1. Januar 2022

Promi-Wirt „Purzel“: Sein Kult-Restaurant ist Geschichte

Das Jahr 2022 fängt traurig an für die Fans des Essener Szene-Restaurants "Purzelbaum"! "Wir gehen zum Purzel", hiess es Jahrzehnte lang. Doch ab Neujahr müssen die Gäste ohne ihren Kult-Gastronomen "Purzel" und seinen "Purzelbaum" leben. Die Immobilie mit Blick auf den Essener Baldeneysee ist verkauft und der legendäre "Purzelbaum" dann Geschichte!

Promi-Wirt Detlef Purzel Przybyla – © Restaurant Purzelbaum

Damit geht eine schillernde Gastronomie-Ära zuende. Der beliebte Promi-Wirt (73) heisst bürgerlich eigentlich Detlef Przybyla, doch das wissen nur die Wenigsten. Aber als „Purzel“ ist er bundesweit viel bekannter als so mancher Ampel-Minister.

„Purzelbaum“ hatte der Detlef Przybyla sein Lokal vor vielen Jahren getauft – inspiriert durch „Purzel“, seinem damaligen Hund. Der Verkleidungs-Künstler, der seine Gäste einmal als Prirat, als Robin Hood und dann wieder als britischer Edelmann aus dem 17. Jahrhundert empfing, wechselte mehrmals seinen Standort, aber der Name „Purzelbaum“ – inzwischen längst eine Marke – zog immer mit um. 

Die letzten Jahre thronte der „Purzelbaum“ auf einem Berg in Werden – mit einem idyllischen Biergarten und einem traumhaften Blick auf den Baldeneysee. Direkt neben der „Villa Vue“, dem Restaurant der Comedy-Queen Mirja Boes.

Bei Purzel und seiner charmanten Lebensgefährtin Claudia gaben sich deutsche und internationale Prominente die Klinke in die Hand. Hollywood-Größen wie Sylvester Stallone („Rocky“ – „Rambo“) oder Arnold Schwarzenegger („Terminator“) waren da, Rötger Feldmann alias „Brösel“ zeichnete in seinem Lokal Bilder für seine berühmten Werner-Beinhart-Comics, die auch als Zeichentrickfilme echte Renner waren.

Von Steffi Graf bis zu den Klitschko-Brüdern

Box-Weltmeister wie Vitali und Wladimir Klitschko, Dariusz Michalczewski, Henry Maske oder Graciano „Rocky“ Rocchigiani ließen sich sich von Koch-Künstler Purzel den Gaumen verwöhnen.

Tennis-Cracks wie Martina Navratilova, Steffi Graf oder Boris Becker mit seinem schnauzbärtigen Manager Ion Tiriac schlugen nach Matches in der Grugahalle oder im Düsseldorfer Rochus Club bei ihm im Kult-Restaurant auf.

Ob Klaus Meine und Rudolf Schenker von den „Scorpions“, Rock-Legende Udo Lindenberg, Comedian Otto Waalkes und viele Promis mehr ließen sich von Purzel und Claudia die Spezialitäten des Hauses – herzhafte Gulaschsuppe, auf den Punkt gebratenes Rumpsteak mit nach Geheimrezept gezauberten Bratkartoffeln und Omas Gurkensalat, knusprige Ente, Wiener Schnitzel, für die jeder Teller zu klein ist und als Dessert „Ananas Carpaccio“ etc. – auftischen. 

Die Film-Stars Heiner Lauterbach („Die Sturmflut“ – „Dresden“) und Ralf Moeller („Gladiator“), wenn er einmal wieder auf Stippvisite in Deutschland war, schauten regelmässig beim Purzel vorbei, ebenso wie RTL-Krisenreporter Uli Klose.

Der ehemalige SPD-Vorsitzende Rudolf Scharping ging dem „bruzzelnden“ Entertainer – sein Motto: „Meine Gäste sollen bei mir nicht nur gut essen, sondern auch ihren Spaß haben“ – sogar schon als Küchenhilfe zur Hand.

Purzel (l.) mit Stammgast Heiner Lauterbach – © Paul Coon

Zu seinen Stammgästen zählten u.a. Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen, Unternehmer, renommierte Industriemanager, namhafte Mediziner, Anwälte, Richter und ab und an genossen auch Kiez-Größen aus Hamburg brav wie Schosshündchen Purzels Grüße aus der Küche und den tollen Blick über das Ruhrtal. 

Die Liste seiner Gäste war so bunt und schrill wie er selbst, aber er brachte sie alle unter einen Hut. Selbst „ganz normale“ Gäste fielen im „Purzelbaum“ nicht aus dem Rahmen. Menschen mit Humor waren hier an der richtigen Adresse.

Über fünf Jahrzehnte als Wirt haben bei Detlef Przybyla ihre Spuren hinterlassen. Er musste mehrere Herzinfarkte wegstecken. Zudem leidet er unter einer schweren Augenerkrankung. Doch davon liess er sich der gebürtige Bottroper nicht unterkriegen. 

Höhen und Tiefen durchlebt

Auch nicht von den vielen Höhen und Tiefen, die er als Gastronom im Laufe der Zeit durchleben musste. Nach einem Ausflug in die Welt der Box-Promoter ging er finanziell K.O. Ein WM-Kampf mit Ralf Rocchigiani, Bruder des 2018 in Italien tödlich verunglückten Graciano „Rocky“ Rocchigiani, rechnete sich nicht so, wie er sich das als Laie in dem harten Geschäft vorgestellt hatte.

Zurück blieb ein Schuldenberg. Der wirtschaftliche Knock out bedeutete auch das zwischenzeitliche Aus für sein Restaurant „Purzelbaum“.

Aber Box-Fan Purzel rappelte sich mit einem blauen Auge dank der Hilfe von treuen Freunden wieder hoch. Dabei kam dem „Stehaufmännchen“ auch sein legendärer Humor zugute. Seine Sprüche waren genauso Volltreffer, wie die Speisen aus seiner Küche.

„Purzel“mit Speise-Empfehlungen im Biergarten seines Restaurants – © Paul Coon

Eine kleine Kostprobe: Nach einem Sturm war der Waldweg zu seinem Lokal durch umgestürzte Bäume blockiert. Original-Ton Purzel: „Da habe ich bei der Volks- und Raiffeisenbank angerufen. Die werben doch immer damit: ‚Wir machen den Weg frei!‘ Von wegen – bei mir haben sie das leider nicht gemacht.“

Und Purzel ließ auch schon einmal Flyer drucken, auf denen er wie folgt für seinen „Purzelbaum“ warb: „Wir sind bekannt für unsere überhöhten, aber stabilen Preise.“ Große Klappe, großes Herz – so liebten ihn seine Gäste…

Lockere Sprüche – leckere Gerichte

Seinen ganz speziellen Humor bekamen auch die beiden Konkurrenten in der TV-Serie „Mein Lokal – Dein Lokal“ (Kabel 1) zu spüren. Purzel, längst ein erfahrener Fernseh-Profi, mischte die Show, in der es darum ging, wer der beste Gastronom war, so richtig auf. Die beiden Konkurrenten, die die Sache bierernst nahmen, konnten über Purzels Späße gar nicht lachen.

Genauso wenig wie die Chefs der britischen Auto-Nobel-Marke „Rolls Royce“, die damals noch nicht zum BMW-Konzern gehörte.

Purzel ließ kurzerhand seinen Rolls Royce mit Flex und und Trennschneider in einen Pick up verwandeln, um damit morgens mit Bobtail „Purzel“ auf dem Beifahrersitz Richtung Großmarkt zum Einkaufen zu fahren.

Purzel freut sich noch heute diebisch über seine spektakuläre Aktion: „Die Herrschaften waren total pikiert, dass ich so respektlos mit einer Nobelkarrosse aus ihrem Hause umgegangen bin. Ein Frevel! Ich glaube, die haben mich lebenslänglich aus ihrer Kundenkartei gestrichen.“

Claudia Cygon, charmante Lebensgefährtin von „Purzel“ und gute Seele des Szene-Restaurants – © Paul Coon

Doch jetzt ist der legendäre „Purzelbaum“ Geschichte. Damit geht ein großes Stück Kneipen-Kultur im Ruhrgebiet verloren, Der Besitzer Immobilie im Heissiwald hat den Gebäude-Komplex an einen Gastronomen verkauft, der dort ein italienisches Restaurant eröffnen will. 

Er glaubt offensichtlich, dass die Gäste wie zu Purzels Zeiten den abgelegenen, langen, schmalen Waldweg, der im Winter nicht vom Schnee geräumt wird, entlang fahren, um sich Spaghetti Carbonara oder Penne Arrabiata servieren zu lassen. Ob er sich da mal nicht täuscht…

Die „Purzelbaum“-Stammgäste haben jedenfalls noch die leise Hoffnung, dass ihr „Purzel“ doch noch nicht endgültig in Rente geht. Dass er ein „Stehaufmännchen“ ist, hat der sympathische Pirat mit dem grauen Pferdeschwanz mehr als einmal bewiesen.

Text: Peter Pionke

 

Ein echtes Original: Promi-Wirt Purzel – © Paul Coon

 

Kommentare

Neuen Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert