6. Juni 2023

Papiertheater: In Remscheid zu Hause – weltweit zu Gast

Sie kommen gerade aus Barcelona, und ihre Bühne gehört zum Kulturerbe der Unesco. Das Themenspektrum des Papiertheaters reicht vom Märchen über Jules Vernes „In 80 Tagen um die Welt“ bis zur Wupper. Und alles passt in einen großen Koffer, mit dem das Ehepaar Haase auch auf Tournee geht. Der Schwerpunkt liegt aber bei den „Heimspielen“ in Remscheid.

Martin und Sieglinde Haase, die Betreiber des Remscheider Papiertheaters – © Haases Papiertheater

Im Interview mit der STADTZEITUNG gewähren Martin und Sieglinde Haase einen Blick hinter die Kulissen ihres außergewöhnlichen Theaters.

DS: Wie sind Sie dazu gekommen, ein Papiertheater aufzubauen – Otto Normalverbraucher weiß ja schon mit dem Begriff nichts anzufangen?

Sieglinde Haase: „Wir haben 1997 in einem privaten Spielzeugmuseum am Bodensee ein historisches Papiertheater entdeckt und waren begeistert, als wir begriffen, dass es sich nicht um ein Spielzeug, sondern um ein richtiges Theater aus dem 19. Jahrhundert handelte – wenn auch in sehr kleinem Maßstab. Da Martin bereits Laienspieltheatererfahrung hatte und auch ein begeisterter Modellbauer war, sah er darin eine ideale Synthese aus beiden Bereichen. Außerdem merkten wir, dass sich beim Papiertheater alle Möglichkeiten bieten, sich kreativ zu entfalten. Zunächst spielten wir Papiertheater nur im privaten Rahmen, aber als wir merkten, wie begeistert die Reaktionen des Publikums waren, wurden wir ermutigt, auch für die Öffentlichkeit zu spielen.“

Das Plakat des Gastspieles in Barcelona (Spanien) – © Haases Papiertheater

DS: Wer besucht Sie hier in Remscheid an der Grenze zu Wuppertal? Wo kommen die Gäste her?

Martin Haase: „Da der „Remscheider General-Anzeiger“ häufig über unsere Aktivitäten berichtet, kommen die meisten Besucher aus Remscheid. Viele Gäste kommen mehrmals wieder und bringen weitere Zuschauer mit, Freunde oder Kollegen mit – das klassische (Schneeballsystem. So kommen auch Besucher aus Wuppertal und Solingen. Nach der Anerkennung als Kulturerbe berichteten auch überregionale Zeitungen über uns. Ich nenne jetzt mal den „Kölner Stadtanzeiger“, „Die Zeit“, die „Süddeutsche Zeitung“, aber auch die WDR-Lokalzeit und Radio RSG. Wir hatten mittlerweile auch Gäste aus verschiedenen Städten Deutschlands. Kürzlich kam eine Berlinerin zu uns, die eigens für das Papiertheater anreiste.“

DS: Kulturerbe: Meinen Sie das Unesco-Verzeichnis?

Martin Haase: „Das meine ich. Auf Initiative von Sieglinde Haase hat die Deutsche Unesco-Kommission das Papiertheater am 19. März 2021 zum Immateriellen Kulturerbe erklärt und in das entsprechende bundesdeutsche Verzeichnis aufgenommen. Die Bewerbung hat sie mit Mitstreitern aus der Papiertheaterszene verfasst und im Oktober 2019 eingereicht. Es handelte sich um ein umfangreiches Bewerbungsverfahren mit vielen Fragen und Themenbereichen. Dazu hat sie zwei Begleitschreiben von sachkundigen und unabhängigen Gutachtern beifügen können. Die Anerkennung ist eine ganz besondere Wertschätzung für diese wunderbare Kulturform und für alle Menschen in Deutschland, die das Papiertheater ausüben und weiterentwickeln.“

Die Spielstätte von Haases Papiertheater mit der Bühne – © Haases Papiertheater

DS: Wie kommt man auf das einzelne Stück – Sie bedienen ja ein breites Spektrum an Themen?

Sieglinde Haase: „Angefangen haben wir mit traditionellen Papiertheaterstücken, wie dem „Gestiefelten Kater“ oder „Hänsel und Gretel“. Danach folgten eigene Bearbeitungen nach größeren Vorlagen wie Jule Vernes „Reise um die Erde in 80 Tagen“. Ansonsten machen wir alles, was uns interessiert, zunächst einmal ohne Rücksicht auf den Publikumsgeschmack. Dann haben wir aber auch gemerkt, woran das Publikum hier im Bergischen besonders interessiert ist: nämlich an Geschichten über unsere Region. Gleichzeitig nutzen wir die Möglichkeit, auf dem größten internationalen Papiertheatertreffen in Preetz bei Kiel aufzutreten. Dort versuchen wir, mit besonderen Inszenierungen das Interesse des internationalen Publikums zu wecken.“

DS: Gibt es noch mehr Papiertheater in Deutschland, und sind sie miteinander vernetzt?

Martin Haase: „Es gibt noch weitere Bühnen, wobei sie aber nur selten über ein eigenes Theater vielleicht sogar mit angeschlossenem Museum verfügen. Mit den anderen Bühnen treffen wir uns anlässlich verschiedener Festivals. Die meisten Spieler kennen wir auch persönlich. Es gibt einen Papiertheaterverein, in dem Sieglinde mehrere Jahre die Vorsitzende war.“ 

Detektiv Sherlock Holmes auf der Bühne des Papiertheaters – © Haases Papiertheater

DS: Man kennt Ihr Papiertheater auch im Ausland: Wo waren Sie schon, und wo geht es demnächst hin?

Sieglinde Haase: „Durch das internationale Festival bekamen wir persönliche Kontakte zu Spielern aus aller Welt, und daraus ergaben sich unsere Gastspiele im Ausland. In England waren wir schon zweimal (in London, Leicester, Ramsgate und Slough). Dort haben wir die englische Fassung unserer Stücke gespielt. Wir waren auch schon auf Festivals in Holland, Österreich und der Schweiz. Die Kontakte zu einem katalanischen Papiertheatersammler brachte uns auf die Idee, das Stück „Sieben Brücken“ in verschiedenen Sprachfassungen zu produzieren. Mittlerweile gibt es eine griechische, italienische, ukrainische, französische, dänische, katalanische, türkische und selbstverständlich auch eine deutsche Fassung. Die Bühne und sämtliche Dekorationen passen in einen Koffer. Die Premiere des Reisetheaters fand gerade mit großem Erfolg in Barcelona statt.“

DS: Welche Zuschauerinnen und Zuschauer sind Ihnen die liebsten?

Martin Haase: „Uns ist jede und jeder willkommen. Das Medium eignet sich für alle Menschen ab vier Jahren. Am liebsten sind uns Zuschauer, die neugierig, offen und begeisterungsfähig sind und die sich auf ein nostalgisch anmutendes Vergnügen einlassen können.“

Die Müngstener Brücke als Kulisse des Papiertheaters – © Haases Papiertheater

DS: Kann man Ihre Räumlichkeiten barrierefrei nutzen?

Sieglinde Haase: Ja, zwei Stufen können mit einer mobilen Rampe überbrückt werden, sodass auch schon Rollstuhlfahrer bei uns im Theater waren. Die Toilette und ein Teil des Museums sind allerdings nicht barrierefrei. Auch unser kultiges Theater im Stil der 1950er-Jahre unter dem Dach ist leider nicht barrierefrei.

DS: Kultiges Theater im Stil der 1950er-Jahre?

Sieglinde Haase: Tatsächlich, auf unserem Dachboden gibt es einen zweiten Theaterraum. Er ist zwar recht klein und bietet Platz für nur acht Besucher, dafür ist er sehr gemütlich und im Stil der 50er Jahre eingerichtet. Der absolute Blickfang ist eine wunderschöne Bar in Tütenform sowie Nierentischchen mit Cocktailsesseln. 

Das Interview führte DR: MATTHIAS DOHMEN

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