4. Dezember 2021

Frank Elstner: Karlheinz Böhm und die Wette meines Lebens

Es war einer der beeindruckensten Augenblicke im deutschen Fernsehen und ein historisches Ereignis in der 40-jährigen Geschichte von „Wetten dass..?". Als Star-Gast von Europas erfolgreichster TV-Show wettete der Schauspieler Karlheinz Böhm (damals 53), dass nicht einmal ein Drittel der TV-Zuschauer für hungernde Menschen in Afrika spenden würden. 

Karlheinz Böhm: Herzliche Begrüßung – © Stiftung Menschen für Menschen

Es war die Geburtsstunde der Stiftung „Menschen für Menschen“, die Böhm wenig später gründete und mit der er bis zu seinem Tod am 29. Mai 2014 gegen das Leid und den Hunger in Äthiopien kämpfte.

In diesem Samstag (20.11.) findet die große „Menschen für Menschen“-Gala zum 40jährige Jubiläum der Stiftung in München moderiert von Dunja Hayali statt. Zu sehen um 20:15 Uhr live bei #dabeiTV (MagentaTV) oder kostenlos als Livestream auf http://menschenfuermenschen.tv

TV-Legende Frank Elstner (79) war vor 40 Jahren Moderator der Show „Wetten dass..?, die an diesem Abend Fernseh-Geschichte schrieb. Im Interview spricht der Erfinder der Erfolgs-Show über den ungewöhnlichsten Augenblick seiner großen Karriere.

DS: Erinnern Sie sich noch an den Abend des 16. Mai 1981?

Frank Elstner: „Das war ein sehr wichtiger Abend in meinem Leben. Wie wichtig er werden sollte, das hat sich erst später herausgestellt. Denn an diesem Abend – es war erst die dritte Sendung von „Wetten dass.?“– hat Karlheinz Böhm etwas gemacht, womit keiner gerechnet und was uns alle überrascht hat. Er hat in Deutschland einen Aufruf im Fernsehen gemacht, dass man den Millionen hungernden Menschen in der Sahelzone endlich helfen muss.“

TV-Legende Frank Elstner (r.) in der Talkshow „Begegnungen“ mit  Peter Maffay – © Wolfgang Köhler

DS: Karlheinz Böhm damals vor einem Millionen-Publikum: „Ich wette, dass nicht einmal jeder dritte Zuschauer eine Mark, einen Franken oder sieben Schilling für Menschen in der Sahelzone spendet.“ Wie ist die Wette ausgegangen?

Frank Elstner: „1,2 Millionen D-Mark kamen an diesem Abend zusammen. Ein stolzes Ergebnis, mit dem die Wette allerdings verloren war. Und dennoch war es die wichtigste Wette in der Geschichte von „Wetten dass..?. So wurde vor 40 Jahren der Grundstein für die Stiftung „Menschen für Menschen“ gelegt. Deswegen sage ich heute noch: Die wichtigste von mehr als 2.000 Wetten bei „Wetten dass..?“ war die von Karlheinz Böhm.“

DS: Wussten Sie vor der Sendung von seiner Wett-Idee?

Frank Elstner: „Nein – so genau nicht. Er deutete mir vorher nur an, dass er etwas für einen guten Zweck machen wolle. Ich habe dann zu ihm gesagt: ‚Mache es, aber nicht zu lang‘. Ich freue mich noch immer, dass er uns da brutal an die Wand gesprochen hat. Als er dann zu predigen begann und ich in sein ernstes Gesicht sah, wusste ich, dass es jetzt eine ernste Geschichte wird. Er sagte, man solle das Geld für die Sahelzone einfach an die jeweiligen Bundespräsidenten von Deutschland, Österreich und der Schweiz schicken.“

Äthiopische Kinder lernen in der von der Stiftung gegründete Schule für ihr Leben – © Rainer Kwiotek – Stiftung Menschen für Menschen

DS: Dachten Sie irgendwann: So ein ernstes Thema hat nichts in einer Unterhaltungssendung zu suchen?

Frank Elstner: „Den Augenblick gab es natürlich. Mit dem Beginn seiner Predigt habe ich schon einen Schreck bekommen und auf die Uhr geguckt. Ich hatte Angst, dass irgendwelche Verwaltungshengste beim ZDF sagen: Um Gottes Willen, wie kann man so eine wichtige Geschichte ohne vorherige Absprache in eine Samstagabend-Sendung packen. Heute aber leben sechs Millionen Menschen von seiner guten Idee. Glücklicherweise hat es ein gutes Ende gefunden.“

DS: Sind Sie Karlheinz Böhm danach noch einmal begegnet?

Frank Elstner: „Ich habe mit Neugier darauf geschaut, was Karlheinz daraus gemacht hat. Ich habe ihn dann zweimal in Äthiopien besucht und einen Film über seine Arbeit gedreht. Dabei wurde mir klar: Dieser Mann hat Dinge geleistet, zu denen ich nicht fähig gewesen wäre.“ 

DS: Bitte erklären Sie das näher: Warum denn nicht?

Frank Elstner: „Karlheinz Böhm hat nach dieser Sendung sein bisheriges Leben komplett aufgegeben und sich nur noch dieser Aufgabe verschrieben. Man muss wissen, dass er bis dahin über Jahrzehnte einer unserer größten Filmstars war. Erst als Kaiser Franz Joseph in den Sissi-Filmen, dann als Star des neuen deutschen Films in der Ära von Rainer Werner Fassbinder in den 70er und 80er Jahren. Plötzlich lebte er nun in bescheidensten Verhältnissen in Äthiopien. Unter welchen Umständen er dort in schon hohem Alter gearbeitet hat – das kann sich kaum einer vorstellen. Ob ich die Kraft und die Nerven gehabt hätte, in einem afrikanischen Land umgeben von hungernden Menschen, die um ihr Leben kämpfen, zu leben – ich glaube es nicht.“

Endlich ein eigenes Einkommen haben, auf eigene Füssen stehen. Die Stiftung machte es möglich – © Stiftung Menschen für Menschen

DS: Nun feiert „Menschen für Menschen“ mit einer Spendengala das Jubiläum der Stiftung. 40 Jahre sind seit der Gründung vergangen. Was sind heute die größten Probleme der Menschheit?

Frank Elstner: „Die Not der hungernden Menschen in der Welt begleitet uns leider noch heute. Zunächst einmal wünsche ich mir deshalb, dass die Menschen das Lebenswerk von Karlheinz Böhm mit Spenden weiter unterstützen. Welche Probleme heute dominieren? Seit einigen Jahren mache ich Tierfilme in diesen Regionen. Das große Problem in unserer Gesellschaft ist seit Jahrzehnten, ja seit Jahrhunderten die große Klimakrise. Das Problem mit der Abholzung der Wälder. Der Lebensraum für Tiere wird ohne Rücksicht zerstört. Ob das die Koalas in Australien betrifft. Die Elefanten in Afrika. Die Orang-Utans in Borneo. Oder das Breitnashorn nördlicher Prägung. Bei einer Reportage habe ich dem letzten Breitnashorn gegenübergestanden und gedacht: Wenn dieses Tier stirbt, ist eine ganze Rasse ausgestorben. Das ist so, als hätte man einst dem letzten Mammut gegenübergestanden. Ich kann immer wieder nur auf die Trommel schlagen und sagen: Hört endlich auf die Wissenschaftler, hört endlich auf die Klimaforscher.“

DS: Wenn Sie nun – wie Karlheinz Böhm in Ihrer Sendung vor 40 Jahren – zu Spenden aufrufen könnten, welcher Organisation oder welcher Einrichtung sollten sie zugute kommen?

Frank Elstner: „Der Zoo in Karlsruhe hat eine Initiative für den Artenschutz gegründet. ‚Herzblut für die Schönheit und Artenvielfalt unseres Planeten‘. Ich kenne den Zoodirektor. Ich weiß, dass jede Spende willkommen ist und sinnvoll eingesetzt wird. Die „Artenschutzstiftung Karlsruhe Zoo“  – das wäre eine großartige Adresse.“

Kinder geniessen das frische, fliessende Wasser einer neu geschaffenen Wasserstelle – © Rainer Kwiotek – Stiftung Menschen für Menschen

DS: 13,8 Millionen Menschen sahen am 6. November die letzten „Wetten dass..?“-Sendung mit Ihnen und Thomas Gottschalk. Sollte die Show nach dieser Sensationsquote und den zum Teil euphorischen Kritiken fortgesetzt werden?

Frank Elstner: „Ich werde einen Teufel tun und dem ZDF irgendwelche Ratschläge geben. Ich habe aber gemerkt, dass die Verantwortlichen in der Lage sind, packende Wette zusammenzustellen und großartige Gäste zu präsentieren. Viel bessere Samstagabend-Unterhaltung kann man nicht machen. Die Frage ist: Hält man über längere Zeit auch junge Leute am Bildschirm. Und hat der Moderator Lust, weiterzumachen. Aber das muss man Thomas fragen.“

DS: Jetzt mal Hand aufs Herz: Wie oft haben Sie es bereut, „Wetten dass..?“ nach nur 39 Sendungen und sechs Jahren abzugeben?

Frank Elstner: „Dass ich die Sendung abgegeben habe, habe ich nie bereut. Ich bin mit Thomas befreundet und er lässt keinen Moment aus, zu betonen, dass er mir wegen „Wetten dass…“ viel zu verdanken hat. Ich bereue nur, dass ich die Rechte an „Wetten dass..?“ zu einem Zeitpunkt an das ZDF verkauft habe, als man dafür noch nicht das Honorar fordern konnte, das heute angemessen wäre.“

DS: Vielen Dank für das interessante, offene Gespräch

Text: Peter Pionke

Karlheinz Böhm mit Siedlern – © Ronny Zimmermann – Stiftung Menschen für Menschen

Infos über die Stiftung „Menschen für Menschen“

https://www.menschenfuermenschen.de

 

„Begegnungen“: Peter Maffay trifft Frank Elstner

In seinem neuen Talk-Format „Begegnungen“ trifft Rock-Star Peter Maffay (71) die TV-Legende Frank Elstner (79). Ausgestrahlt wird das interessante, emotionale Gespräch am 28.11.2018 bei MagentaTV. http://www.magentatv.de

Frank Elstner (r.) in der Talkshow von Peter Maffay (l.). In der Mitte Fußballnationalspieler Christian Günter – © Wolfgang Köhler

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