7. Mai 2022

Michaela Kölbl hilft, die Sprache der Pferde zu verstehen

"Alles Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Pferde", dieses berühmte Sprichwort wird deutschen Schriftsteller Friedrich von Bodenstedt (1819 - 1892) zugeschrieben. Das gilt aber nur, wenn die Beziehung zwischen Roß und Reiter harmonisch ist und der Mensch die Sprache der Pferde versteht. Falls nicht, wird es gefährlich. Das weiss niemand besser als Pferde-Coach Michaela Kölbl (www.michaelakoelbl.com).

Pferde Coach Michaela Kölbl bei der Arbeit – © Paul Coon

Rund 30.000 Unfälle passieren jährlich in Zusammenhang mit Reitpferden. Oft sind es Stürze. Es gibt auch andere schmerzliche Erfahrungen, die Reiterinnen und Reiter mit ihren Lieblingen machen können. Ein Pferd wiegt rund 600 Kilogramm und ist damit ein echtes Schwergewicht. 

Ich treffe Michaela Kölbl bei der Arbeit. Auf einem Reiterhof in Mettmann arbeitet sie mit einer dunkelbraunen Warmblut-Stute am Pferdeanhänger und übersetzt den Besitzern was die einzelnen Trainingsschritte für das Pferd bedeuten.

Der Hintergrund: Ihr „Patient“ wurde von einem anderen Trainer mit einer Seilwinde in den Anhänger gezwungen. Die Folge: die Stute bekam Todesangst, rastete völlig aus und weigerte sich seitdem, überhaupt in die Nähe eines Pferdeanhängers zu gehen. Der Trainer landete schwer verletzt im Krankenhaus.

Ein Fall für Michaela Kölbl, die schon vielen traumatisierten Pferden geholfen und wieder in die Spur gebracht hat. Schon nach ein paar Trainingseinheiten zeigen sich die ersten Erfolge ihrer Arbeit. Die Stute ist wieder in der Lage, in den Anhänger zu gehen und behält dabei immer mehr in die Ruhe. 

Rund 2,43 Millionen Deutsche bezeichnen sich selbst als Reiter. Vielen von ihnen sitzen aber nur gelegentlich im Sattel. Für sie ist der Umgang mit schwierigen Pferden besonders gefährlich. 

Michaela Kölbl hilft Menschen und Pferden wieder eine gemeinsame Basis zu finden. Im Interview erklärt sie, warum sie ihr Hobby zum Beruf gemacht hat. 

DS: Was fasziniert Sie so sehr an Pferden?

Michaela Kölbl: „Ihre Unbändigkeit, ihr Spirit, ihre Fähigkeit zu lernen und ihre Treue.“

DS: Welchen Reitsport betreiben Sie?

Michaela Kölbl: „Ich selbst habe nie Reitsport betrieben. Turniere und schleifen haben mich nie gereizt. Ich wollte mehr.“

DS: Das müssen Sie schon näher erklären. Was wollten Sie mehr?

Michaela Kölbl: „Mich haben seit frühester Kindheit immer die Pferde gereizt, die schwierig sind und Verhaltensprobleme haben. Mein Ziel war es, sie wieder auf die Spur zu bringen und später kamen dann die Menschen dazu.“

Michaela Kölbl lässig und locker – © privat

DS: Besitzen Sie eigentlich selbst ein Pferd?

Michaela Kölbl: „Ja. Ein 13 jähriges Quarter Horse mit dem Namen Summer.“

DS: Wie sieht die Ausbildung zum Pferde-Coach aus?

Michaela Kölbl: „Das weiß ich ehrlich gesagt gar nicht so genau. Es gibt mittlerweile Studiengänge zu zertifizierten Verhaltenstrainern und Akademien, die in der Regel sehr Theorie lastig sind. Ich selbst habe kein offizielles Zertifikat, ich verlasse mich auf meine langjährige Erfahrung und auf mein Gefühl.“

DS: Gibt es für Sie so etwas wie ein Vorbild?

Michaela Kölbl: „Mein damaliger Mentor Don Barnes, der leider nicht mehr lebt und eine Hand voll Trainer, die alle eins gemein haben: Sie sind absolut pro Pferd und haben auch ein Gespür für Menschen.“

DS: Wie erklären Sie sich, dass viele Männer Pferde eher als Sportgerät sehen, viele Frauen von Kindesbeinen an eine sehr innige Beziehung zu diesen Tieren haben?

Michaela Kölbl: „Zu Beginn sind es sicher die weichen Fellnasen, die Mädchen eine emotionale Beziehung zu Pferden entwickeln lassen. Später verliert sich das oft. Ich kenne Männer, die sehr gefühlvoll mit Pferden umgehen und Frauen, die man am liebsten vom Ross holen würde. Im Pferdesport gibt es kaum noch eine Gender Abgrenzung.“

DS: Was sind die größten Fehler, die man im Umgang mit Pferden machen kann?

Michaela Kölbl: „Sie als Kuscheltiere, Kind- oder Partnerersatz zu missbrauchen. Menschliche Gefühle auf sie projizieren und Erwartungshaltungen schaffen, die Pferde nicht leisten können. Das führt zu großen Verwirrungen und kann sich in extremen Verhaltensweisen äußern.“

Michaela Kölbl beruhigt ein Pferde im Transporter – © privat

DS: Was sind das für Leute, die Sie engagieren?

Michaela Kölbl: „Menschen aus allen Schichten: Die 14jährigen ehrgeizigen Töchter, die Probleme mit ihrem Turnierpferd haben, gestandene Geschäftsfrauen, die einen neuen Zugang zu ihrem Tier suchen, Männer, die an einer pragmatische Lösung interessiert sind und Profis, die verstanden haben, dass Höchstleistung nur mit einem hochmotivierten und ausgeglichenen Pferd zu erreichen ist.“

DS: Wie viele Pferde-Fans können denn an einem einzelnen Ihrer Workshop teilnehmen?

Michaela Kölbl: „Ich liebe es, mit kleinen Gruppen zu arbeiten, daher ist bei mir bei fünf Teilnehmern Schluss. Bei den Zuschauern gibt es keine Begrenzung.“

DS: Wann wenden sich Pferdebesitzer an Sie, frühzeitig, bevor ein Problem aufgetreten ist oder oft erst dann, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist?

Michaela Kölbl: „Das kommt drauf an. Es gibt jene, die sich melden, bevor Probleme auftreten, beispielsweise mit jungen Pferden und solche, die schon ‚austherapiert‘ sind. Letztere sind die größten Herausforderungen, aber auch die Fälle, die mich am meisten reizen.“

DS: Wann wäre der ideale Zeitpunkt, Sie und Ihre Erfahrung zu Rate zu ziehen?

Michaela Kölbl: „Im besten Fall, bevor Probleme entstehen. Aber wie gesagt, die Realität sieht anders aus und ich freue mich auf jeden neuen „Fall“.

DS: Haben Sie auch mit Halbwissen zu kämpfen – nach dem Motto: Jeder, der sich ein Pferd anschafft, kennt jemanden, der schon seit gefühlten 1.000 Jahren Erfahrungen mit Pferden hat?

Michaela Kölbl: „Klar! Ich habe aber gelernt, mich nicht auf sinnlose Diskussionen einzulassen, sondern einfach mein Ding zu machen. Das überzeugt die Leute mehr als Worte.“

Michaela Kölbl geht sehr gefühlvoll mit den Pferden um – © Paul Coon

DS: Gab schon mal einen Fall, in dem Sie mit all Ihrer Erfahrung machtlos waren und resigniert haben? 

Michaela Kölbl: „Absolut. Bisher gab es ein paar ganz wenige Pferde, denen ich nicht helfen konnte. Gleichzeitig habe ich unendlich viel von ihnen gelernt.“

DS: Wie hoch ist Ihre Erfolgsquote aus subjektiver Sicht? 

Michaela Kölbl: „Ich würde sagen bei 95 Prozent.“

DS: Sie bieten auch Telefon Coachings und Training/Schulungen per Video an. Stand das auch schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie in Ihrer Agenda? 

Michaela Kölbl: „Das Telefoncoaching stand wirklich schon vor Corona auf meiner Agenda, hat sich aber seit dem verstärkt.“

DS: Wie beurteilen Sie den viel diskutierten Fall der Fünfkämpferin Annika Schleu, die bei Olympia ja sehr barsch mit dem Pferd Saint Boy umgesprungen ist?

Michaela Kölbl: „Ich denke, wir brauchen uns nicht darüber zu unterhalten, dass die Art und Weise, wie mit dem Pferd umgegangen wurde, nicht akzeptabel ist. Niemand, der ein Herz für Tiere hat, kann so etwas gut finden. Was ich allerdings sehr befremdlich finde ist, wie mit der Reiterin umgegangen wurde. Ich liebe Pferde über alles, aber ganz ehrlich, ich wüsste nicht, wie ich reagieren würde, wenn ich einen gefühlten Zentimeter von einer Goldmedaille entfernt gewesen wäre. Ich bin sicher, in solchen „Ausnahmesituationen“ greifen andere Mechanismen, als wenn man bequem mit einer Tüte Chips auf der Coach vor dem Fernseher sitzt.“

DS: Die beliebten Haustiere Hund und Katze laufen ja in Deutschland nicht Gefahr, im Kochtopf zu landen. Bei Pferden sieht das anders aus: 1993 wurden 16.085 Pferde von Metzgern geschlachtet, 2020 waren es immerhin noch 4.107. Was empfinden Sie, wenn Sie diese Zahlen lesen?

Michaela Kölbl: „Ich habe dazu keine echte Meinung. Jeden Tag werden Pferde geschlachtet, nicht unbedingt, um sie als Hundenahrung oder besondere Delikatesse zu verarbeiten, sondern weil ihre Zeit gekommen ist. Natürlich rebelliert unser moralisches Gewissen bei solchen Zahlen, aber auf der anderen Seite gehört der Tod zum Leben. Ich persönlich habe noch nie ein Pferd zum Schlachter gebracht und würde es auch nie tun, weil ich mein Pferd in seinem gewohnten Umfeld auf seine letzte Reise schicken würde.“

Pferde Coach Michaela Kölbl – © privat

DS: Welches war denn Ihr schönstes Erlebnis in Zusammenhang mit Pferden?

Michaela Kölbl: „Da gab es so viele! Das sind oft – ich nenne sie – „Goldene Momente“, die von außen betrachtet nicht spektakulär sind, die mich aber sehr berühren. Wenn ein Pferd nach einer gefühlten Ewigkeit anfängt, sich zu entspannen und mir vertraut, sich vertraut und in den Anhänger marschiert, was vorher unmöglich war. Wenn Menschen, die vorher Angst vor ihren Pferden hatten auf einmal diese unglaubliche Präsenz und Souveränität ausstrahlen. Grand-Prix Pferde, die im Viereck wieder glänzen, weil sie mental ruhig sind. Dann bekomme ich feuchte Augen und dann weiß ich wieder, warum ich das alles mache.“

DS: Gibt es Momente, die Sie ganz besonders bewegt haben?

Michaela Kölbl: „Die gibt es: Meine Arbeit mit Wildpferden. Das war 2010 in Namibia. Da habe ich verstanden, was es bedeutet, mit den Instinkten zu arbeiten, anstatt sie zu unterdrücken und genau darum geht es mir bei meiner Arbeit. Ich möchte den Menschen zeigen, dass die Lösung von Problemen sehr einfach sein kann, wenn man nicht gegen die Natur arbeitet.“

DS: Welche Hobbys haben Sie? 

Michaela Kölbl: „Mein Beruf ist auch mein Hobby. Zwischendurch arbeite ich gerne mit Holz und bin kreativ tätig. Ich liebe Gespräche mit Menschen, die was bewegen wollen und den typisch deutschen Status Quo herausfordern.“

DS: Und was haben Sie sich für dieses Jahr noch vorgenommen? 

Michaela Kölbl: „Sehr viel! Ich möchte meine Philosophie in die Firmen bringen. Thema Leadership. Thema Frauen. Dazu möchte ich Veranstaltungen geben, die Führung auf einer ganz fundamentalen Ebene erlebbar und erfahrbar machen. Ich rede nicht vom pferdegestützten Coaching!“

Text und Interview: Peter Pionke

 

Link zur Webseite von Michaela Kölbl 

http://www.michaelakoelbl.com

 

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