17. April 2022

TV-Produzent André Goltzsche hat den Dreh raus

Seine ersten Berührungen mit dem Medium Fernsehen hatte er als Volontär der TV-Produktionsfirma CNC in Essen, die Fernsehbeiträge für sämtliche überregionale News- und Magazinsendungen von RTL erstellte. Heute arbeitet der Jorunalist André Goltzsche immer noch für den Kölner Privatsender und fast alle anderen deutschen TV-Anstalten - allerdings auf eigene Rechung.

André Goltzsche in Aktion – © Arriba Media

Bevor André Goltzsche in Berlin die erfolgreiche TV-Produktionsfirma „Arriba-Media“gründete, machte er zunächst de Fernsehen-Erfahrung fürs Leben. Er war redaktionell für die ARD-Sendung „Gottschalk live“ mit Kult-Moderator Tommy Gottschalk verantwortlich. Das Format hatte aber nicht den erhofften Erfolg und verschwand schnell wieder vom Schirm.

Der selbstbewusste Fernseh-Macher hakte das unter der Rubrik „wertvoller Lernprozeß“ ab und fand mit Arriba-Media schnell den richtigen Dreh.

André Goiltzsche und sein kreatives Team aus Redakteuren, Kameraleuten, Ton- und Licht-Technikern sowie Cuttern, produzieren vielbeachtete investigative, journalistische Formate wie „Ohne Filter – so sieht mein Leben aus“ (RTL) oder „SOS – Carsten Stahl“ (RTL2). 

Wir haben uns mit dem gefragten Fernseh-Macher unterhalten.

DS: Sie haben als Fernseh-Reporter für alle RTL-News-Sendungen und Magazine gearbeitet. Was hat Sie dazu bewogen, sich als TV-Produzent selbständig zu machen und die Firma Arriba zu gründen?

André Gotzsche: „Mir hat es großen Spaß gemacht, für die Sendungen von RTL zu arbeiten. Zudem habe ich eine ganze Menge gelernt, was den klassischen Journalismus angeht. Irgendwann kommt man jedoch an einen Punkt, wo man sich einmal verändern möchte. 2011 bekam ich damals das Angebot, als redaktionell Verantwortlicher die Sendung „Gottschalk live“ für die ARD mit der Firma ‚Grundy light‘ zu produzieren. In meinen Augen war das damals die Möglichkeit, mal etwas Neues auszuprobieren. Die Sendung war ja bekanntlich nicht von Erfolg gekrönt, so dass die Redaktion rund um Thomas Gottschalk wieder aufgelöst wurde. Ich musste also entscheiden, was ich danach beruflich mache. Da ich schon immer den Traum hatte, meine Ideen umzusetzen, habe ich die Entscheidung getroffen, mich mit Arriba Media selbstständig zu machen. RTL hat mir dabei unglaublich geholfen, wofür ich bis heute dankbar bin.“

DS: Das TV-Geschäft und die Sehgewohnheiten unterliegen einem ständigen Wandel, wie schaffen Sie es mit Ihrem Team Team, immer auf Ballhöhe zu sein?

André Goltzsche: „Die große Frage, die sich ja alle immer stellen ist, wo liegt der Ball gerade? In der Tat hat sich in den letzten Jahren das TV-Geschäft unglaublich entwickelt. Aber dank meines Teams, die in den digitalen und auch linearen Medien unterwegs sind, funktioniert das ganz gut.“

André Goltzsche – © Arriba-Media

DS: Wenn Sie sich die letzten 20 Jahre vor Augen führen, in welchen Bereichen war der Wandel am Größten?

André Goltzsche: „Ich glaube, was wir alle gemerkt habe ist, dass die digitalen Medien in den letzten drei Jahren eine Geschwindigkeit aufgenommen haben, die schon sensationell ist. Das hat zur Folge, dass einige dabei eben auch nicht mitgekommen sind. Ich bin ehrlich, bei uns gibt es in dem Bereich des digitalen Geschäfts noch Luft nach oben. Die klassischen TV-Sender hatten in Deutschland da auch so ihre Schwierigkeiten. Man spürt gerade jetzt, wie dort nachgelegt wird.“

DS: Inwieweit hat Covid-19 Ihre Arbeit beeinflusst?

André Goltzsche: „Die Pandemie war gerade in der Anfangsphase für uns schrecklich. Es gab gefühlt eine unheimliche Ohnmacht bei den Sendern und auch Produzenten. Keiner wusste, wie es weitergeht. Man hörte nur einen Begriff: „Eskapismus“ (Realitätsflucht). Man wünschte sich plötzlich nur noch buntes TV. Unser Kerngeschäft ist jedoch investigativer und konstruktiver Journalismus. Für den war gefühlt kein Platz mehr. Das hat uns schon ein wenig beunruhigt. Mein Gefühl sagt mir, dass sich dies gerade etwas legt.“

DS: Der grausame Ukraine-Krieg, liefert jetzt tagtäglich bewegende Schicksale frei Haus. Viele dramatische, Herz zerreissende emotionale Geschichten, ist da überhaupt noch Platz für Einzelschicksale in Deutschland, die dagegen fast schon banal wirken?

André Goltzsche: „Ich bin ganz ehrlich, wir haben uns thematisch nicht damit beschäftigt. Wir haben da aus der Pandemie gelernt. Die Menschen draußen interessiert hauptsächlich, was gerade aktuell im Krieg passiert, nicht die ganzen Randgeschichten. Und da sind wir einfach nicht stark genug. Das können die Sender selber besser. Was die Geschichten in Deutschland angehen, so mögen die Deutschen sehr wohl sehen, was vor ihrer Haustüre passiert. Nur reicht heute nicht mehr die reine Draufsicht. Wichtig ist, wie man die Geschichten erzählt und wie nah man an die Menschen herankommt. Und dazu ist wichtig, dass wir Geschichten erzählen, die in den Lebenswelten der Zuschauer geschehen.“ 

André Goltzsche bei der Produktion eines TV-Beitrages – © Arriba-Media

DS: Sie produzieren Ihr im Prinzip für die öffentlich-rechtlichen, aber auch für fast alle privaten TV-Sender. Jeder Sender hat doch seine eigene Sprache, seine eigene Handschrift, wie bekommen Sie diesen Spagat hin?

André Goltzsche: „Ich finde nicht, dass wir hier von einem Spagat reden. Wer gut Geschichten erzählen kann, der kann dies für jede Sendung – egal ob für öffentlich-rechtliche oder private Sender.“

DS: Bei vielen TV-Sendern sitzt das Geld auch nicht mehr so locker wie früher, sondern da sitzt der Rotstift in der ersten Reihe. Wie tragt Ihr dem Rechnung, denn die Einsparungen dürfen ja nicht zu Lasten den Qualität gehen?

André Goltzsche: „Ich habe bereits in meinem Volontariat bei der Produktionsfirma CNC im Auftrag von RTL gelernt, kostenorientiert zu produzieren. Das hilft mir natürlich jetzt ungemein. Nein, im ernst! Natürlich spüren wir auch den Kostendruck, aber bislang haben wir es noch immer geschafft, trotz Einspaarmaßnahmen ein gutes Programm zu erstellen.“

DS: Wie finden Sie die Themen für Eure Reality-Produktionen?

André Goltzsche (lacht): „Das verrate ich nicht, da wir mit unserer Idee, wie wir das machen, sehr erfolgreich sind.“

DS: Einmal im Rampenlicht zu stehen, ist für viele Zeitgenossen ein großer Reiz. Dafür tun sie alles: Wie prüfen Sie, ob die Storys, die Ihnen aufgetischt werden, auch wirklich stimmen?

André Goltzsche: „Wir versuchen, wie es auch alle anderen seriösen Journalisten tun, uns auf mindestens drei Quellen zu stützen. Damit sind wir stets gut gefahren. Ich hatte in meiner knapp 25jährigen Zeit im Fernsehen erst einen Fall, bei dem es Zweifel an der Richtigkeit gab. Und das ist glücklicherweise über 20 Jahre her.“

DS: Inwieweit machen Sie sich heute schon Gedanken, was die Fernseh-Trends von morgen sein könnten?

André Goltzsche: „Wir haben nicht die Größe, dass wir in Trends investieren können. Daher sind wir in dem Bereich auch eher zurückhaltend unterwegs.“

DS: Erst waren es die Magazine Stern und Spiegel und jetzt setzen auch die Springer-Zeitungen BILD und WELT immer mehr auf Bewegtbilder und entwickeln sich langsam aber sicher zu TV-Sendern. Sind das potentielle neue Kunden für Sie? 

André Goltzsche: „Bisher haben wir für die angesprochenen Sendungen/Formate noch nicht produziert. Kann aber gerne noch kommen.“

DS: Welches war bisher Ihr erfolgreichstes Format?

André Goltzsche: „Wir haben eine sehr erfolgreiche wöchentliche Sendung „Ohne Filter – So sieht mein Leben aus“ bei RTL, auf die wir unglaublich stolz sind. Mit dem Format „Stahl Hart: Gegen Mobbing“ bei RTLII haben wir nicht nur ein sehr erfolgreiches, sondern auch ein Herzensprojekt umgesetzt. Leider ist die Sendung nicht fortgesetzt worden, da sie vom Thema etwas zu schwer in der aktuellen Zeit ist.“

DS: Wie kann man sich das vorstellen: Sie haben eine Idee und bieten diese dann  einem Sender an?

André Goltzsche: „Genau! Wir schreiben dann das Format auf, wie wir uns das in der Umsetzung vorstellen und besprechen das dann mit einem entsprechendem Sender. In der Hoffnung, dass der es ebenso sieht.“

André Goltzsche im Gespräch mit einem Protagonisten. Die Kamera ist dabei – © Arriba-Media

DS: Im Unterhaltungsbereich kommt es ja nicht selten vor, dass es eine Show-Idee gibt, ein aufwendiger Pilot produziert wird und die Show am Ende doch keinen Abnehmer findet, was dann ein teurer Spaß ist. Wäre so etwas für eine TV-Produktion wie Ihre überhaupt noch wirtschaftlich?

André Goltzsche: „Glücklicherweise werden die Pilotsendungen ja auch bezahlt, wenn gleich man damit zwar keinen Gewinn macht, aber eben auch keinen Verlust. Um es besser verkaufen zu können, produzieren in der Tat einige große Firmen eigenfinanziert Sendungen, was wir aber eben nicht können.“

DS: Welche neue TV-Produktion haben Sie gerade in der Pipeline?

André Goltzsche: „Wir haben aktuell gerade Gespräch mit dem öffentlich-rechtlichen Programm über eine neue Reihe. Einige andere Produktionen sind in der Entwicklung. Genaueres kann ich dazu allerdings noch nicht sagen.“

DS: Wie sehen Sie die Zukunft für Ihre Branche? Werden die Sender auch in Zukunft verstärkt auf Fremd-Produktionen setzen oder haben Sie die Sorge, dass es mittel-oder langfristig eine Trendwende hin zu vermehrten Eigenproduktionen geben könnte?

André Goltzsche: „Eine sehr gute Frage. Ich hoffe, dass sie weiterhin auf etablierte Produktionsfirmen setzen. Aber ich spüre eben auch, wie die Sender gerade aufrüsten. Es bleibt spannend.“

DS: Vielen Dank für das offene, sehr informative Gespräch

Das Interview führte Peter Pionke

 

Link zur Webseite von Arriba-Media

http://www.arriba-media.de

 

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