1. Mai 2025Peter Pionke
Wolfgang Kremer: Ein Leben auf der Erfolgswelle

Und der Sport in verschiedensten Disziplinen spielt auch heute noch eine Hauptrolle in seinem Leben. Wenn man so will, war und ist Wolfgang Kremer eine echte Sportskanone.
Doch der Reihe nach: Wolfgang wurde am 19. Oktober 1945 in Burg bei Magdeburg geboren. Ostern 1950 gelang Mutter Kremer mit ihren beiden Kindern die Flucht aus der DDR, die im Jahr zuvor gegründet worden war. Sie landete mit Bärbel und Wolfgang in einem Flüchtlingsheim in Dorsten.
Nach Flucht aus DDR in Essen gelandet
Dort lernte Wolfgang Kremer auch Schwimmen – und zwar in einem Nebenbecken des Wesel-Dattel Kanals. „Da habe ich mir das Schwimmen selbst beigebracht. Ich tauchte solange, bis ich mich über der Wasseroberfläche halten konnte“, erinnert sich Wolfgang Kremer, der damals noch nicht im Traum daran gedacht hat, einmal als Leistungsschwimmer Karriere zu machen.

Wolfgangs Familie fand schließlich eine Zechenwohnung im Essener Stadtteil Altenessen. Dort besuchte er acht Jahre lang die Volksschule. Er hatte den Jugendtraum, Fußballer zu werden. Seine Mutter meldete ihren Sohnemann beim Fußball-Klub Altenessen 12 an, dem Verein, bei dem auch Fußball-Weltmeister Helmut Rahn das Kicken erlernte.
Mit einem solchen Ausnahme-Talent war Klein Wolfgang allerdings nicht gesegnet: „Ich wurde in der Knabenmannshaft so gut wie nie aufgestellt, das hat mich total frustriert“, gibt Wolfgang Kremer, Mitglied und Dauerkarteninhaber des Traditionsvereins FC Schalke 04, heute zu. Und dennoch hat sich sein Kurz-Trip in die Welt des Jugendfußballs unterm Strich für ihn ausgezahlt.
Auf Umwegen ins Schwimmbecken
Denn Wolfgang Kremer tauchte schließlich auf Umwegen im Sportschwimmer-Becken auf. Ein Schul- und Fußball-Mannschaftskamerad hatte ihm nämlich erzählt, dass er neben dem Fußball auch noch Schwimmen als weitere Sportart betreiben würde und meinte, wenn er Lust habe, könne er einmal mit zu seinem Training kommen.

Und so landete Wolfgang Kremer beim Schwimmverein Altenessen 26. Dort wurde schnell sein großes Talent erkannt. Schon nach kurzer Zeit erhielt er bereits Einladungen zu Sichtungslehrgängen des Westdeutschen Schwimmverbandes. Doch dann bremste ausgerechnet seine überaus strenge Mutter die erfolgversprechende Schwimmkarriere ihres Sohnes aus. Als er einmal eines Abends zu spät nach Hause kam, brummte sie ihm für ein Jahr ein absolutes Schwimmverbot auf.
Ausgebremst von der strengen Mutter
Die unversöhnliche Mama ließ Wolfgang in den Ferien zumindest zu einem Verwandten nach Holland fahren, der von Beruf Binnenschiffer war. Es war für ihn so eine Art Flucht. Ihm machte die Herumschipperei auf den Flüssen und Kanälen großen Spaß, so dass er schließlich auf MS Adele Mewes in Bremen als Lehrling in der Binnenschifffahrt anheuerte.

Doch da kam er vom Regen in die Traufe: Wolfgang Kremer: „Der Schiffführer war noch schlimmer als meine Mutter, da habe ich nach acht Wochen meine Sachen gepackt und bin von Bord gegangen.“
Wieder zuhause in Essen, legte sein Vater ein gutes Wort für ihn ein. Wolfgang Kremer durfte wieder Schwimmen als Leistungssport betreiben und wechselte 1960 von Altenessen 26 zum Essener Renommier-Schwimmverein Essen 06. Bereits ein Jahr später wurde er Westdeutscher Jugendmeister (NRW) über 1.500 Meter Freistil.
Lehre als Dreher bei Krupp
Bei Krupp in Essen machte er eine Lehre als Dreher. Nach der bestanden Prüfung setzte er sich noch einmal auf die Schulbank – bis zur Fachholschulreife. Anschließend begann er ein Studium an der Deutschen Sporthochschule (DSHS) Köln.

Morgens Studium in der Domstadt, nachmittags Schwimm-Training in Essen. Möglich machte das alles ein Stipendium von der gerade von Josef Neckermann gegründeten Deutschen Sporthilfe in Höhe von monatlich 420 DM, das ihm der Krupp-Vorstandvorsitzende Berthold Beitz vermittelt hatte.
Sportlich schwamm Wolfgang Kremer buchstäblich auf einer Erfolgswelle. Er gewann – trainiert von Werner Ufer – allein neun deutsche Meisterschaften im Freistilschwimmen über 100 und 200 Meter.1965 schwamm er in London mit der 4-x-220-Yards-Freistilstaffel mit Hans-Joachim Klein, Olaf von Schilling und Holger Kirschke einen Weltrekord. 1967 stellte er mit 52,3 Sekunden einen Deutschen Rekord über 100 Meter Freistil auf der 25-m-Bahn auf.
Schlussschwimmer der gesamtdeutschen Staffeln
1964 in einer Gesamtdeutschen Mannschaft (DDR und BRD) – und 1968 mit der Bundesrepublik, stand er bei Olympia auf dem Startblock. In Tokio belegte Wolfgang Kremer über 400 m Freistil den 23. Platz. Vier Jahre später in Mexiko-City erreichte er über 100 m Freistil den 9. Rang. Und über 200 m Freistil wurde er 13. Alle drei Staffeln der Bundesrepublik (4 x 100 m Freistil – 4 x 200 m Freistil – 4 x 100 m Lagen) landeten mit Kremer als Schlussschwimmer auf dem 6. Platz.

Der Hochleistungssportler aus heutiger Sicht: „Da wäre sicher mehr drin gewesen. Aber seit 1960 spielte anaboles Doping in unserem Sport eine große Rolle. Das wusste jeder, aber Anabolika und weitere Dopingmittel wurden leider erst nach den Olympischen Spielen 1976 (Montreal) vom IOC geächtet und Verstöße bestraft.“ Fairness und Chancengleichheit blieben auf der Strecke.
Und dennoch kam Doping für ihn selbst nie in Frage. Wolfgang Kremer: „Ich habe mich von Prof. Stegemann, Sportphysiologe an der Deutschen Sporthochschule Köln, der meine Diplomarbeit betreute, über den Riesenkatalog an Nebenwirkungen aufklären lassen. Da wurde mir schlagartig klar: Nichts für mich – meine Gesundheit ist mir lieber.“ Dass man auch ohne Doping erfolgreich sein kann, hat er eindrucksvoll bewiesen.
Salmonellenvergiftung mit Folgen
Seine größte Enttäuschung als Leistungssportler erlebte er 1970 bei den Europameisterschaften in Barcelona. Wegen einer Salmonellenvergiftung konnte er als fest gesetztes Staffel-Mitglied nicht an den Start gehen. Ohne ihn holten seine Mannschaftskameraden mit einem Ersatzschwimmer über 4 x 100 m Staffel Silber und mit 4 x 200 m Staffel Gold. Wolfgang Kremer: „So sehr ich meinem Ersatzmann die Medaillen gönne. Bei den Rennen wäre ich als amtierender Deutscher Meister natürlich selbst gerne dabei gewesen, als Höhepunkt meiner Karriere.“

Ein Jahr später beendete Wolfgang Kremer seine erfolgreiche sportliche Laufbahn, um nahtlos eine neue zu starten, als Diplom-Sportlehrer am Essener Stadtwaldgymnasium. Bereits nach eineinhalb Jahren wurde er Oberturnlehrer / Sportreferent der Stadt Essen, als Nachfolger von Fritz Herkenrath, dem legendären Torwart von Rot-Weiß Essen und der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft.
Nachfolger von Torwart-Legende Fritz Herkenrath
Seine Aufgabe: Förderung des Schul-, Leistungs- und Breitensports. Als begeisterter Skifahrer und Skilehrer organisierte er Schüler-Ski-Freizeiten und bildete Lehrer für den Schul-Skilehrerschein aus. Er initiierte die Entwicklung des Helmholtz-Gymnasium Essen zur Eliteschule des Sports und das dazugehörige „Sport & Tanz-Internat, das Schülerinnen und Schülern ermöglicht, Hochleistungssport und schulische Ausbildung bis zum Abitur optimal miteinander zu verbinden.
Als Schwimmtrainer betreute Wolfgang etliche Angehörige der Jugendnationalmannschaft, einige Deutsche Meisterinnen und Meister, einen Vize-Europameister über 400 m Freistil und war 3 Jahre Co-Trainer der Damen-Nationalmannschaft.

Seine berufliche Laufbahn musste Wolfgang Kremer schon mit 58 Jahren nach einem Tauch-Unfall beenden. Dem Sport blieb er aber bis heute erhalten. „Während meines Sportstudiums konnte ich viele Sportarten kennenlernen und mir erschließen und ich habe mir dann die Sportarten für später ausgesucht, die ich spannend fand.“
Und das war eine ganze Latte: Rennrad- und Tourenradfahren, Drachenfliegen, Skifahren alpin, Ski-Langlauf, Wandern, Bergsteigen, Gleitschirmfliegen, Motorradfahren, Skaten, Windsurfen, Marathonlauf und Skimarathon.
Ausrichter des ersten Triathlons in Deutschland
Den ersten Triathlon in Deutschland richtete Wolfgang Kremer mit dem Leichtathleten Peter Berghaus1982 in Essen aus, gründete zwei Jahre später mit ihm und weiteren Enthusiasten den Triathlon Club Essen 1984 und nahm selbst bis Ende der 1990er an vielen Kurz- und Olympischen-Triathlons teil.
Und jetzt, mit fast 80 Jahren lässt er es ein wenig ruhiger angehen, fährt aber immer noch regelmäßig Rad, steigt im Winter auf die Carving-Skier und brettert auch noch bei schönem Wetter mit seinem Motorrad durch die Landschaft. Wolfgang Kremer, seit über 50 Jahren SPD-Mitglied, ist mit sich und seinem Leben im Reinen.

Ein Mann, der mit sich im Reinen ist
Sein ganz persönliches Fazit: „Ich stamme aus einfachen Verhältnissen und musste mir im Grunde alles selbst hart erarbeiten. Mein Vater war Polizeischüler, flog im II. Weltkrieg als Pilot die legendäre JU 52 und musste nach der DDR-Flucht sowie einem Unfall, der ihn fluguntauglich machte, leider als Bergmann arbeiten.
Der Sport hat mir die Chance zu einer tollen Persönlichkeitsentwicklung gegeben. Als Binnenschiffer oder im Beruf als Dreher wäre das sicher nicht möglich gewesen.“ So oder so hat aber Wasser in seinem Leben immer eine ganz wesentliche Rolle gespielt.
Text Peter Pionke
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