29. April 2022

IHK-Präsident Pasch: „Wir haben einen Menschenmangel“

IHK-Präsident Heiner Pasch nannte es eine "gute Übung", im Vorfeld wichtiger Wahlen einen "Parlamentarischen Abend" bei der Industrie- und Handelskammer Bergisch Land zu zelebrieren. So war es auch diesmal, genau 19 Tage vor den NRW-Landtagswahlen (15.05.2022). 

Bei der IHK: „Parlamentarischer Abend“ vor der NRW-Wahl – © Siegfried Jähne

„Wir haben inzwischen nicht nur einen Fachkräftemangel, wir haben aktuell Menschenmangel zu beklagen“, beschrieb Pasch in seinen Begrüßungsworten im Plenarsaal der IHK-Hauptgeschäftstelle seine Einschätzung. Sechs Kandidatinnen und Kandidaten stellten sich den Fragen der Bergischen Unternehmer.

Thorsten Kabitz, Chefedakteur von Radio RSG, übernahm die Moderation und setzte 100 Minuten lang die thematischen Schwerpunkte, nachdem er auf ettliche politische Widersprüche hingewiesen hatte. Zur Partei „Die Linke“ gewandt: „Corona gibt es also doch“ und mit Blick auf die Grünen meinte er süffisant: „Frieden schaffen jetzt mit Waffen?“. 

Wirtschaftspolitik, Verkehrs- und Energiepolitik, Sicherheits-, Arbeitsmarkt- und Gesundheitspolitik sowie Bildungs- und Steuerpolitik standen auf der Agenda. 

Naturgemäß nahm bei der IHK die Wirtschaftspolitik einen breiten Raum ein. Präsident Heiner Pasch forderte im Anbetracht maroder Strukturen auf Straßen und in den Schulen und somit der leichtfertigen Vernichtung unseres gemeinsamen Eigentums einen „Instandhaltungsminister“. Ein solches Verhalten, seine Werte nicht zu pflegen, würde kein Unternehmen überleben. 

Für die Wuppertaler Wirtschaftsjunioren forderte Thuvaragan Nespalan die Kandidaten auf dem Podium auf, bei all ihren Entscheidungen die Interessen der jungen Generation nicht aus den Augen zu verlieren. 

Talsperren für Energiegewinnung nutzen

Hans-Jörg Herhausen (CDU) auf die Frage, wie man seiner Meinung nach den Firmen in der derzeitigen Situation helfen könne, meinte, da sei schon mit dem Bürokratieabbau eine Menge gewonnen. Außerdem seien weitere Gewerbeflächen zur Verhinderung von Abwanderungen wichtig. Für gebeutelte Arbeitnehmer und Arbeitgeber sei mit einem Strauss von Massnahmen eine Menge möglich, z.B. eine temporäre Energiesteuer-Senkung oder Erhöhung der Pendlerpauschale. In der Energieversorgung sprach er sich für einen Mix aus.

Emel Köse (Die Linke) und Eva Miriam Fuchs (Die Grünen) – © Siegfried Jähne

Josef Neumann (SPD) wünscht sich eine Lösung für kommunale Altschulden, eine bezahlbare Energieversorgung und forderte Alternativen, insbesondere in unserer Region mit den vielen Talsperren die Nutzung der Wasserkraft. Alte Gewerbeflächen sollten aufgearbeitet werden. 

Alle Teilnehmer setzten sich für die erneuerbaren Energien ein. Neumann kritisierte ebenso wie die Vertreterin der Grünen, die in NRW bestehenden 1.000-Meter-Abstandsregelungen für Windräder. Eva Miriam Fuchs (Grüne) setzt da auf Kreislaufwirtschaft sowie auf ein starkes NRW-Wasserstoff-Netz und auf Wärmepumpen, um ein klimaneutrales Nordrhein-Westfalen zu erreichen. 

Keine Denkverbote in der Energiepolitik

Für Marcel Hafke (FDP) war es wichtig, zu sagen, dass es keine Denkverbote geben dürfe, was für Kohle ebenso wie für erneuerbare Energien gelte. NRW habe unter Minister Pinkwart bereits erhebliche Vorleistungen in Sachen Wasserstoff eingebracht. Schlußendlich gelte es auch, die Verschuldung zu bremsen. 

Dr. Hartmut Beucker (AfD) wies darauf hin, dass die Speicherproblematik für erneuerbare Energien noch weitgehend ungelöst sei und dass Energieproblem vor allem nicht durch Krieg zu lösen sei. Zum Thema „Altschulden“ war ihm wichtig, darauf zu achten, dass die Kommunen mit unserem Geld auch sorgsamer umgingen. 

Emel Köse (Linke) konstatierte, dass die Politik in den letzten Jahren geschlafen habe. Hinsichtlich der Hilfen für Unternehmer gebe es indessen keine Differenzen. Marcel Hafke (FDP) verwies auf die Folgen eines möglichen Energie-Embargos und mahnte zur Vorsicht. Nicht nur bei Bayer Wuppertal hätte das unabsehbare Folgen. Hier würde die Medikamenten-Produktion mit Folgen für die Arbeitsplätze sofort beendet.

Zuwanderung nutzen

Zur Arbeitsmarktpolitik und dem Mangel an Arbeitskräften brachte Josef Naumann (SPD) zum Ausdruck, wie wichtig es sei, die Chancen durch die Zuwanderung zu nutzen. 90 v.H. der ukrainischen Frauen kämen aus dem Berufsleben, doch wir würden uns immer noch mit der Anerkennung von Berufsabschlüssen schwertun.

Hans-Jörg Herhausen (CDU) verteidigte den Trend der Arbeitgeber, das Homeoffice wieder einzuschränken. Der unmittelbare Kontakt mit den Mitarbeitern sei als wichtiger sozialer Austausch zu sehen. Auf die damit verbundenen , ungelösten verkehrspolitischen Fragen, dem drohenden Verkehrsinfarkt, ging er in dem Zusammenhang nicht ein. Herhausen betonte aber für die Wirtschaft die Notwendigkeit offener Verkehrswege und plädierte auch für den geplanten Ausbau der Autobahn A3 zwischen Hilden und Leverkusen. 

Marcel Hafke (FDP) – © Siegfried Jähne

Die Bildung war für alle, wenn auch mit unterschiedlichen Ansätzen, ein wichtiges Anliegen. Marcel Hafke vertrat die Ansicht, Fachkräftemangel könne man nur mit Bildung beseitigen. Talent und nicht Herkunft müsse die Devise sein. Er verwies auf die jeweilige Kompetenz von Bund, Land und Kommunen. 

Eva Miriam Fuchs (Grüne) beklagte, dass viele Schulen nicht einmal einen Internet-Anschluss hätten und forderte Lehrmittel-Freiheit sowie bessere Bezahlung der Lehrerinnen und Lehrer. 

Für Emel Köse (Linke) wäre schon viel gewonnen, würde man mehr Lehrpersonal einstellen. Ohne näher auf das Wie und Warum einzugehen, plädierte Emel Köse in der Schulpolitik für die Abschaffung von Noten und Zeugnissen.

Gesundheitspolitik ein Pflegefall

Josef Neumann ging mit der Gesundheitspolitik hart ins Gericht. Hier habe man Vertrauen in der so wichtigen Daseinsversorgung verspielt. Dies gelte auch für die Situation in der Pflege, der Beifall allein nicht genüge. Ohne einen Neustart habe man keine Chance. Der Ökonom dürfe nicht der zentrale Punkt im Gesundheitsbereich bleiben. Für die Linke gefährdet das Fehlen von bezahlbarem Wohnraum unsere Demokratie. 

Die spannende Frage, mit wem die Parteien im Falle einer Regierungsbildung gern koalieren würden, blieb offen. Marcel Hafke (FDP) meinte, es sei eine Richtungswahl und gab die Standard-Antwort, dass man mit dem zusammen arbeiten wolle, mit dem es die größte Übereinstimmung gäbe. 

Dagegen war die Aussage von Emel Kösel offen, ehrlich und realitätsnah: „Wir werden als Linke nach allem, was wir wissen, den Sprung in den Landtag gar nicht schaffen.“

Text Siegfried Jähne

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