2. Mai 2024

Bayer 04: „Xabi“ Alonso beendet die Fußball-Langeweile 

Was steckt hinter dem Phänomen Bayer 04 Leverkusen, dem neuen Deutschen Fußballmeister?  Antworten auf diese Frage suchten und fanden die Bergischen Sportjournalisten in dieser Woche, und zwar in Gesprächsrunden mit dem Wuppertaler Sportwissenschaftler Dr. Malte Krüger und der Reporter-Legende Béla Réthy, moderiert von ZDF-Reporter Martin Schneider in der „Barmer Brauerei“ an der Rödiger Strasse.

Prominenter Besuch beim Treffen der Bergischen Sportjournalisten: (v.l.) Erdinc Özcan Schulz, Béla Réthy, Malte Krüger, Dieter May, Roderich Trapp, Alexandra Szlagowski und Martin Schneider – © Siegfried Jähne

Der deutsche Fußball wurde zuletzt im internationalen Vergleich als langweilig eingestuft. Kein Wunder, denn der FC Bayern München dominierte die Bundesliga seit ihrer Gründung im Jahre 1963. Seither konnten die Bayern die  Meisterschale 32 mal gewinnen, zuletzt zum elften Mal  in Folge. Béla Réthy: „Die Fußballgemeinschaft ist dankbar, dass diese Serie jetzt in beeindruckender Weise endlich beendet werden konnte“. Zum ersten Male seit 2012 wurde eine andere Mannschaft als der FC Bayern Meister.

Trainer Xabier genannt “ Xabi“ Alonso (Jahrgang 1981) feiert seinen ersten großen Triumph als Profitrainer. Er und sein Team bescherten dem Werksklub nach Jahrzehnten vergeblicher Versuche, nach Pleiten, Tragödien und fünf Vize-Meisterschaften die ersehnte Erlösung.“Vizekusen“ ist endgültig Geschichte. Dabei präsentierte sich die Mannschaft in einer bestechenden Form mit begeisternden, mitreissenden Fußball, der dem Verein sein Negativ-Image als „Plastik-Club ohne Herz“ vergessen machte.

Ballbesitz-Fussball europaweit bewundert

Ein Erfolg, der, wie wir heute wissen, kein Zufall  ist und von vielen Facetten abhängig war. Die Fachwelt staunte, dass das Team gleich 16 der 77 erzielten Tore erst in der Nachspielzeit erzielen konnte. Malte Krüger dazu: „Das ist das Ergebnis einer taktischen Meisterleistung. Unser Spiel ist kraftraubend und so angelegt, dass dem Gegner noch viel mehr abverlangt wird. Am Ende ist das oft spielentscheidend“. Tatsächlich wird europaweit der dominante Ballbesitz-Fußball der Werkself bewundert.

TV-Legende Béla Réthy (l.) mit Malte Krüger – © Siegfried Jähne

Vieles beginnt aber schon mit der Personalauswahl. Hier lassen sich die Bayeraner nicht nur vom Fußballverstand leiten, sondern bedienen sich auch des Sachverstandes professioneller Personalberater, die nach einem klar definierten Anforderungsprofil arbeiten und so eine hohe Passgenauigkeit zur gesuchten Position garantieren.

Bei Bayer 04 hat man bei den Neuzugängen zuletzt den Focus neben den spielerischen Aspekten auf auf die charakterlichen Eigenschaften eines Spielers gelegt, eine wichtige Eigenschaft und beste Voraussetzung für erfolgreiche Teambildung.

Die Wirkung von Xabis messerscharfen Diagonal-Bällen

Und gerade hier dürfte ein entscheidender Schlüssel zum Erfolg liegen. Malte Krüger: „Ich beobachte, wie sich die Spieler untereinander disziplinieren, ohne dass es ein Wort des Coaches „Xabi“ Alonso bedürfte, den Dr. Krüger als einen Sympathieträger mit hoher emotionaler Kontrolle beschreibt.

Der 42jährige Bayer-Coach habe eine überragende Autorität. Der Mann, der schon als Spieler im Weltfußball alles erreichte, macht es seinen „Stars“ auch vor, wie es geht. Alonso trainiert mit den Bayer-Profis – und schlägt reihenweise messerscharfe Diagonal-Bälle.

Der Trainer dürfte der wichtigste Erfolgsfaktor sein. Weltklassespieler „Xabi“ Alonso, liiert mit seiner Jugendliebe Nagore, Vater von zwei Töchtern und einem Sohn, verkörpert Bescheidenheit. Er tritt auf wie ein Mann von Welt, gentlemanlike.

Bestens gelaunt: (v.l.) Malte Krüger, Siegfried Jähne, Béla Réthy und Martin Schneider – © privat

FC Liverpool und Real Madrid, die Champions League, nationale Pokale, etwa drei Meisterschaften mit dem FC Bayern, die wichtigsten Stationen eines Mannes, der 114 mal in der spanischen Nationalmannschaft stand, mit der er 2010 Weltmeister wurde, sowie zwei EM-Titel verleihen dem Spanier Glanz.

Dass bei Bayer die Umsetzung die Athletik nicht zu kurz kommt, dafür sorgt der Wuppertaler Dr. Malte Krüger, der in seiner Eigenschaft als Leiter „Sportwissenschaft und Athletik“ in der Direktion Medizin die körperliche Belastung der Werkself ständig im Auge hat und als Mitglied des Trainerteams laufend Daten sammelt und in täglichen Gesprächsrunden dem Trainer entsprechend Rückmeldung gibt.  Dr. Krüger: „Wir erfassen und werten die  Leistungs- und Belastungsdaten unserer Spieler bei jedem Training aus.

Im Fußball gibt es typische Bewegungsmuster, beispielsweise Läufe mit variierender Geschwindigkeit, Beschleunigungen und Abstopp-Bewegungen, Sprints, Sprünge sowie Richtungswechsel. Die Leistungsdiagnostik erlaubt die Erstellung eines Stärken-Schwächen-Profils. Die Verantwortung für die Umsetzung solcher Erkenntnisse liegt naturgemäß bei Trainer.

Rund 20 Nationalitäten im Kader

Die Kommunikation beherrscht der weltmännische Xabi perfekt, im internationalen Kader von ca. 20 Nationalitäten wird hauptsächlich Englisch gesprochen. Doch für die spanischen Spieler kommt auch mal die Muttersprache zum Zuge. Er setzte aber auch gekonnt seine guten Deutschkenntnisse für die hiesige Medienlandschaft ein und verbessert sich dabei stetig auch in der internen Bayer Kommunikation.

Hoch die Tassen: (v.l.) Béla Réthy, Martin Schneider und Malte Krüger – © Siegfried Jähne

Malte Krüger ist 1982 in Wuppertal geboren und hier auch tief verwurzelt. Er spielte Basketball bei der BG Wuppertal und schwamm recht erfolgreich für Bayer Wuppertal. Wohnhaft ist er mit seiner Familie und zwei Söhnen in Sudberg. Sohn Ruben (11) spielt beim Cronenberger SC in der Jugendmannschaft, gilt als fachkundiger Berater seines Vaters und versäumt auf der Tribüne kein Spiel der Leverkusener.

Malte Krüger ging hier in das Carl-Fuhlrott-Gymnasium am Jung-Stilling-Weg. Aus dieser Zeit stammt auch noch ein bis heute gepflegter, illustren Freundeskreis, dem u.a. auch der bekannte Schauspieler Axel Stein angehört, welcher einst bei Hausmeister Krause in einer RTL-Serie für Furore sorgte..

Und es gibt natürlich noch ein Wuppertaler Element in der Bayer Erfolgsgeschichte: Der Wuppertaler Versicherungskonzern „Barmenia“ ist seit 2016 Haupt- und Trikotsponsor. Der Vertrag, der erst unlängst bis zum Jahre 2028 verlängert wurde, ist im Profisport aussergewöhnlich und gehört sicher zu den Besonderheiten.

Bayer und Barmenia verbindet nicht nur das gemeinsam Gründungsjahr 1904, man spricht von acht Millionen Euro, die Barmenia allein für die Saison 2023/24 hingeblättert habe.

Zm Vergleich: Ein Clip von ca. 30 Sekunden auf einem Fernseh-Privatsender zur Abendzeit nach 20 Uhr würde etwa 60.000 € kosten. Eine Werbung während eines Formel 1 Rennens an einem Sonntag Nachmittag kostet dagegen für die gleiche Länge schon 150.000 €.

Jubel nach einem Bayer-Erfolg: Dr. Malte Krüger (2.v.l.) – © Bayer 04 Leverkusen

Das Gehalt von Xabi Alonso bei Bayer Leverkusen soll 6 Mio. Euro pro Jahr betragen Die Gesamtgehalts-Kosten der Bayer-Mannschaft wurden 2023 mit 82 Mio. € pro Jahr bzw. 1,6 Mio. pro Woche angegeben.

Béla Réthy kommentierte vom Pizza-Karton

Witzige Anekdoten und einen Blick hinter die Kulissen von Profisport und der Medien lieferte an dem Info-Abend Reporter-Legende Béla Réthy (67).

Er war 28 Jahre lang eine prägende Stimme bei Welt- und Europameisterschaften. Als Assistent beim ZDF fungierte bis 2016 neunzehn Jahre lang der Wuppertaler VBS-Präsident Martin Schneider (57). Béla Réthy fühlte sich in seinem Kollegenkreis sichtlich wohl und plauderte auch über Höhen und Tiefen seines 40jährigen Reporterlebens.

Einer der Höhepunkt seiner Laufbahn war das WM-Halbfinalspiel Deutschland-Brasilienspiel 2014 im  Maracanã-Stadion von Rio de Janeiro, das Deutschland mit 7:1 gewann. „Wir führten schon zu Halbzeit 5:0 gegen ein Team, das zwar ohne Weltstar Neymar antreten musste, aber immer noch hoch gehandelt wurde. Innerhalb von nur sechs Minuten schoß das Team von Joachim Löw drei Tore. Da fehlten mir die Worte, was will man da noch sagen?“

Béla Réthy sah die weinenden brasilianischen Fans und habe Probleme mit der Einordnung, wollte einerseits  Hochmut vermeiden und doch der Situation gerecht werden.

An anderer Stelle berichtete er vom Spiel Dänemark gegen Finnland, als bei der Europameisterschaft 2021 der Däne Christian Eriksen mit einem Herzstillstand kollabierte. Unvergessen ist, wie seine Mitspieler den am Boden liegenden Eriksen vor allzu aufdringlichen Kamerablicken abzuschirmen versuchten.

Béla Réthy erzählte spannende Anekdoten aus seinem Reporter-Leben – © Siegfried Jähne

„Was soll man da sagen, tödlich verlaufende Parallelen erklären?“ fragte Béla, der am Mikrophon minutenlang schwieg. Nach bangen Minuten gelang den Rettungskräften die Wiederbelebung unter Einsatz eines Defibrillators. Das Spiel wurde trotz dieses Ereignisses von der UEFA nach Abstimmung mit den Spielern fortgesetzt, was der Reporter unmöglich fand.

Eriksen hatte überlebt, konnte später nach einer Rekonvalenzphase wieder spielen und wechselte im nächsten Jahr noch von Inter Mailand nach England zum FC Brentfort.

Je größer der Druck, desto kälter der Rethy

Eine andre Story handelt von einer Pizza-Karton. Hier hatte er sich mangels Alternative vor dem Spiel auf einen solchen Karton Notizen gemacht, die dann als Grundlage seiner Reportage dienten. Sein Laptop hatte aus technischen Gründen den Dienst versagt. Er selbst nennt sich einen notorischen Zuspätkommer, der unter Druck gut arbeiten kann. “Je größer der Druck, desto kälter der Rethy“, so einer seiner Wahlsprüche.

Für seine Kritiker hatte der lebenslustige Réthy stets eine griffige Antwort: „Man kann es bei einer Übertragung für über 20 Mio. Zuschauern nicht allen recht machen. Wenn da nur 10 Prozent unzufrieden sind, sind das ja schon zwei Millionen Zuschauer. Wichtig, wir müssen Programm für Fussball-Fans, aber auch für Laien machen“.

Der 1956 in Wien geborene Béla Réthy, Sohn ungarischer Eltern, lebte zunächst in São Paulo, kam aber als 12jähriger wieder allein nach Europa zurück, wo er im Rhein-Main-Gebiet im Internat aufwuchs und später in Mainz studierte. Um sein Taschengeld aufzubessern, arbeitete er einst als Taxifahrer und im Sportarchiv beim ZDF. Er spricht heute sechs Sprachen und ist Vater zweier Kinder.

Klopp und Rethy demnächst ein Team?

Der Reporter mit Leidenschaft beendete nach der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar seine Karriere als Kommentator. Zur Europameisterschaft in Deutschland kehrt der 67-jährige Ex-ZDF-Mann aber überraschend ans Mikrofon zurück. Réthy wird Teil des Teams von „Magenta TV“ sein. „Aber ich mache nur noch gelegentlich etwas“, verriet er uns.

Man darf aber dennoch davon ausgehen, von ihm noch öfters zu hören. Schließlich wird schon bald eine andere „Legende“ sein Nachbar sein: Jürgen Klopp zieht nämlich von Liverpool wieder nach Wiesbaden, wo auch Béla zu Hause ist. Für ausreichenden Gesprächsstoff dürfte da für beide gesorgt sein.

Text: Siegfried Jähne

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