lernen werden – eine entscheidende Rolle spielt in seinem Leben.

Bell, Jahrgang 1961, wächst mit seinen drei Geschwistern in Wuppertal in einfachen Verhältnissen auf. Politisch ist in seinem Leben zunächst einmal nichts, im Gegenteil. Er ist eines von wenigen Kindern aus seinem Viertel, die aufs Gymnasium gehen, auch deshalb, weil seine alleinerziehende Mutter um den Wert einer guten Ausbildung weiß. Wohin es nach dem Abitur für ihn gehen soll, ist dennoch lange unklar. Er will Lehrer werden, doch Stellen sind rar und eine Festanstellung illusorisch.

Als Schreiner nimmt ihn niemand in die Ausbildung, dafür disqualifiziert ihn das Abitur. Letztlich wählt er das für ihn Naheliegendste: Nachdem er lange Zeit nebenbei als Aushilfe im Krankenhaus gearbeitet hat und die Kontakte dorthin gut sind, macht er seine Ausbildung kurzerhand dort in der Klinik.

Rückblickend ist das auch der Moment, in dem Bell das erste Mal politisch wird: Er erkennt schnell, dass die Umstände der Ausbildung problematisch sind und versucht, sie aktiv zu verändern. Wenige Zeit später ist er bereits Schulsprecher.
Dieses Gefühl und das Wissen, mit genug Anstrengung Änderungen herbeiführen zu können, begleitet Bell künftig sein Leben lang.

Er bekommt ein Stipendium des DGB, studiert an der Sozialakademie Dortmund und anschließend Sozialwissenschaften in Bochum und ist immer noch auf der Suche nach seinem Weg im Leben, als er Anfang 30 das Angebot bekommt, für die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr in Deutschland, kurz ÖTV, als Sekretär zu arbeiten.

Kurz vor dem Vordiplom bricht Bell sein Studium ab und nimmt den Job an, auch deshalb, weil er fortan wieder bei seiner Frau in Wuppertal arbeiten kann. Außerdem übernimmt er als Neuling einen wichtigen Bereich – eine Tatsache, die ihn unglaublich motiviert. Trotzdem braucht er fünf Jahre Erfahrung, bis er wirklich gut wird in seinem Job.

Dass er 1992 schließlich SPD-Mitglied wird, ist fast schon ein zufälliger Umstand. Damals beschließt die Partei eine Grundgesetzänderung. Bell ist dagegen und beschließt, seinem ureigenen Grundsatz folgend, dass es nicht hilft, sich zu beschweren, wenn man besser selbst aktiv werden sollte. Trotzdem ist er lange Zeit ein eher passives Mitglied, konzentriert sich auf seine Arbeit bei der ÖTV, wird erst dort Geschäftsführer und später bei Verdi.

Als 2002 wegen der Parteispenden-Affäre der SPD-Vorstand zurücktritt, bietet Bell – politisch ein unbeschriebenes Blatt, wenn auch mit guten Kontakten und einem tollen Netzwerk in Wuppertal – seine Kandidatur an. Sein Vorhaben bespricht er zuvor mit seiner Frau. „Hälst du das aus, wenn ich noch weniger zu Hause bin? Hälst du das aus, wenn mein Bild auf Seite 1 der Lokalzeitung steht und der Text dazu wenig schmeichelhaft ist?“. Kurze Zeit später wird er mit 95 Prozent der Stimmen gewählt.

13 Jahre lang ist er ehrenamtlicher SPD-Vorsitzender in Wuppertal. Kandidiert 2005 das erste Mal für den Landtag, unterliegt, kandidiert 2009 für das Amt des Bürgermeisters, obwohl er weiß, dass er kaum eine Chance hat gegen den damals starken Peter Jung. „Sicher habe ich das auch ein Stück weit aus Pflichtbewusstsein gemacht“, sagt er heute. Doch Bell verfolgt noch ein anderes Ziel. Als Verlierer der Wahl, mit einem tollen Wahlkampf hinter sich, bekommt er am Wahlabend Standing Ovations im Rathaus. Auf diesen Rückenwind hat er gehofft, er ist die Ausgangslage für seine zweite Landtagskandidatur 2010, die diesmal erfolgreich ist.

Ein bisschen hofft er damals darauf, dass sich durch den Wechsel von Verdi nach Düsseldorf und den Wegfall der Doppelbelastung auch das Arbeitspensum verringert. Doch dafür ist Bell letztlich auch einfach zu engagiert. „Meine Arbeit ist eine Verpflichtung den Menschen gegenüber und ich habe als Abgeordneter Möglichkeiten, die ich einfach nutzen muss.“

Dietmar Bell ist für die Menschen da, freut sich, wenn er in Bus und Bahn angesprochen wird, Besuch bekommt in seinem Wuppertaler Büro, wo die Wähler ihm manchmal sein Leid klagen und hoffen, dass Bell für sie etwas bewirken kann. Bis zu 80 Stunden die Woche arbeitet er, in der parlamentsfreien Zeit sind es immerhin noch 40. „Zeit ist für mich das kostbarste Gut geworden.“ Und wenn er sie hat, dann liest er gerne ein Buch oder fährt Mountainbike.

Auch Bell spürt, dass die politische Landschaft sich verändert, erfährt bei den Reden der AfD oft genug, wie Hass und Wut Einzug gehalten haben in die Politik und ihr Bild nach außen bestimmen. „In solchen Situationen muss man standhaft bleiben. Wir alle sind gefordert, uns dem entgegenzustellen und Antworten auf die Fragen unserer Zeit zu finden.“

Dietmar Bell jedenfalls leistet seinen Teil. „Ich bin mit dem Mandat extrem glücklich und dankbar für das Vertrauen und für den Job, der mir eine Ehre ist.“ Und egal was noch kommen mag, eines ist sicher: Berlin wird es nicht. „Dahin hat es mich nie gezogen. Man sollte das was einem gut tut nicht kaputt machen indem man nach anderen Dingen strebt.“

Text: Jan Filipzik

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