18. Dezember 2020

Matthias Dohmen: „In der Kiste liegen wir noch lange genug“

Mit seinen 73 Jahren ist er immer noch neugierig, wissbegiering, immer noch auf der Suche nach spannenden Themen und neuen Herausforderungen. Gerade hat der Journalist und Autor Dr. Matthias Dohmen sein neuestes Buch veröffentlicht: "Sport – Heimat – Politik - Das Willfried-Penner-Lesebuch". Im Mittelpunkt steht der bekannte SPD-Politiker und Wuppertaler Ehrenbürger Dr. Willfried Penner (84).

Dr. Matthias Dohmen, Journalist, Schriftsteller und Autor der STADTZEITUNG – © privat

Wenn Matthias Dohmen alle seine Pläne noch verwirklichen will, müsste er 250 Jahre alt werden – mindestens. Doch den Fuß vom Gas nehmen und auf die Bremse treten ist für den Vollblut-Journalisten keine Option.

Mit 66 Jahren, in einem Alter, in dem viele gerade noch die Rosen in ihrem Garten beschneiden und den Enkeln von ihren Heldentaten erzählen, hat Matthias Dohmen seine Doktorarbeit geschrieben. Thema: Die Weimarer Republik. Sein Lebens-Motto: „In der Kisten liegen wir noch lange genug.“

Die STADTZEITUNG hat sich mit dem nimmermüden, neugierigen Medienmann und Schriftsteller im Rahmen der Interview-Reihe „Hand aufs Herz“ unterhalten. 

DS: Einmal Priester, immer Priester – einmal Arzt, immer Arzt – einmal Journalist, immer Journalist – würden Sie das für sich auch unterschreiben?

Matthias Dohmen: „Ja. Es ist eben ein Beruf, dessen Herzstück die Kommunikation ist. Man lernt Dicke und Dünne kennen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Linke und Rechte, Phlegmatiker und Choleriker, Männlein und Weiblein. Und der Beruf hat auch etwas von einem Diplomaten. Dass man bei all dem auch einen Standpunkt haben kann, geschenkt. Als ich mit 66 meine Doktorarbeit in Zeitgeschichte geschrieben habe, wurde mir – ich sage jetzt nicht, von wem – der „Vorwurf“ gemacht, der Text sei „zu journalistisch“.“

DS: Nach welchen Kriterien suchen Sie Ihre Buch-Themen aus?

Matthias Dohmen: „Ich gehe mit offenen Augen durch die Welt, spreche mit vielen, lese, was andere geschrieben haben. Dann habe ich eine halbfertige Idee, die ich unter Freunden und Bekannten und möglicherweise Interessierten streue: Wo dann die meiste Resonanz erfolgt, des Themas nehme ich mich an.“

DS: Oft spielt ja die Geschichte in Ihren Büchern eine wesentliche Rolle – wie sehr beeinflusst die Vergangenheit Ihr Leben in der Gegenwart?

Matthias Dohmen: „Je älter ich werde, um so mehr interessiere ich mich für meine Vergangenheit, also für Menschen, mit denen ich zu tun hatte. Wenn ich erst einmal etwas im Fokus habe, knobele ich herum, aus welchen Blickwinkeln man das Thema oder – die meisten meiner Bücher beschäftigen sich schon vordergründig mit Personen – diesen Menschen, diese Frau und diesen Mann angehen könnte. Das Wichtigste sind mir aber nicht irgendwelche abstrakten Fragestellungen, sondern das, was mir diese Person der Zeitgeschichte von sich und seinem Leben erzählt. Zuhören heißt die Kunst, sich in jemanden hineinfühlen, von ihr oder ihm lernen. Und Leute vorstellen, wie das mal eine Leserin so schön gesagt hat, die man nach der Lektüre auch persönlich kennenlernen möchte.“

DS: Es gibt Schriftsteller, die immer noch in die gute, alte Schreibmaschine hämmern. Wie entstehen Ihre Bücher?

Matthias Dohmen: „An meinem Macbook. Wenn die Idee erst einmal da ist und die Schreibblockade überwunden, geht es ans Werk.“

DS: Das gute, alte gebundene Buch wurden ja von Experten schon vor Jahren totgesagt, wenn man aber zu Thalia oder zur Mayerschen Buchhandlung geht, sieht man immer noch eine riesige Anzahl von Büchern. Wie erklären Sie sich das?

Matthias Dohmen: „Als die Fotographie hochkam, glaubte man, die Malerei sei tot. Ist sie das? Das Buch ist das älteste Medium, das wir kennen. „Am Anfang war das Wort“, heißt es im Alten Testament. Es muss nicht alles in Stein gemeißelt werden, aber ein Buch, das man anfassen, in dem man Unterstreichungen vornehmen, das man verschenken kann, mit diesem Kulturgut werden wir noch lange leben.“

DS: Also ist für Sie ein e-Book keine Alternative zum herkömmlichen Buch?

Matthias Dohmen: „Es ist eine Form, die übrigens den Charme hat, dass man schnell etwas nachschlagen kann, wenn man sich an einen Namen oder ein bestimmtes Wort erinnert. Ich habe nichts gegen elektronische Bücher, auch wenn sie eher etwas für Jüngere sind. Ein Freund von mir „hört“ gerne Geschichten. Warum nicht: Jeder Ausflug in eine neue Welt ist damit verbunden zu entdecken.“

DS: Wie schwer ist es heutzutage einen Verlag von einem Buch-Projekt zu überzeugen?

Matthias Dohmen: „Für Autoren aus meiner Liga sehr schwer. Ich wünschte mir, von einem großen Verlag „entdeckt“ zu werden, der ganz andere Leserschichten bedienen kann als ein kleinerer. Der auch finanziell die Puste hat, Werbung zu betreiben. Die Werke müssen ja nicht gleich verfilmt werden.“

DS. Ist das Schreiben für Sie eher ein erfüllendes Hobby oder knüpfen Sie daran auch eine finanzielle Erwartung?

Matthias Dohmen: „Ich habe mein Lebtag geschrieben, um mich mitzuteilen. Das wird auch nicht aufhören. Mein opus magnum wird mein Tagebuch werden, aber über dessen Veröffentlichung werden noch ein paar Jahre vergehen. Und klar: Wenn etwas verkäuflich ist, liegt darin eine Bestätigung.“ 

DS: Wie kann man sich Ihren Alltag vorstellen, wenn Sie gerade an einem Buch arbeiten?

Matthias Dohmen: „Das sind ganz unterschiedliche Stadien, welche, in denen ich mich neben dem konkreten Projekt mit anderen Dingen beschäftige, und der drängeligen Zeit, in der ein Buch wirklich fertig wird und wo man an tausend Dinge gleichzeitig denken muss.“

DS: Haben Sie auch schon einmal eine Buch-Manuskript – wie man so schön sagt – vor der der Fertigstellung „in die Tonne gehauen“ – und falls ja warum?

Matthias Dohmen: „Ein Manuskript noch nicht, Ideen schon viele.“

DS: In Ihren Büchern dokumentieren und analysieren Sie in erster Linie, haben Sie auch schon einmal mit dem Gedanken gespielt, einen Roman zu schreiben oder ist Belletristik nicht so Ihr Ding?

Matthias Dohmen: „Von einem Roman träume ich oder von packenden und humorvollen Geschichten, wie sie mein Freund Wolf Wedel Parlow schreibt. Den Einstieg habe ich noch nicht geschafft. Im Übrigen gibt es furztrockene Belletristik und superaufregende Sachbücher. Und sogar Doktorarbeiten, die man mit Vergnügen lesen kann.“

DS: Wenn Sie selbst zum Buch greifen, was lesen Sie dann?

Matthias Dohmen: „Alles, was mir zwischen die Finger kommt. Kriminalromane liest mir meine Frau vor, wenn irgendetwas Interessantes im Tal erscheint, rezensiere ich es gern, ich lasse mich im Buchladen inspirieren, stöbere in einem telefonzellenartigen „Antiquariat“, wie am Laurentiusplatz eins steht, lasse mir Bücher schenken. Bücher über Musik (seit einigen Monaten lerne ich Blockflöte), über Menschen, über den vorerst gescheiterten Versuch, der bestehenden Gesellschaft eine reale sozialistische Utopie entgegenzustellen, über Dokumentationen der 1968er-Jahre, über Katzen. Ich besitze ein paar Tausend Bücher, und leider ist der Platz in einem Einfamilienhäuschen begrenzt.“

DS: Was aus Ihrer Feder dürfen wir als nächstes erwarten?

Matthias Dohmen: „Eine Geschichte eines Teils der Familie Dohmen. Mein Vater stammt aus der Eifel, aus Boich bei Nideggen. Da ist Hürtgenwald nicht weit oder die Burg Vogelsang. Oder Euskirchen, wo mein Deutschlehrer in Bad Münstereifel herkam, Heinz Küpper, der große Romane geschrieben hat, die man heute noch kaufen kann.“

DS: Und gibt es für Sie h als Journalist und Schriftsteller noch den ganz großen Traum?

Matthias Dohmen: „Einigermaßen gesund alt zu werden und produktiv zu bleiben. Ich sage immer: In der Kiste liegen wir noch lange genug.“

Das Interview führte Peter Pionke

 

Dr. Matthias Dohmen – © privat

Vita Matthias Dohmen

Matthias Dohmen wurde am 15.11.1947 in Düren als Sohn eines Arbeiters und einer Hausfrau geboren. Er besuchte zunächst die Volksschule, anschließend das Gymnasium und machte 1966 sein Abitur 1966. An der Uni Bonn studierte Matthias Dohmnen Geschichte, Politik und Philosophie. 

1973 schloß er sein Studium als Magister Artium ab. Gleichzeitig absolvierte er in Köln ein Studium der Theaterwissenschaften.

Nach Studium und Volontariat arbeitete Matthias Dohmen mehrere Jahre als freier Journalist. Danach war er als festangestelter Redakteur politischer Korrespondent in Bonn. 

In der Folge redigierte er für den Kundenzeitschriftenverlag Yukom (München) verantwortlich Zeitschriften, darunter einen Newsletter für den Verlag selbst und eine Publikation der IHK für München und Oberbayern. Mit Beginn der 90er Jahre war Matthias Dohmen wieder als freier Journalist unterwegs. 

Seine historiographische Schwerpunkte: Weimar, Arbeiterbewegung, DDR, Systemkonkurrenz BRD/DDR.

2015 erfüllte er sich im Alter von 66 Jahren schließlich seinen Jugendtraum und promovierte in Düsseldorf mit einer historiographischen Arbeit über die Weimarer Republik.

Im Lauf der Jahre bekleidete er zahlreiche Ehrenämter, darunter Landesvorsitzender der Deutsch-Finnischen Gesellschaft sowie bei der Gewerkschaft „Verdi“. Dazu kamen politische Engagements: SPD-Ortsvereinsvorsitzender, stellvertretender Bezirksbürgermeister, Mitglied des Rates der Stadt Wuppertal. Von 2014 an war er fünf Jahre Schöffe.

Verheiratet ist Matthias Dohmen mit Ehefrau Brigitte Dohmen, einer Lehrerin.  (Gemeinsam haben sie einen Sohn, der als studierter Wirtschaftsgeograph) arbeitet. Seine Hobbys: Finnland, Bücher, Tischtennis.

 

Die Buch-Veröffentlichungen von Dr. Matthias Dohmen:

Geraubte Träume, verlorene Illusionen

Westliche und östliche Historiker im deutschen Geschichtskrieg, 

Wuppertal: Nordpark 2015 – Neuauflage mit umfassendem Personenregister Leipzig: Universitätsverlag 2017 – 473 Seiten

ISBN 978-3-96023-042-7,

Euro 29,00

 

Die 1966er von Münstereifel

Zwischen „Kasten“ und St. Michael – Bilanz und Rückblick auf 50 Jahre Reife. Herausgegeben mit Harald Bongart und Thomas Wolters.

Wuppertal: Momberger 2016 – 134 Seiten

Dieses Buch ist als einziges nicht mehr über den Buchhandel, sondern nur über den Verlag (momberger-verlag@gmx.de), den Autor (matthias.dohmen@uni-duesseldorf.de) oder bei Eurobuch (www.eurobuch.com) erhältlich

ISBN 978-3-940439-75-8,

Euro 9,80

 

Frauen im Tal

Porträts

Weilerswist: Ralf Liebe 2017 – 115 Seiten

ISBN 978-3-944566-75-7,

Euro 14,00

 

Männer im Tal

Porträts

Weilerswist: Ralf Liebe 2018 – 116 Seiten

ISBN 978-3-944566-83-2,

Euro 14,00

 

Der Mann, der keinen Bahnhof kaufen wollte

Eine Familiengeschichte zwischen Schlesien, Bayern und dem Ruhrgebiet, Weilerswist: Ralf Liebe 2019 – 96 Seiten

ISBN 978-3-944566-91-7,

Euro 18,00

 

Freunde und andere Menschen

Skizzen, Porträts, Besprechungen, 

Norderstedt: Books on Demand – BoD 2019 – 186 Seiten

ISBN 978-3-7504-1157-9,

Euro 14,00

 

Sport – Heimat – Politik

Das Willfried-Penner-Lesebuch

Wuppertal: Nordpark 2020 – 154 Seiten

ISBN 978-3-943940-70-1,

Euro 14,00.

 

Kommentare

Neuen Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert