12. Juni 2025

Über Solidarität mit den Toten die Lebenden nicht vergessen

Die 25 ist eine besondere Zahl für die Else Lasker-Schüler-Gesellschaft und Hajo Jahn. Denn das 25. Else Lasker-Schüler-Forum, das jetzt mit großem Erfolg in Amsterdam stattfand. Ein denkwürdiges Forum, gerade auch für Hajo Jahn, langjähriger Vorsitzender der "Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft".

Hajo Jahn, Vorstizender der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft, am Rednerpult der OBA – © ELSG / Doris Rother

„80 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus ist es wichtiger denn je, Stellung zu beziehen. Der zunehmende Antisemitismus lässt sich nicht vom Sofa aus bekämpfen. Er eskaliert angesichts der Terroranschläge vom 7. Oktober 2023 in Israel und dem Leid der Bevölkerung im kriegszerstörten Gazastreifen.“

Das erklärte Dr. Katharina von Schnurbein, Antisemitismus-Beauftragte der EU beim XXV. Else Lasker-Schüler-Forum „Prinz Jussuf hatte einen König in Holland“ in der Stadtbibliothek von Amsterdam.

Ein Zeichen gegen den Judenhass sei auch dieses Jubiläumsforum, sagte Hajo Jahn in der niederländischen Hauptstadt: Zur Erinnerung an die deutsche Besetzung der Niederlande vor 85 Jahren, aber auch als Mahnung gegen den rechten Zeitgeist von heute im 80. Jahr nach der Befreiung vom Faschismus und im 80. Todesjahr von Anne Frank und Else Lasker-Schüler.

Der holländische Jazzpianist Jasper van’t Hof, die EU-Antisemitismusbeauftragte Katharina von Schnurbein und Moderatorin Birte Fritsch – © ELSG / Doris Rother

Uraufgeführt wurde aus diesen Anlässen das Bühnenstück des Wuppertaler Autors Heiner Bontrup „Schreiben um zu leben“ über Else Lasker-Schüler und Anne Frank, darin Erstaufführungen von Herbert Mitschkes Vertonungen der ELS-Gedichte „Mein Tanzlied“, „Mein Volk“, „Komm mit mir in das Cinema“ und „Mein blaues Klavier“.

Uraufgeführt wurde ebenfalls die 1934 in Amsterdam entstandene Vertonung des Lasker-Schüler-Gedichts „Weltende“ von James Simon. Der deutsche Komponist war im niederländischen Exil von der Gestapo inhaftiert und in Auschwitz umgebracht worden. Seine „Weltende“ Partitur hatte ELS-Musikexperte Dr. Karl Bellenberg im August 2013 in einem entlegenen Archiv in den USA entdeckt.

Es dürfte anderen Exilanten mit ihren Werken ähnlich ergangen sein wie James Simon. Exil war eben kein Paradies, wie manche Daheimgebliebenen im Bombenhagel glaubten.

Ulrike Müller, Cherry Duyns – in Wuppertal geborener Sohn eines holländischen Zwangsarbeiters und einer Elberfelderin – und Hajo Jahn – © ELSG / Doris Rother

Das Publikum in Amsterdam nahm die Geschichte von James Simon mit großer Anteilnahme entgegen und feierte die Uraufführung durch Stefanie Wüst (Sopran) Christopher Arpin (Piano). Zu dem Konzert gehörten auch weitere ELS-Gedichtvertonungen von Wilhelm Rettich, der im Exil in Amsterdam überlebt hatte.

Zum Auftakt des Forums präsentierte der niederländische Comedian Patrick Nederkoorn sein ebenso heiteres wie kritisches Programm „Die orangene Gefahr“ über die Folgen der ansteigenden Meeresspiegel durch die Klimaveränderung. Denn es gehe es nicht nur um Erinnerungskultur, sondern auch um den Blick auf Gegenwart und Zukunft, so Hajo Jahn, der als renommierter WDR-Rundfunk- und TV-Journalist Geschichte im Bergischen Land  schrieb.

80 Mitglieder der ELS-Gesellschaft waren zum Forum gekommen, das über vier Wochen hinweg auch 22 Faksimiles von Else Lasker-Schüler-Zeichnungen ausstellte sowie zahlreiche Erstausgaben von ELS-Büchern. Partner des „silbernen“ Forums waren das Goethe-Institut Amsterdam und die Stadtbibliothek Wuppertal, deren Direktorin Karin Röhrich ebenfalls nach Amsterdam gereist war.

EU-Antisemitismusbeauftragte Katharina von Schnurbein und Moderatorin Birte Fritsch – © ELSG / Doris Rother

Gefördert wurde das Forum u.a. von der Bezirksregierung Düsseldorf, der AG Literarischer Gesellschaften und Gedenkstätten sowie von der Wuppertaler „Bürger für Kultur gGmbH“ und von der Bethe-Stiftung.

Zum Jubiläumsforum wurde ein literarisches rund 70seitiges Programm-Magazin herausgegeben. Geplant ist zudem für 2026 wieder ein Forums-Almanach mit allen Vorträgen, darunter auch der Beitrag von Dr. Antonius Weixler. Der Dozent von der Bergischen Universität Wuppertal hatte dort ein Seminar über die „Pop/Musik als Pop/Literatur“ zu Vertonungen von Else Lasker-Schülers Lyrik“ abgehalten und darüber in Amsterdam referiert.

Dazu gab es für seine mitgereisten Wuppertaler Studierenden und alle Besucher Musikbeispiele von „Weltende“, u.a. von „A Winter Lost“, einer Black Metal Band aus Alberta in Kanada, der IndieRock-Gruppe „Uncle Ho“ aus Wuppertal und „Leichenwetter“ aus Iserlohn.

Dr. Martin Hamburger , Vorstandsmitglied der Bethe-Stiftung, überreichte einen symbolischen Scheck an Hajo Jahn, dem Vorsitzenden der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft. Die Bethe-Stiftung hatte mit einer Spendenverdoppelungsaktion zur Finanzierung des „Else- Lasker-Schüler-Forums“ in Amsterdam beigetragen – © ELSG / Doris Rother

Eröffnet wurde das Forum mit einem Vortrag des deutsch-niederländischen Autors Dr. Christof Driessen über das seit Jahrhunderten „bedrohte Exil“, in dem er u.a. ausführte: „Demokratie und Rechtsstaat sind in vielen Staaten auf dem Rückzug, rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien sind auf dem Vormarsch. Während wir uns hier mit der Vergangenheit beschäftigen, baut sich direkt vor unseren Augen eine neue Bedrohung auf.“

Das dürfe man nicht aus den Augen verlieren, denn sonst gelte das Zitat „Die zunehmende Solidarität mit den Toten spiegelt die fehlende Solidarität mit den Lebenden.“

Das 25. war übrigens das letzte Forum, das Hajo Jahn organisiert hat. Künftige Foren ab 2027 wird sein designierter Nachfolger Heiner Bontrup realisieren.

Das Cover des Programm-Magazins – © ELSG

Link zur Webseite der „Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft“:

http://www.else-lasker-schueler-gesellschaft.de

Kommentare

Neuen Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert