Thomas Braus – „Ich tue alles für das Ensemble…“

Seit über 15 Jahren ist Thomas Braus im Schauspielensemble der Wuppertaler Bühnen. Zum Fotoshooting mit der Stadtzeitung für das große "Hand aufs Herz"-Interview, begibt er sich auf das Dach des Opernhauses – ein ganz besonderer Ort für ihn, an dem er zur Ruhe kommt und abschalten kann, wie er erzählt.

Schauspielintendant & Schauspieler Thomas Braus – © Wuppertaler Bühnen / Uwe Schinkel

Mit der Spielzeit 2017/18 übernimmt Thomas Braus zusätzlich die Intendanz der Schauspielsparte und fungiert damit in einer Doppelrolle. Nina Reinhardt unterhielt sich mit dem gleichermaßen talentierten wie engagierten Schauspieler.

DS: Wie gehen Sie mit der Besonderheit der Doppelfunktion als Schauspieler und Intendant um?

Thomas Braus: Es gibt Intendanten, die sind Regisseure, andere sind Dramaturgen – solche Doppelrollen sind durchaus gängig.“

DS: Aber für einen Dramaturgen oder einen Regisseuren hört die Arbeit nach der Premiere auf – als Schauspieler stehen Sie aber auch danach noch jeden Abend auf der Bühne.

Thomas Braus: „Das stimmt, aber die Hauptarbeit stellen trotzdem die Proben dar. Ich muss zugeben, dass das nicht ganz ohne ist. Aber es war mir von Anfang an klar, dass es eine Doppelfunktion ist, das war auch Teil meines Konzeptes, das ich vorgetragen habe.“

DS: Haben Sie Ihre Entscheidung schon einmal bereut oder macht sie Ihnen nach den ersten Wochen womöglich Angst?

Thomas Braus: „Angst wäre übertrieben, aber man muss sich natürlich immer erst einmal reinfinden und einarbeiten. Keine Frage, es ist sehr viel, und ich muss lernen, mit meinen Kräften zu haushalten. Ich bin generell jemand, der viel arbeitet – ich stand auf der Bühne und hab trotzdem nebenher als Hochschuldozent unterrichtet. Ich habe immer für meinen Job gebrannt und es dennoch immer hinbekommen, ausreichend für die Fanmilie da zu sein. Das funktioniert mit gutem Zeitmanagement.“

DS: In der aktuellen Spielzeit tauchen bei den Gastregisseuren Namen wie Markus Lobbes oder Peter Wallgram auf – Regisseure, die die Wuppertaler schon aus der Intendanz von Christian von Treskow kennt. Lassen Sie damit alte Traditionen aufleben?

Thomas Braus: „ In 20 Jahren als Schauspieler lernt man viele Leute kennen. Frau Abbrederis hat Regisseure mitgebracht, die sie kennt und zu denen sie vertrauen hatte. Bei mir ist das nicht anders. Ich habe mich für diejenigen entschieden, die für mich eine Bedeutung haben oder bei denen ich das Gefühl habe, dass man gemeinsam noch etwas entwickeln kann. Es ist mehr oder weniger Zufall, dass jetzt Namen zu finden sind, die auch unter von Treskow gearbeitet haben. Zusätzlich gebe ich jungen Regietalenten die Chance, etwas zu zeigen, und ich bin immer offen für Neues.“

DS: Für welche Form des Theaters werden Sie stehen? Was wird Ihre Handschrift sein?

Thomas Braus: „Ich lege großen Wert auf Körperarbeit und Sprachgestaltung. Ich selber bin ein sehr. Ich selber bin ein sehr körperorientierter Schauspieler. Die Arbeit für ‚Die Hölle‘ mit Hans Kresnik, der als Tanztheatergröße bekannt geworden ist, habe ich geliebt. Er macht ein archaisches Körpertheater, was mir unglaublich imponiert. Mein Ziel ist es, verschiedene Regie-Handschriften im Wuppertaler Schauspiel zu haben, die alle über das reine Erzähl-Theater hinausgehen.“

DS: In den 60er Jahren gab es Regisseure, die sich fast ausschließlich auf politisches Theater spezialisiert haben – wäre das auch etwas für Sie?

Thomas Braus: „Theater hat zwar immer auch die Aufgabe, politisch mitzuwirken und aktuelle Themen aufzugreifen, aber ich mag nicht die Form eines mit dem moralischen Zeigefinger aufzeigenden vordergründigen Theaters. Das, was ich an politischen Aussagen vermitteln will, muss durch die Hintertür kommen. Mein Ansatz wird immer eher ein künstlerischer sein“

DS: Berthold Brecht hat mal gesagt: Wenn man das Publikum belehren will, muss man es auch gleichzeitig unterhalten.

Thomas Braus: „Ja, ganz genau. Der Zuschauer darf eine Irritation mitbekommen, aber nicht vordergründig politisch. Das muss über einen anderen Weg passieren.

DS: Ist es für Sie z.B. eine politische Aussage, dass Sie sich mit dem Glanzstoff Inklusionstheater zusammengetan haben?

Thomas Braus: „Ja, absolut. Und das langfristige Ziel soll sein, dass Glanzstoff, die Akademie der inklusiven Künste, zur Sparte Schauspiel ganz selbstverständlich dazu gehört und dass das irgendwann Hand in Hand geht. Menschen mit Behinderung stehen immer noch am Rand, wo sie nicht hin gehören, deshalb müssen sie Teil unserer Ensemblezusammenstellung werden. In gewisser Hinsicht ist das auch eine politische Aussage.“

DS: Haben Sie Ideen, wie man wieder mehr jüngere Leute für das Theater begeistern kann?

Thomas Braus: „Man will das Stammpublikum nicht vergraulen, aber das Ziel muss es definitiv sein, jüngere Leute ins Theater zu bekommen. Wir sind moderner geworden, arbeiten mit jüngeren Regisseuren zusammen und versuchen mit der Uni in Kontakt zu treten. Leider sind uns da aber auch oft finanzielle Grenzen gesetzt. Ein Stück in einem Klassenzimmer wäre etwas wunderbares – das können wir uns aber schlichtweg mit unserem künstlerischen Etat nicht leisten. Was wir aber anbieten, sind vielfältige theaterpädagogische Programme – da müssen aber auch die Lehrer mitziehen – und Theaterclubs für alle Generationen.“

Thomas Braus in „Die Hölle / Inferno“ – © Klaus Lefebvre

DS: Muss das Theater auch generell einfach präsenter sein und vielleicht aus dem eigentlichen Gebäude raus und auf die Menschen zugehen?

Thomas Braus: „In jedem Fall. Wir haben jetzt eine Aktion, mit der wir direkt in die Stadt gehen, in verschiedene Kneipen, mit Programmen die teilweise improvisiert, trashig und vorallem sehr modern sind. Durch das Ausprobieren unterschiedlichster Formen versuchen wir neues Publikum zu generieren.“

DS: Das Theater in unserer Stadt war jahrelang nur mit negativen Schlagzeilen in der Presse, auch bis über die Stadtgrenzen hinaus – das gebeutelte Wuppertaler Schauspiel. Ist der Ruf mittlerweile rehabilitiert?

Thomas Braus: „Wuppertal galt lange nur als kaputtes Haus. Das dauert Jahre, bis dieser Ruf rehabilitiert ist. Aber jetzt sind wir da, wir sind präsent und stark und haben uns im Ensemble extrem viel vorgenommen. Es soll um Inhalte gehen und nicht um das Hinterfragen der Sparte. Und alles, was ich in dieser Richtung tue, tue ich mit dem und für das Ensemble. Und mein klares Ziel als Intendant ist es, dass die Schauspielsparte an sich erhalten bleibt.“

DS: Wie kommt denn bei den Wuppertalern in dem Zusammenhang der Standort des Theaters am Engelsgarten an?

Thomas Braus: „Das ist von der reinen Lage her ein schwieriger Ort. Da findet kein Leben statt, keine Gastronomie. Dort Zuschauer „hinzulocken“ ist doppelt schwer. Wir versuchen derzeit, das Foyer zum Begegnungsort zu etablieren, wo man nach der Vorstellung noch ein Bier trinken kann, ein oder zwei Schauspieler dazu kommen und ein Austausch mit den Zuschauern stattfindet. Durchaus auch gerne kontrovers. Entwicklung bedeutet nicht, dass jedem alles gefällt. Das Publikum muss nicht alles gut finden, was wir machen. Kunst bedeutet auch immer Reibung, und wir bieten immer offizielle Diskussionen an.“

DS: Wie haben Sie den Kampf um das Wuppertaler Theater erlebt, und was hat Sie motiviert, mitzukämpfen?

Thomas Braus: „ In anderen Städten, die finanziell besser dastehen, ist Theater selbstverständlich. Aber ich dachte mir, es ist viel spannender dort zu sein, wo der Kampf ist. In Wuppertal musst du als Schauspieler um die Existenz deiner Spielstätte kämpfen, das hat mich sehr gereizt. Wir haben in Deutschland eine einzigartige Theaterlandschaft, und die sollte erhalten bleiben. Genau in einer Stadt wie Wuppertal, die selbst in einer schwierigen Situation ist, muss Theater stattfinden. Das zeigt auch die freie Szene, die deutlich macht, wie groß das Bedürfnis danach ist.“

DS: Hatten Sie schon einmal das Gefühl, einer Rolle nicht gerecht werden zu können, ihr nicht gewachsen zu sein? Und wenn ja – zweifeln Sie in solchen Momenten dann ganz generell an sich?

Thomas Braus: „Das gibt es immer mal wieder, und ja, ich bin ein großer Zweifler und hinterfrage sehr viel. Aber ich stürze mich dann immer wieder in die Herausforderung hinein.“

DS: Wie schalten Sie ab und tanken neue Kraft? Und wo findet man Sie genau in diesen Momenten?

Thomas Braus: „Das mache ich immer mit Sport. Dann gehe ich raus und laufe, um den Kopf frei zu bekommen – gerne in den Barmer Anlagen. Vieles löst sich bei mir durch Bewegung. Und ich genieße es auch, ganz profan, am Samstag die Bundesliga zu gucken.“

DS: Gehen Sie auch privat gerne ins Theater und gucken sich Kollegen auf der Bühne an?

Thomas Braus: „Ich gehe nicht immer gerne ins Theater, weil ich mich manchmal über Eitelkeiten auf der Bühne ärgere. Man muss zwar in gewisser Weise eitel sein, wenn man diesen Beruf ausübt, aber es gibt so eine Art von Eitelkeit, die von manchen Regisseuren und Schauspielern auch noch ausgestellt wird. Was hingegen immer sehr inspirierend und bereichernd für mich ist, sind Kunstausstellungen oder Videokunst.“

DS: Gibt es noch etwas, was Sie den Wuppertalern mit auf den Weg geben möchten?

Thomas Braus: „Ich habe den Eindruck, der Wuppertaler an sich neigt dazu, seine eigen Stadt schlechtzureden. Man ist nicht schockverliebt, wenn man nach Wuppertal kommt, aber die Stadt übt eine wahnsinnige Faszination aus – auch durch dieses Merkwürdige, was Wuppertal durchaus hat und was es auch sehr liebenswert macht. Wir haben ein Tanztheater, die Oper, das Schauspiel und eine riesige freie Szene – die Stadt hat so viel zu bieten. Ich würde mir wünschen, mehr Wuppertaler würden das bewusster und positiver wahrnehmen.“

DS: Vielen herzlichen Dank für dieses intensive und aussagekräftige Gespräch.

Text: Nina Reinhardt 

Kommentare

Neuen Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert