20. August 2025

„Hermannsdenkmal: Zu brisant, um es Nationalisten zu überlassen

Das „Hermannsdenkmal“ im Teutoburger Wald wurde vor 150 Jahren am 16. August 1875 eingeweiht. Das nimmt die Else Lasker-Schüler-Gesellschaft zum Anlass für eine Veranstaltung am 8. September 2025 in der Stadtbibliothek: Dr. Hans Günter Wachtmann, langjähriger ehemaliger Oberkustos am Von der Heydt-Museum, spricht zum Thema „Wie wir Deutsche wurden“.

Der Historiker Dr. Hans Günter Wachtmann hat auch noch mit 93 Jahren viele Pläne – © Dr. Matthias Dohmen

Dieses Thema ist gerade in diesen Zeiten zu brisant, um es Nationalisten zu überlassen. Deshalb hat es die Else Lasker-Schüler-Gesellschaft (ELS) ihr langjähriges Mitglied Hans Günter Wachtmann eingeladen, einen überzeugten Europäer. Kooperationspartner sind der Bergische Geschichtsverein und die Stadtbibliothek.

Der Vortrag wurde nicht zufällig zeitnah zum Jubiläum des Hermannsdenkmals terminiert. Denn das Kolossaldenkmal, das bis zur Errichtung der Freiheitsstatue 1876 die weltweit größte Statue war, gilt nicht nur den Anhängern des Fußballvereins Arminia Bielefeld, sondern vielen Deutschen als das Symbol ihrer Nationalität.

Der Cheruskerfürst, der eigentlich Arminius hieß

Dargestellt sein soll nach den Entwürfen des Bildhauers und Architekten Ernst von Bandel der Cheruskerfürst Arminius. Dass er zum „Hermann“ umbenannt wurde, geht auf eine Anregung Martin Luther zurück. Der Reformator hat auch erheblich zur Vereinheitlichung unserer Sprache beigetragen. Das und viel mehr ist deutsche Geschichte, um die sich viele Legenden spannen. Auch um den „Hermann“.

Die Darstellung seiner Figur bei Detmold ist reine Phantasie. Der wahre (rheinische) Heeresführer Arminius dürfte ganz anders gekleidet gewesen sein. So hat er bestimmt keinen geflügelten Helm getragen, denn der hätte ihn beim Kämpfen gehindert. Relativ gesichert ist, dass der römische Feldherr Quinctilius Varus vor 2000 Jahren im Teutoburger Wald mit seinem großen Heer von einem vermutlich schwächeren Gegner vernichtend geschlagen wurde.

Das 53,46 Meter hohe Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald bei Detmold – © Pixabay

Funde und andere Zeugnisse, die das belegen könnten, sind spärlich bzw. Auslegungssache. 1900 Jahre später, seit dem 19. Jahrhundert, gilt diese „Varusschlacht“ verherrlichend als Gründungereignis der Deutschen Nation. Tatsächlich ist es lediglich ein Mythos.

Das Hermannsdenkmal ist nicht nur wegen seiner Gestaltung umstritten. Der genaue Ort der mörderischen Varusschlacht ist nämlich bis heute nicht eindeutig geklärt. Das Heer der Römer wurde sehr wahrscheinlich nicht dort in einen Hinterhalt gelockt, wo das Denkmal steht. Die heimatverbundenen westfälischen Lipper streiten sich mit stolzen Niedersachen bis heute um den genauen Standort des blutigen Gemetzels.

Streit um dem wahren Ort der blutigen Schlacht

Dass es bei dem Streit indirekt auch um das Geld der Touristen geht, die in Scharen zum 53,46 Meter hohen Denkmal pilgern, versteht sich. Die Schlacht als Teil einer deutschen Gründungsgeschichte zu sehen, darf jedoch kritisch hinterfragt werden.

„Hermann“, der gewaltige 26,57 m misst, ist die größte deutsche Statue und im Zusammenhang mit der politischen Situation jener Zeit zu sehen. Nach jahrhundertealten Auseinandersetzungen (wie den Napoleonischen Kriegen) hatte sich der Begriff der „deutsch-französischen Erbfeindschaft“ verfestigt. Deutschland gab es so noch gar nicht, es war lange zersplittert.

Auch deshalb suchten die Eliten nach einer nationalen Identität, die manche in der „germanischen“ Vergangenheit zu finden hofften. So wurden früh schon nationalromantische Denkmäler initiiert wie die Walhalla bei Regensburg, das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig oder die „Germania“ bei Rüdesheim.

Allaien die Hermanns-Satue auf der Spitze des Dentmals ist 26,57 Meter hoch – © Pixabay

Leider wird erst in jüngster Zeit auch über Denkmäler für Einwanderer in Deutschland diskutiert. Ein Beispiel ist das geplante Denkmal für Gastarbeiter in Dortmund, das die Leistungen der Menschen würdigen soll, die in den 1960er Jahren im Rahmen von Anwerbeabkommen in die Bundesrepublik kamen. Auch in anderen Städten wie Remscheid gibt es Bestrebungen, Denkmäler zu errichten, die an die Zuwanderung erinnern.

Dabei haben rund 30 Prozent der Bundesbürger einen Migrationshintergrund. Davon besitzt etwa die Hälfte, rund 13 Millionen von 25,2 Millionen eingewanderter Menschen, einen deutschen Pass. Davon sind laut Statistischem Bundesamt 7,2 Millionen durch Geburt deutsche Staatsbürger, 2,7 Millionen sind (Spät-)Aussiedler und drei Millionen sind eingebürgert. Etwa 5,3 bis 5,6 Millionen gehören dem muslimischen Glauben an, der zweitgrößten Religionsgemeinschaft nach den Christen. Auch darum konstatierte der ehemalige Bundespräsident Wulff, dass der Islam zu Deutschland gehöre.

Historiker fragt: Wie wurden wie Deutsche?

Angesichts zunehmenden Nationalismus und Rassismus wird Dr. Hans Günter Wachtmann in seinem Vortrag ebenfalls kritisch der Frage nachgehen, wie wir Deutsche wurden: Wer sind wir noch nach den weltgeschichtlichen Verbrechen im 20. Jahrhundert? Gehört diese Schande nicht auch zu unserer Identität?  Was sollte erinnert werden?  „Deutsch“ im Verständnis des 19. Jahrhunderts. Wer waren die Germanen? Seit wann sprechen wir „Deutsch“?

Die Struktur des mittelalterlichen Reiches. Erneuerungsbewegungen und die Neuentdeckung nationaler Ursprünge. Höchste Erregung und Spaltung. Der Weg zum Nationalstaat und in die Gegenwart. Nach der Katastrophe… Viele Thesen und Fragen über Fragen zu einem spannenden Thema am Montag, dem 8. September um 19.00 Uhr in der Stadtbibliothek, Kolpingstraße 8. Der Eintritt ist frei.

Text: HAJO JAHN

Hajo Jahn, der bekannte Wuppertaler TV- und Rundfunk-Journalist sowie Vorsitzender der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft- © privat

Über den TV- & Rundfunk-Journalisten Hajo Jahn

Der bekannte Journalist Hajo Jahn wurde am 31.05.1941 in Berlin geboren. Er machte der Schule zunächst eine Lehre als Bergmann. Doch schon damals hatte er großes Talent als Schreiber und Fotograf. Nach einem Volontariat bei der Westfälischen Rundschau in Dortmund arbeitete Hajo Jahn zunächst  als freiberuflicher Journalist für den WDR und der ARD.

Als Rundfunk- und Fernsehmoderator und -reporter war er von 1970 bis 2000 WDR-Studioleiter Wuppertal im Bereich Funk und Fernsehen. Bundesweit bekannt wurde Hajo Jahn durch seine Rolle als Moderator in Wolfgang Petersens Film „Smog“. Wuppertal war für ihn inzwischen längst zu seiner zweiten Heimat geworden. Schon bald faszinierte ihn das Leben und das Werk der bekannten Wuppertaler Dichterin Else Lasker-Schüler

1990 wurde Hajo Jahn Gründer, ehrenamtlicher Geschäftsführer und später auch Vorsitzender der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft in Wuppertal und außerdem noch von der Stiftung „Verbrannte und verbannte Dichter – für ein Zentrum der verfolgten Künste“. Das „Zentrum“ wurde im Frühjahr 2008 unter dem Dach des Kunstmuseums Solingen realisiert. In der Dauerausstellung sind dort u.a. sechs Originalbriefe von Thomas Mann und 23 Originalzeichnungen von Else Lasker-Schüler zu sehen, die 1937 als entartet beschlagnahmt worden waren.

Link zur Webseite der „Else Lasker-Schüler-Gesellschaft“

https://www.else-lasker-schueler-gesellschaft.de/

 

 

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