2. Juni 2020

Jens Langner: Auf Norderney droht die große Langeweile

Er ist ein Paradiesvogel, ein Original mit Herz! Jens Langner, den alle nur als "Tante Jens" kennen, ist Betreiber der Schlager-Disco "Kings Club" auf Norderney, der Lieblingsinsel vieler Wuppertaler. In seinem "Tanzschuppen" ist er sein eigener Entertainer. Er singt alte Gassenhauer, haut Sprüche heraus und erzählt Witze, die nicht immer ganz jugendfrei sind. Doch Jens Langner hat auch eine andere Seite. Er ist Gründer einer Schule in den Slums von Accra (Ghana), die er mit viel Herzblut unterstützt und betreut. im Moment ist "Tante Jens" ein Conférencier ohne Publikum. Denn seine Disco-Bar darf er immer noch nicht öffnen. Für ihn eine persönliche Katastrophe. Die Insel läuft Gefahr, einen sympathischen Farbtupfer zu verlieren. Jens Langner schildert hier exklusiv wie das Inselleben in Corona-Zeiten auf Norderney verläuft.

Jens Langner alias „Tante Jens“ – © Susanne Bellenbaum

„Nun, wie sieht es aus hier, auf unserer schönen Insel? Unsere Gäste sind wieder da. Auf den ersten Blick läuft alles gut. Der Tourismus ist jetzt so wie normalerweise im Juli oder August. Sehr viele Familien und ältere Gäste sind da. Trotzdem haben sich auch, wie immer in dieser Jahreszeit, einige Kegel-Klubs eingefunden. Es sind aber deutlich weniger als sonst.

Sie verstehen natürlich nicht, warum hier bis auf einen Biergarten keine Bar geöffnet hat. Die Antwort ist klar: Es gibt halt die Corona-Auflagen! Soweit, So gut! 

Aber warum gibt man uns Gastronomen der Pubs, Tanzlokale usw. noch nicht einmal die Chance, um unser Überleben kämpfen zu dürfen? Man hätte uns doch auch das Angebot machen können, vorübergehend ebenfalls einen Biergarten zu eröffnen. Und wenn es nur über Pfingsten gewesen wäre, um unseren Touristen gerecht zu werden und wenigstens ein paar Einnahmen zu haben.

Die Meinungen gehen hier weit auseinander unter den Gästen. Die einen sagen: „Wozu haben alle Hotels geöffnet und verlangen hohe Übernachtungspreise, wenn auf der Insel sonst nichts geboten wird?“ 

Zitat eines Urlaubers: „Wir kommen doch nicht hierher wegen eines Hotels X oder Y. Wir kommen her, um dem Alltag zu entfliehen und um das geniessen zu können, wozu wir zuhause keine Zeit für haben. Und das sind Zusammenkünfte mit Freunde, ausgehen, feiern. Wohnen können wir auch in preiswerten Pensionen!“ 

Und auf der anderen Seite gibt es die Familien, die diese Jahreszeit nun zum ersten Mal sehr ruhig erleben und das auch genießen.

 

Jens Langner mit Lehrer*innen und Schüler*innen vor seiner Schule in Accra (Ghana) – © privat

Wir haben die „Weststrandbar“, die als Biergarten konzessioniert ist und somit als einzige reine Bierbar aufmachen durfte. Sie musste nun dem großen Ansturm der Leute gerecht werden, die wie gewohnt aus all den vorhergegangenen Jahrzehnten ihren ganz speziellen Ort der gemütlichen Kommunikation suchten. Es war schwierig, aber man hat das irgendwie hinbekommen. Andere Kollegen in der Stadt wurden regelrecht überrannt und hatten zeitweise Probleme, den Corona-Vorschriften gerecht zu werden. 

Ein Großteil der Leute kaufte sich die Getränke im Einzelhandel und verbrachte die Abende an der Promenade. Was sicherlich bei diesem tollen Wetter durchaus etwas Einzigartiges hatte.

Wir Gastronomen auf Norderney fühlen uns allein gelassen. Keine Zusagen seitens der Inselpolitiker, dass wir gemeinsam Wege aus der Krise suchen würden. Wir erfahren nichts. Eine ganz schlechte Informations-Politik

Zusagen für Unterstützung bekommt nur die Lobby der Hotels und Pensionen. Die Gastronomie im reinen Getränkebereich lässt man quasi im Regen stehen. Wir ernten nur das große Schweigen. Jegliche Entscheidungsverantwortung wird an den Landrat in Aurich abgeschoben.

Eines dürfen wir Gastronomen natürchlich: Weiterhin hohe Pachten zahlen, bis das Säcklein leer ist. Und dann ist es vorbei mit den schönen Werbesprüchen in den Hochglanzbroschüren: ‚Besuchen Sie unsere Insel wegen Ihrer unendlich vielen Möglichkeiten der Erholung, des Geniessens und des Spaßes!‘ 

Dann sollte es besser heißen: ‚Besuchen Sie unsere Insel wegen der vielen Hotels und Edeka Märkte!‘ 

Ob das allerdings dann ein marketingstrategischer Volltreffer sein wird und die Leute in Scharen auf die Insel lockt, wage ich zu bezweifeln!

Der Strand an der „Weißen Düne“  auf Norderney – © Paul Coon

 

Aber es ist so, wie es ist – egal auf welcher Insel oder in welcher Stadt oder Dorf –  unsere Art der Gastronomie kehrt man als vermeintlichen Corona-HotSpot einfach so unter den Teppich. Es ist furchtbar. 

Gerade wir Gastronomen aus dem Berreich der Kneipen, Bars und Tanzlokale wissen um unsere Verantwortung und könne, genauso wie ein Biergarten, auch alle Auflagen erfüllen. 

Aber dann bekommt man gesagt: Die Gäste schwitzen in den Lokalen, kommen sich zu nah usw. Klar, das wäre natürlich der Fall, wenn alles normal laufen würde  wie vor der Coronakrise. Aber diese Probleme gäbe es dann in Biergärten und Restaurants in normalen Zeiten auch. Deswegen wurden ja die durchaus vernünftigten Hygiene-Auflagen erlassen.

Man läßt uns am offenem Herzen verbluten! Wahrscheinlich muß es auch einfach nur Opfer geben in diesem Fall und das sind halt wir! Was passiert, wenn es die Orte der „Kommunikation“ der „Gemütlichkeit“ nicht mehr gibt? 

Viele Touristen kommen doch nicht nur wegen der frischen Seeluft nach Norderney.  Sie wollen etwas erleben, etwas unternehmen, was sie zuhause nicht machen können, sie wollen für kurze Zeit dem Alltag entfliehen. 

Sollte auf Norderney die große Langeweile einkehren, bekommen das auch die Hotels, Pensionen und der Einzelhandel, der vom Tourismus lebt, zu spüren. Wer zahlt dann die hohen Übernachtungspreise?

 

Jens Langner (ganz rechts) mit Schüler*innen und Lehrpersonal vor seiner Schule in Accra (Ghana) – Foto: privat

 

Jeder kann und soll doch seinen Urlaub so verbringen, wie er es möchte. Wer es ruhig mag, kam auf unserer Insel immer auf seine Kosten, genauso wie derjenige, der etwas erleben und abends ausgehen und feiern wollte.

Sollte sich die Situation nicht bald ändern, wird es demnächst ein ganz anderes Norderney und eine neue Form von Tourismus geben. Einige meiner Kollegen – und wahrscheinlich auch ich  – werden es unter diesen Umständen nicht ins neue Jahr hineinschaffen.

Und dann wird es der Ruhe liebende Norderneyer – davon bin ich überzeugt –  nicht mehr zulassen, dass sich die junge Generation und die gern feiernden Gäste hier auf der bisher so liberalen Insel wieder breitmachen.

Womöglich ist das ja so gewollt. Aber vermutlich hat Norderney dann ja auch den Reiz verloren, der sie zur mittlerweile beliebtesten Insel Deutschlands gemacht hat.

Man geht jetzt durch die Strassen, die Gäste sind wieder da. Aber nur wenige lächeln oder sind richtig entspannt…

In diesem Sinne, bleiben Sie gesund! Wir sehen uns hoffentlich auf Norderney, der Insel, die Jahrzehnte lang durch ihre Vielfalt geglänzt hat und das hoffentlich auch in Zukunft tut…

Ihr Jens Langner

Kommentare

Neuen Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert