17. Februar 2021

Jens Langner: Kinder werden auf Schule stolz sein

Jens Langner alias "Tante Jens" ist gerade aus den Slums von Accra (Ghana) zurückgekehrt, wo er die Ärmel hochkrempelte, um tatkräftig beim Ausbau seiner Schule zu helfen, die er 2015 gegründet hat und seither finanziell und mit Rat und Tat unterstützt. In Kürze beginnt das neue Schuljahr und die Schülerinnen und Schüler werden Bauklötze staunen, wie schön ihre Schule geworden ist. Zuhause auf Norderney, wo Jens Langner die Nostalgie-Disko "Kings Club" betreibt, ist seit vielen Wochen "tote Hose".

Jens Langner (weißes Hemd) mit Kids und Lehrpersonal – © Jens Langner

Der zweite Corona-Lockdown hat die Gastronomen auf Norderney, die normalerweise von den Touristen leben, schwer getroffen. Viele steht auf der Insel das Wasser bis zum Hals und darüber hinaus. Normalerweise herrscht im Laden von „Tante Jens“ so etwas wie Karnevalsstimmung, wenn er mit seiner Karaoke-Anlage alte Gassenhauer singt und nicht immer ganz jugendfreie Witze und Anekdoten erzählt.

Das ist die eine Seite von Jens Langner – der witzige Entertainer, der seine treue Fan-Gemeinde als „Tante Jens“ im Akkord zum Lachen bringt, ihnen unbeschwerte Stunden abseits vom Alltagsstress serviert. Normalerweise kann Jens Langner ganz gut davon leben.

Doch jetzt ist alles anders! Disko dicht, keine Gäste, keine Einnahmen und auch weniger Spenden für sein Herzens-Projekt in Ghana.

So sahen die Klassenräume der Schule in Accra vorher aus – © Jens Langner

Doch lesen Sie aus erster Hand, wie Jens Langner selbst die momentane Situation erlebt.

„Locki “ der Zweite“! Das Déjà-vu kennt keine Grenzen ! „Locki“, der Lockdown ist wieder da und wiegt uns, wie schon einmal wie in Trance in eine immer wiederkehrende endlose Ruhe! Ich bin der Versuchung nahe, zu sagen: „Locki – ich habe Dich lieb!“ Das ist natürlich blanker Zynismus!

Filmszenenartig bewege ich mich gedanklich gerade zwischen meinem beruflichem Alltagsstress in den letzten 30 Jahren und dem Jetzt, wo ich an unserem Teich sitze und die Enten füttere und dazu die metamorphorisch vor sich hin wabbernde unendliche Ruhe aufsauge.

Was ist das alles „surreal“ Haben Sie schon einmal erlebt, dass Langeweile so anstrengend sein kann? Man renoviert zum dritten Mal sein Haus oder sein Geschäft, repariert die Dinge, die einem schon 10 Jahre lang ziemlich unnütz vorkamen, jetzt aber im Mittelpunkt der schier unendlichen Freizeit stehen.

Wie beim ersten Lockdown treibt der einheimische Norderneyer wieder Sport oder stellt Nicht-Vollendetes aus dem ersten Lockdown endlich fertig. Man renoviert sein Haus, entdeckt Gesellschaftsspiele mit der Familie wieder neu oder plant für die  hoffentlich irgendwann wieder existierende Normalität.

In diesem renovierten Klassenraum werden Kinder in Zukunft unterrichtet – © Jens Langner

Alles in Allem ist es diesmal ruhiger. Die Leute haben Verständnis. Der Norderneyer ist vorbildlich und um einiges entspannter als beim ersten Lockdown. Man trägt pflichtbewußt seine Maske, die störrischen und trotzigen kleinen Treffen an der frischen Luft, die es noch beim ersten Mal gab, sind auch vorbei. Unsere Zweitwohnungsbesitzer auf der Insel benehmen sich auch  verantwortungsvoll. Man hat eben gelernt! Das sieht man auch an den Inzidenz-Werten. Sie sinken und sinken !

Eine Art Belohnungsgefühl ist entstanden und man hofft nun, dass man sich in absehbarer Zeit wieder seinem normalen Alltag widmen kann. Endlich!!!

„Locki“ hat für Entspannung und Entschleunigung gesorgt. Und jetzt, wo der Energie-Akko wieder total aufgeladen ist, möchte man sich auch wieder voll und ganz dem Gast widmen und laut hinausschreien: „Here We Are!!!“

Einige von uns Gastronomen werden es leider nicht schaffen. Schuld daran sind u.a. die späten Hilfsleistungen der Bundesregierung und das fehlende Entgegenkommen einiger Eigentümer von Miet- oder Pachtobjekten. Einige Gastronomen werden sich aber auch eingestehen müssen, doch etwas zu „großzügig“ gewirtschaftet zu haben in den vergangenen Jahren. Da wird ein Umdenken auf beiden Seiten stattfinden müssen!

In meinen Gedanken war ich immer bei unserer Schule Ghana, bei den Kindern, bei den Lehrkräften. Ich schmiedete Pläne. Warum warten. Es war genau die richtige Zeit, sich unserer Schule wieder zu widmen. Zeit für den letzten Feinschliff, bevor die Schulen wieder aufmachen dürfen.

So telefonierte ich mich zusammen mit meinen Lehrern und Vertrauenspersonen, um zu erfahren, was noch gemacht werden muss. Und los ging’s!

Die Klassenzimmer bekamen eine neue Elektrik und neues modernes Licht, neue Farbe, neue Tafeln und und und … Einen Teil des Schulhofes wurde überdacht.

Die restlichen neuen Schulbänke wurden aufgestellt, der Boden gefliest. Für mich ist es ein kleines Wunder zu sehen, wie sich innerhalb von fünf Jahren alles so entwickeln kann! Fantastisch!

Die Arbeit ist endlich getan! Ich bin mir sicher, die Kinder werden mit offenem Mund dastehen und ihre alte „Holzhütte“ nicht mehr wieder erkennen. Sie werden auf ihre Schule stolz sein.

Moderne sanitäre Anlagen entstanden in der Schule – © Jens Langner

Aber trotzdem liegen mir noch einige Dinge am Herzen. Wir haben einen Schulgarten und einen Spielplatz geplant. Und im Zuge der Modernisierung soll den  älteren Kindern auch der Weg in die Welt der Computer geebnet werden.

So aktiviere ich mein Umfeld und bitte meine Freunde und Bekannte, nicht mehr benötigte aber noch funktionierende PC’s, Laptops und Tablets für die gute Sache und den „Export“ nach Accra zu Verfügung zu stellen. Ich bin mal gespannt !

Und dann war ich verwundert und anschließend erschüttert! In einer, unserer Telefonkonferenzen vermisste ich eine unserer Lehrerinnen, Joselyne, 28 Jahre jung. Ich mußte erfahren, dass sie vor einiger Zeit an Corona gestorben war. Es gab keine Möglichkeit, sie künstlich zu beatmen und auch keine Chance, sie mit freien, preiswerten Medikamenten zu behandeln.

Man befindet sich in Ghana zwar in einer Art „Lockdown“ und auch muß auch Masken tragen, aber die Umsetzung der ganzen Maßnahmen wird nicht kontrolliert. Die Geschäfte in den Gegenden, in denen die Wohlhabenden wohnen, haben alle geschlossen, aber in den Armutsvierteln ist alles nach wie vor geöffnet.

Es muss leider so sein – die Menschen haben Hunger und auch die Händler müssen irgendwie existieren und deshalb ihre Waren weiter verkaufen. Trotzdem mussten schon viele der kleinen Geschäfte schließen.

Es gibt in Ghana keine Unterstützung vom Staat, keine Überbrückungshilfe, keine Dezemberhilfe, kein Arbeitslosengeld und auch kein Hartz 4. Die Menschen sind sich selbst überlassen.

Mir wird bewußt, wie privilegiert ich bin, in Deutschland zu leben .

„Lock “ hat diesmal einen langen Atem und eine Engelsgeduld! Aber ich bin zuversichtlich, dass auch er einmal Feierabend machen muss!

Wir Gastronomen auf Norderney werden jedenfalls rechtzeitig in den Startlöchern sitzen. Es gibt eine Menge zu tun!

Euer Tante Jens

 

Jens Langner ist zurück im Schnee auf Norderney – © privat

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