3. Januar 2024

Architekt & Künstler Shary Azhdari: Ein märchenhafter Aufstieg

Das Leben schreibt manchmal Geschichten, die wie ein Märchen klingen. Eine davon ist die von Azadeh und Sharyar Azhdari. Beide stammen aus dem Iran und haben sich erst in Deutschland kennen und lieben gelernt. Heute sind sie ein sehr erfolgreiches Architekten-Duo und nutzen eine attraktive 600-qm-Location in der Essener Lindengalerie als Architekturbüro, Atelier und Galerie.

Zwei erfolgreiche Männer: Der Architekt und Künstler Shary Azhdari (r.) und der durchs Fernsehen bekannte Unternehmer Robert Geiss – © Azadeh Azhdari

Sharyar – kurz Shary – ist inzwischen nicht nur als Architekt, sondern auch als gefragter Pop-Art- und Street-Art-Künstler erfolgreich durchgestartet. Und das alles ist kein Märchen, sondern Realität.

Die Geschichte von vorne: Sharys Vater hatte in Teheran an Demonstrationen gegen das Regime teilgenommen und wurde deshalb vom Regime verfolgt. „Es gibt noch ein Foto, das mich während einer Demo auf dem Rücken meines Vaters zeigt. Mein Dad wäre garantiert im Gefängnis gelandet. Also entschloss er sich zur Flucht“, erinnert sich Shary Azhdari (46).

Als Achtjähriger kam er 1986 mit seinen Eltern und vier Geschwistern auf Umwegen über die Türkei nach  Deutschland. Die Familie landete zunächst in Karlsruhe in einem Asylantenheim, in dem katastrophale Verhältnisse herrschten.

Eigentlich sollte die Bundesrepublik ohnehin nur eine Durchgangsstation sein. Geplant hatten die Azhdaris, weiter nach Amerika zu reisen, weil sie dort Freunde und Bekannte hatten. Shary: „Dann hörte mein Vater aber, dass es in den USA Unruhen gab. Kurzentschlossen stellte er deshalb einen Asylantrag in Deutschland.“

Die gefragte Architektin Azadeh Azhdari an ihrem Arbeitsplatz – © S-Art infinity

Schon zwei Monate später war für die siebenköpfige Familie die Zeit im tristen Karlsruher Asylantenheim Vergangenheit, wo sie auf engsten Raum zusammengepfercht wohnen musste. Die Gemeinde Baiersbronn in Baden-Württemberg erklärte sich bereit, die Azhdaris aufzunehmen. Und dort wurden Shary &  Co. mit offenen Armen empfangen.

Er ist den Menschen in Baiersbronn noch heute dankbar: „Wir bekamen eine tolle Wohnung zugewiesen. Die 2. Bürgermeisterin überreichte uns symbolisch den Stadtschlüssel. Der Pfarrer und viele Nachbarn brachten fast täglich Geschenkpakete vorbei.“

Also das glückliche Ende einer langen Odyssee? Von wegen! Denn plötzlich kam Post von der Ausländerbehörde. Der Inhalt war niederschmetternd: Sharys Vater wurde als Verfolgter des Mullah-Regimes Asyl gewährt.

Pop-Art-Künstler Shary Azhdari in seinem Atelier – © Paul Coon

Der Mutter, die sich nie an Demonstrationen gegen die autokratischen Religionsführer beteiligt hatte, wurde dieses Grundrecht nicht zugestanden. Die Begründung: Sie wäre keine politisch Verfolgte, hätte deshalb kein Recht auf Asyl und müsse Deutschland wieder verlassen. Und mit ihr die fünf Kinder.

Shary Azhdari: “Panik machte sich breit: Wir wollte natürlich nicht zurück in den Iran und mein Vater war verzweifelt, uns zu verlieren und er befürchtete, wir wären im Iran nicht sicher. Doch dann kam unserem Betreuer, ein Mann namens Kull, der uns in Baiersbronn super unterstützt hatte, die rettende Idee. Er riet uns: ‚Geht nach NRW und stellt dort einen neuen Asyl-Antrag, da wird das Asylrecht wesentlich großzügiger und liberaler ausgelegt als in Baden-Württemberg.“

Ein Super-Tipp! Und so landeten die Azhdaris im Ruhrpott. „Ich bin in Essen-Altenessen direkt neben der Zeche Zollverein aufgewachsen. Das hat mich geprägt. Bergleute haben mich mit ihrer ehrlichen Kameradschaft, ihrer Herzlichkeit und Freundschaft immer begeistert“, zeigt sich Shary bodenständig. Noch heute wohnt er mit seiner Familie ganz bewusst in Essen-Altenessen, was nicht unbedingt zu den allerbesten Adressen in der Ruhr-Metropole zählt.

Shary Azhdari vor einigen seiner Werke in seiner Galerie in der Essener City – © Paul Coon

Shary, der im Iran drei Jahre zur Schule gegangen war, besuchte jetzt die Hauptschule, später das Gymnasium. Er gibt zu: „Ich war zunächst kein guter Schüler, sondern habe mich mehr schlecht als recht durchgewurschtelt. Erst als die Lehrer meine kreativen Fähigkeiten anerkannten, bekam ich einen Leistungs-Schub.“

Sharys Vater gründete ein Taxi-Unternehmen. Auch seinem Sohn traute er unternehmerisches Talent zu. Als dieser gerade einmal (17) Jahre alt war, schenkte er ihm einen Kiosk im Essener Norden. Morgens ging Shary zur Schule, nachmittags stand er hinter der Theke seiner Trinkhalle, verkaufte Zeitungen, Zeitschriften, Getränke, Süßigkeiten, Zigaretten und vieles mehr. Und das sieben Tage in der Woche.

„Ich habe damals schon im Monat rund 37.000 DM Umsatz gemacht. Und in der Schule waren mein Kiosk und ich Gesprächsthema Nummer eins“, erzählt der ehemalige Jung-Unternehmer stolz.

Auch diesen Tisch hat Shary Azhdari gestalte und so zu einem künstlerischen Unikat gemacht – © Paul Coon

Nach dem Abitur verkaufte er dann seinen kleinen Laden, was er heute noch bereut. Stattdessen stieg er in das Taxiunternehmen seines Vaters ein, übernahm das Geschäft später ganz. Nebenbei studierte er Bauingenieurwesen an der Uni Bochum. Eine Entscheidung aus hohlem Bauch!

Denn das Studium machte ihm keinen Spaß. Er war auf dem Weg, ein ewiger Student zu werden. Und auch sein Taxi-Unternehmen fuhr an die Wand. Probleme mit dem Finanzamt, Steuerschulden. Shary Azhdari erkannte schmerzlich: „Man findet in dem Gewerbe einfach keine Mitarbeiter, die sich offiziell anstellen lassen wollen.“ Tricksereien kam die Steuerbehörde schnell auf der Spur.

Shary Azhdari verkaufte sein Taxi-Unternehmen mit hohem Verlust, hielt sich in der Folge u.a. als Tellerwäscher in einem Restaurant und als Leiter eines mobilen Werbe-Teams, das sich auf Präsentationen in Diskotheken spezialisiert hatte, über Wasser.

Azadeh und Shary Azhdari mit der durch TV-Reality-Shows bekannten Unternehmerin Claudia Obert im Nobel-Beach-Club „Coco Beach“ auf Iibza- © privat

Shary blieb auch jetzt optimistisch und gelassen: „Der Vorteil war, dass ich durch den Werbe-Job jetzt sogar in die Discos hinein durfte. Vorher war wegen meines südländischen Aussehens beim Türsteher immer schon Endstation gewesen.“

Doch dann 2007 die große Wende in seinem Leben. Dem frustrierten Bauingenieurwesen-Studenten Shary Azhdari lief in der Uni Bochum per Zufall Azadeh über den Weg. Sie schrieb gerade an der Fachhochschule (FA), die direkt neben der Uni liegt, ihre Diplom-Arbeit als Ingenieurin für Architektur. „Auf den ersten Blick wusste ich: Das ist meine Traumfrau und meine große Liebe“, schwärmt Shary noch heute.

Auch Azadeh hatte das Schicksal ins Ruhrgebiet geführt. Ihr Vater hatten mit seinen Bruder nach Deutschland begleitet, weil dieser hier seine Krebserkrankung behandeln lasse wollte. Währenddessen kam seine Ehefrau und Azadehs Mutter Pari zuhause im Iran bei einer Überschwemmung ganz plötzlich auf tragische Weise ums Leben. Ein schwerer Schlag für den Vater und seine Tochter. Es gelang ihm aber, seine Azadeh im Rahmen der Familienzusammenführung nach Deutschland zu holen.

Shary Azhdari mit Werken, die Comic-Figuren zeigen, die er selbst entwickelt hat – © Paul Coon

Hier angekommen verlor die damals 16jährige auch noch ihren krebskranken Onkel, den die Ärzte nicht mehr retten konnten. Azadeh ergriff ihre Chance beim Schopfe, integrierte sich trotz der Schicksalsschläge sehr schnell, lernte in Windeseile Deutsch und machte in Bochum ihr Fachabitur, um danach an der FH Bochum (heute Hochschule)  Architektur zu studieren. Sie schloss das Studium als Diplom-Ingenieurin ab.

Nach der Begegnung mit Azadeh brach Shary sein ungeliebtes Bauingenieurwesen-Studium ab und studierte stattdessen an der FH Architektur. Beruflich gingen Azadeh und Shary nach Abschluss ihres Studiums zunächst getrennte Wege. Sie wickelte für die Firma Osterland Aufträge für Wohnungsbauunternehmen wie Vonovia und Allbau ab.

Er baute für das Architektur-Büro Krieger in Velbert, das auf den Bau von öffentlichen Schwimmbädern spezialisiert war, Schwimmbäder in verschiedenen großen Städten. Und sein Chef half ihm zudem noch beim Abbau der Schulden aus alten Taxi-Unternehmens-Zeiten.

Shary Azhdari mit TV-Promi Carmen Geiss – © Azadeh Azhdari

Seit 2020 arbeiten Shary und Azadeh als Architekten-Team erfolgreich auf eigene Rechnung. Und auch Sharys zweite Karriere als Pop-Art- und Street-Art-Künstler nahm richtig Fahrt auf. Eine kreative Ader hatte er schon immer. Die Flyer und Visitenkarten für seinen Kiosk oder sein Taxi-Unternehmen gestaltete er stets selbst. Ab 2009 schuf er für Freunde und Bekannte seine ersten kleinen Kunstwerke.

Am Anfang seiner Künstler-Karriere schnitt Shary die Figuren für seine Collagen aus Zeitschriften und Plakaten aus. Heute erstellt er seine Schablonen mit Hilfe des Computer-Grafik-Programms „Photoshop“: „Berühmte Pop-Art-Künstler Andy Warhol oder Roy Lichtenstein haben früher für ihre Arbeiten Siebdruck benutzt. Ich bin mir sicher, heute würden Sie auch sie auch mit ‚Photoshop‘ arbeiten“, ist der Künstler überzeugt, der sich eigentlich gar nicht als Künstler sieht.

Shary Azhdaris Bilder entstehen in mehreren Schichten. Seine Motive bringt er mit Schablonen auf die Leinwand oder andere Hintergründe. Danach kommen Spraydosen, Öl- und Acrylfarben, Spachtel und Pinsel zum Einsatz. So entstehen echte Hingucker. Wegen der Trocknungsprozesse dauert es manchmal 14 Tage, bis ein Werk fertig ist.

Azadeh Azhdari im Dirndl mit Robert Geiss beim Oktoberfest – © Shary Azhdari

Seine Motive sind sehr plakativ und bestechen durch ihre positive, lebensbejahende Präsenz: Walt Disney-Charaktere wie Micky Mouse, Donald Duck oder Dagobert Duck stehen für ihn in unterschiedlichsten Posen quasi Modell. Aber auch Persönlichkeiten der Show-Szene wie Jimi Hendrix, Bud Spencer, Terence Hill, Marilyn Monroe oder Jim Morrison verewigt er immer wieder auf seine typische S-Art.

„Meine Kindheit und meine Jugend haben Figuren begleitet, die mir ans Herz gewachsen sind. Diese Helden stehen jetzt im Mittelpunkt meiner Bilder. Mit ihnen möchte ich dazu beitragen, Werte zu vermitteln wie Liebe, Freundschaft, Familien und Kameradschaft“, erklärt Künstler Shary seine Philosophie.

Die Bilder verkauft er mittlerweile weltweit. Werke von ihm schmücken beispielsweise die Wände alle Villen und Penthouse-Wohnungen des durch TV-Shows bekannten Millionärs-Ehepaars Robert und Carmen Geiss – von Saint Tropez bis New York. Mit dem Unternehmer und Gründer des Sportmode-Labels „Uncle Sam“ ist Shary Azhdari sogar eine strategische Allianz eingegangen. Die Geissens verkaufen Sharys Bilder in ihrem illustren Freundes- und Bekannten-Kreis. Wer den Geschäftssinn von Robert Geiss kennt, der weiß: Eine Win:Win-Situation aus dem Bilderbuch!

Verstehen sich gut: Die Architektin und Dipl.-Ingenieurin Azadeh Azhdari (l.) und Carmen Geiss – © Shary Azhdari

Im Nobel-Beach-Club „Coco Beach“ auf Ibiza, der Insel der Schönen und Reichen, hatte der Wahl-Essener die ganze Saison 2023 über Bilder und Skulpturen ausgestellt. Auch 2024 steht Shary Azhdari mit seinen ansprechenden, farbenfrohen Collagen am berühmten Strand Playa d’en Bossa wieder auf der Sonnenseite.

Und nicht zuletzt haben die Kunst- und Kultur-Events in „S-Art infinity“, der Galerie von Azadeh und Shary Azhdari in der Essener Lindengalerie, in der Gesellschaft der Ruhr-Metropole und weit darüber hinaus inzwischen Kult-Charakter. Bei diesen „S-Art-Galas“ stehen auch die beiden Töchter Pari (17) und Pania (11) als Vertreterinnen der nächsten Generation in der ersten Reihe.

Keine Frage: Das Märchen der Azhdaris hat ein Happy-end. Für Shary und Azadeh ist Deutschland längst zur echten Heimat geworden. Für die Töchter sowieso. Ein wenig wehmütig macht es sie dennoch, dass sie das Land, in dem sie geboren wurden, wohl nie wieder besuchen können. Zumindest solange die Mullahs an der Macht sind!

Glücklich und zufrieden: Azadeh und Shary Azhdari beim Closing 2023 des Coco-Beach-Clubs auf Ibiza – © privat

Schließlich ist auch ein Mitglied von Sharys Familie zum Opfer der Willkür des herrschenden Mullah-Regimes geworden: „Man kann im Iran heute ganz plötzlich und ohne Angaben von Gründen im Gefängnis landen. Eine Tante von mir ist in Teheran im Kerker sogar umgebracht worden. Und das, weil sie auf die Frage, ob sie für oder gegen Chomeini sei, geantwortet hat: ‚Ich bin für Gott‘.“

Azadeh und Shary sind gebürtige Muslime, haben dem Glaubenaber abgeschworen. Der Künstler: „Ich glaube an keinen Gott, teile aber die christlichen Werte. Und wenn ich mit meinen Bildern anderen Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann, dann macht mich das glücklich.“

Text: PETER PIONKE

Link zur Webseite von „S-ART infinity“:

http://www.s-art-infinity.de

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