22. Oktober 2023

Wie die Faszination „Fussball“ zum Türöffner werden kann

Klima-Aktivistin Greta Thunberg ist stolz darauf, dem Autismus Spektrum zuzugehören. „Ich sehe die Welt etwas anders, aus einer anderen Perspektive“, beschrieb sie einst ihr Krankheitsbild in der „The New Yorker“. Nicht alle Betroffenen können mit psychischen Störungen oder gar Behinderungen so souverän umgehen, wie die Schwedin.

Faszination Fussball: WSV-Torhüter Sebastian Patzler feiert mit den Fans den Pokalsieg über RWE – © Archivfoto Jochen Classen

Das Thema „Inklusion im Sport“ stand im Mittelpunkt der diesjährigen Fußballkulturtage NRW mit dem Ziel einer Teilhabe für behinderte Menschen.

Mit den Fussball-Kulturtagen NRW geben die Fanprojekte Themen eine Öffentlichkeit, die ansonsten in der Wahrnehmung um den professionellen Fußball eher unterrepräsentiert sind. Diskriminierung in all seinen negativen Erscheinungsformen. Das Motto lautete: „Im Fußball steckt viel Kultur – und in der Kultur auch jede Menge Fußball“. Wie zahlreiche andere Fußballvereine nutzte auch das Fanprojekt Wuppertal die Länderspielpause im Herbst (die DFB-Elf gewann beim Nagelsmann-Debüt  gegen die USA 3:1), um auf gesellschaftliche Probleme aufmerksam zu machen.

Die aufwendige Suche nach dem Lieblingsverein

Das Fanprojekt Wuppertal wählte das REX Kino in Wuppertal-Elberfeld für seine Präsentation aus und zeigte vor einer Podiumsdiskusion den aktuellen Kino-Film „Die Wochenendrebellen“ von Marc Rothemund. Der Film orientiert sich an der wahren Geschichte von Jason und Mirco von Juterczenka. Als dem zehnjährigen autistischen Jason ein Wechsel auf eine Förderschule nahegelegt wird, möchten seine Eltern alles tun, um ihn an seiner Schule zu halten.

Jason hat die Idee, Fußballfan zu werden, um endlich besser mitreden zu können. Dafür muss allerdings noch ein Lieblingsverein her. Um den zu ermitteln erwartet Jason, dass sein Vater ihn zu allen 56 Vereinen der drei Bundesligen begleitet. Auf den folgenden Wochenendtrips lernen sich allerdings auch Vater und Sohn noch einmal neu kennen. Mit liebevoller Ironie, ohne erhobenen Zeigefinger oder rosarote Brille erzählt der Film von der Reise.

Fussball Kulturtage von links Alexandra Szlagowski, Conny Dietz, Thomas Richter, Niklas, Tamara Haensell Gouveia und die Übersetzerin in Gebärdensprache. Foto Siegfried Jähne

Die Filmadoption sieht in den Hauptrollen Florian David Fitz als Vater und Cecilio Andresen als Sohn Mirco und  erzählt von den besonderen Herausforderungen, die ein Stadionerlebnis bei den speziellen Anforderungen von Jason mitbringt, aber auch wie der Autismus ein ganzes Familienleben verändert. Dabei vergisst der Film nicht die Besonderheit des Fußballs hervorzuheben und spart auch nicht mit unterhaltsamen Anekdoten. Dabei heraus kam eine sehenswerte Tragikomödie, die zum Nachdenken anregt und den ein oder anderen Blickwinkel auf einen Stadionbesuch hervorbringt, den man so noch nicht hatte.

Cecilio Andresen vor einer ganz grossen Karriere?

Sehenswert die Aufnahmen in verschiedenen Sportarenen, die die fesselnde Stadionatmosphäre bei diesen Großveranstaltungen eindrucksvoll wiedergeben. Die schauspielerische Darstellung des jungen Cecilio Andresen (Jahrgang 2011) gehört zu den Highlights des Filmes. Filmkritiker sehen den Berliner Jungen schon auf dem Weg zum deutschen Schauspiel-Star (Berliner Kurier). Der echte Jason und sein Vater Mirco haben in dem Streifen übrigens eine Gastrolle.

Bei der Podiumsdiskussion gab Tamara Haensell Gouveia als Vertreterin der Bundes-Behinderten-Fan-Arbeits-Gemeinschaft (BBAG) den Anwesenden zunächst einen Überblick über deren Ziele und verschiedenen Aktivitäten. Hier geht es zum Beispiel um die Neuvergabe von medialen Verwertungsrechte der audio deskriptiver (beschreibende) Reportagen für blinde und stark seheingeschränkte Zuschauer der ersten und zweiten Bundesliga. Oft sind Barrierefreiheiten im Focus.

Zum Thema Autismus merkte die BBAG-Vertreterin an, dass es sich hierbei oft um sozial auffällige, gefühlskalt, hochbegabte Betroffene handele. Neben Greta Thunberg seien bereits Albert Einstein und Wolfgang Amadeus Mozart mit dieser Krankheit im Verbindung gebracht worden. Wissenschaftliche Untersuchungen in Deutschland sind nicht bekannt. Man geht aber inzwischen davon aus, dass weltweit mindestens 1 v.H. der Bevölkerung mit zunehmender Tendenz im Autismus Spektrum ist. Bei Jungen tritt Autismus viermal häufiger auf als bei Mädchen.

Den Standort Wuppertal vertrat das Vorstandsmitglied des Wuppertaler Sportvereins Thomas Richter sowie Alexandra Szlagowski, Geschäftsführerin des Sport – und Bäderamts Wuppertal, den Standort Wuppertals auf dem Podium. Außerdem waren Connie Dietz, mehrfache Paralympics-Teilnehmerin und SV Werder Bremen-Fan Niklas zu Gast. Beide haben als gehandicapte Menschen schon mehrfach Erfahrungen mit Inklusion, aber natürlich auch mit Barrieren im Sport gemacht und konnten darüber berichten. Während Dietz durch die Krankheit Albinismus nur noch etwa zwei Prozent Sehkraft bleibt, war Niklas nach einem Unfall mehrere Jahre an einen Rollstuhl gebunden. Dennoch sind beide Dauerkarteninhaber bei ihren Lieblingsvereinen Borussia Dortmund, respektive Werder Bremen. Niklas hatte sich darüber hinaus, als „Groundhopper“ (Personen, die von Fußballstadion zu Fußballstadion eilen) einen Namen gemacht.

WSV-Sport-Vorstand Thomas Richter – © Otto Krschak

Conny Dietz war bei den Paraolympischen Spielen 2008 in Peking Fahnenträgerin des deutschen Teams. Sie berichtete von ihrem Engagement für Menschen mit Behinderung, die sich trotz aller Widrigkeiten den Stadionbesuch nicht nehmen lassen wollen. Bei den  Inklusionsprojekten der Fanszene von Borussia Dortmund spielt sie eine wichtige Rolle. Sie äußerte sich überwiegend positiv zu den Fortschritten, die Vereine und Stadien in den letzten Jahren gemacht haben, um Menschen wie ihr, den Stadionbesuch zu ermöglichen. Im Dortmunder Stadion habe sich das Angebot an barrierefreien Plätzen in den letzten Jahren vervielfacht. Groundhopper Niklas, der inzwischen nicht mehr im Rollstuhl sitzt, wies hingegen auf das in seinen Augen noch bestehende Verbesserungspotenzial in den von ihm besuchten Sportarenen hin.

Situation im Stadion am Zoo sei ausbaufähig

Dabei ging es ihm vor allem um bessere Parkmöglichkeiten und kürzere Wege für gehandicapte Menschen. Da der Werder Bremen-Fan auch schon das Wuppertaler Stadion am Zoo besucht hatte, beschrieb er seine Erfahrung mit den so genannten Rolli-Plätzen in der Spielstätte des WSV als ausbaufähig. Diese Kritik nahmen WSV-Vorstand Richter und Szlagowski, als Vertreterin der Stadt, an. Man prüfe nun die Bedingungen bei den Rollstuhl-Plätzen im Stadion zu verbessern, in erster Linie geht es darum den sichteinschränkenden Zaun zu mindestens niedriger zu gestalten.

Abschließend ließ sich feststellen, dass Inklusion, nicht nur in den Fußballstadien, sondern auch in allen Sportstätten eine immer größere Rolle spielt.  Alexandra Szlagowski betonte in ihrem Fazit, dass jede neue Erfahrung mit den verschiedensten Formen von Handicaps und Behinderungen immer wieder neue Blickwinkel auf die Dinge mit sich bringe und zu weiterem Verbesserungspotenzial beim Thema Inklusion anregt.

Text: Siegfried Jähne und Fabian Breuer

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