„Meine Suppe ess ich nicht…“ (Teil 3)

„Meine Suppe ess ich nicht“ - Lesen Sie hier den 3. und letzten Teil unserer Serie "Magersucht/Anorexia nervosa" von unserer kompetenten Expertin Barbara Knoblauch – Dipl. Psych./Psychotherapeutin.

Diplom-Psychologin Barbara Knoblauch – © Dirk Sengotta

Magersüchtige Patientinnen zeigen wenig Krankheitseinsicht. Sie solidarisieren sich untereinander, wozu gerade das Internet gute Möglichkeiten zur Verfügung stellt. So entstand in den USA die Pro Ana Bewegung, die längst auch in Europa anzufinden ist. Ana steht für Anorexie. Die Krankheit wird personifiziert und glorifiziert. Die Mädchen finden sich in Blogs und Pro Ana-Foren. Teilnehmen kann nur wer magersüchtig ist.

Es gibt erschreckend harte Regeln und Gesetze. Die Mädchen tauschen sich aus, wie sie weiter ihr Gewicht reduzieren können, geben sich Tipps zum besseren Erbrechen. Es werden verschiedene Diäten wie „Regenbogendiät und Knastdiät“ gezeigt, erklärt wie Wattebäusche getränkt mit Orangensaft das Hungergefühl dämpfen können. Zahlreiche Anleitungen und Tagespläne zur sportlichen Betätigung werden mitgegeben, wobei die erschreckend dominierende Grundhaltung – nur wer abnimmt ist gut – sich wie ein roter Faden durch alle Anleitungen zieht.

Ursachen

An der Entstehung einer Magersucht sind viele Faktoren beteiligt. Eine genetische Disposition gilt mittlerweile als wahrscheinlich. Bestimmte individuelle Verhaltensweisen können bei magersüchtigen Patientinnen immer wieder beobachtet werden. Sie haben Schwierigkeiten bei Entwicklungsaufgaben wie der Verselbstständigung. Es handelt sich meist um eher angepasste, gut erzogene Kinder, die Probleme im Aufbau eines starken Selbstwertgefühls zeigen. Es ist eine sogenannte „good girls Krankheit“. Zudem zeigen sich familiäre Leistungsorientierung und Anpassung, Betonung von gutem Aussehen, Fitness und schlanker Figur, was den kulturellen und gesellschaftlichen Zeitgeist widerspiegelt.

Schlankheit, Fitness und ausgewogene Ernährung gelten als Ausdruck von Wohlstand, Bildung und kulturellem Hintergrund. Gerade Mädchen sind in ihrer Entwicklung diesem gesellschaftlichen Druck stärker ausgeliefert und erfahren in der labilen Zeit der Pubertät gerade heutzutage Anerkennung über ihre schlanke Figur, was zur ersten Diät und anschließendem Einstieg in die Magersucht führen kann. Ab dann herrscht das Diktat der Waage. Familiäre Belastungen, Spannungen und traumatische Erlebnisse erhöhen die persönliche Anfälligkeit.

Therapie

Trotz vielfältiger Bemühungen versterben noch immer ca. 6 bis 18 Prozent der Patientinnen an den Folgen dieser Erkrankung, wobei die Dunkelziffer wahrscheinlich noch höher ausfällt, da sehr oft eine andere Diagnose auf dem Totenschein vermerkt sein wird, die eigentliche Ursache nicht erkannt oder verkannt wird.

Eine ambulante Therapie empfiehlt sich nur in den Anfängen und bei mildem Verlauf. Ansonsten muss eine stationäre Unterbringung in einer jugendpsychiatrischen Einrichtung mit verschiedenen Therapieansätzen und –formen empfohlen werden. Begleitende Elternberatung bzw. Familientherapie hat sich als eine wichtige Säule der Behandlung erwiesen. Die Therapie erstreckt sich meist über einen längeren Zeitraum.

Verlauf

Es zeigen sich unterschiedliche Verläufe. Bei knapp der Hälfte der Patientinnen bilden sich die Symptome dauerhaft zurück, so dass von einer Heilung gesprochen werden kann. Bei einem Drittel kann zumindest eine Besserung erreicht werden. Bei ca. 20 Prozent bildet sich eine chronische Form der Magersucht, die auch in eine vorübergehende oder stabile Bulimie übergehen kann.

Bei Verdacht auf Magersucht sprechen Sie bitte Ihren Kinderarzt an, um die richtigen Maßnahmen abzuwägen und einzuleiten, wie zum Beispiel ambulante oder stationäre Behandlung. Bei schweren körperlichen Symptomen muss meist erst eine körperliche Stabilisierung in einer Allgemeinklinik erfolgen. Erst danach kann die eigentliche Behandlung der Erkrankung in darauf spezialisierten Einrichtungen beginnen.

Ihre
Barbara Knoblauch – Dipl. Psych./Psychotherapeutin

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