12. August 2021

„Die Kunst der Kommunikation – made in Wuppertal“ (14)

Bazon Brock, emeritierter Professor am Lehrstuhl für Ästhetik und Kulturvermittlung an der Bergischen Universität, sagt als ZEIT:ZEUGE: "Vok Dams hat über Jahrzehnte mit Eigenveranstaltungen, mit Medien-, Pharma- und Trend-Foren Zeichen gesetzt."

Prof. Bazon Brock, Wuppertal – © Vok Dams iNotes

Bazon Brock fügt hinzu: „Das war der entscheidende Schritt von der Reklame/Propaganda zur Werbung; es galt nicht mehr, den Käufern und Nutzern von Produkten ein Versprechen auf andauernde Wunscherfüllung glaubhaft treuherzig zu unterbreiten, sondern die Motivationskraft unbefriedigter Wünsche zu stimulieren.“

Es waren hochkarätige Veranstaltungen mit namhaften Referenten aus Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft, die jährlich die Auswirkung des Wertewandels in der Gesellschaft auf die Marketing-Kommunikation untersuchten.

„Im Abgleich mit den angebotenen kreativen Ansätzen, Lösungsvorschlägen und realisierten Projekten gewannen diese Veranstaltung schnell Kultstatus“, so Vok Dams in seinen Erläuterungen zu diesem Thema.

Der nächste ZEIT*ZEUGE, der in unserer Serie zur Entwicklung von Event- und Live-Marketing zu Wort kommt ist der emeritierte Professor am Lehrstuhl für Ästhetik und Kulturvermittlung an der Bergischen Universität Wuppertal, Prof. Dr. Bazon Brock. Er befasst sich als „Denker im Dienst und Künstler ohne Werk“ mit „Anstrengungslust gegen Erfüllungsfrust“.

Auszug eines Beitrages aus Vok Dams „50 Jahre KommunikationDirekt“ – Entstehung und Entwicklung von Event- und Live-Marketing.

Bazon Brock: Das Erlebnis der Erschöpfung,

Anstrengungslust gegen Erfüllungsfrust

„In welche Richtung gehen zukünftig Marketing-Events?“ fragte VOK DAMS im Mai 1998 auf seinem 6. Trend-Forum in Wuppertal. „InfoMotion“ war das Thema. Ich konnte als Referent über „Inszenierte Kommunikation“ sprechen und auf die Qualität der Emotionalisierung im 17. und 18. Jahrhundert verweisen. Was hat sich verändert? ist die Frage, die wir uns heute stellen.

Die Hymne der Eventmanager, der Ereignisinszenatoren, der Psychodesigner, der Affektkommunikatoren, der Weltbildpropagandisten – kurz, die Hymne der Werber lieferten die „Stones“ 1965 mit dem legendären Titel „I Can’t Get No Satisfaction“.

Das war der entscheidende Schritt von der Reklame/Propaganda zur Werbung; es galt nicht mehr, den Käufern und Nutzern von Produkten ein Versprechen auf andauernde Wunscherfüllung glaubhaft treuherzig zu unterbreiten, sondern die Motivationskraft unbefriedigter Wünsche zu stimulieren.

VOK DAMS – trend.lab in Wuppertal – © Vok Dams iNotes

Warum das? Die auf Nachhaltigkeit abhebende Reklame – wie beispielsweise der Slogan „Persil bleibt Persil“ aus dem Jahr 1913 – wurde wirkungslos, als die ökonomische Optimierung (vulgo Gewinnmaximierung) dazu verführte, gleiche Inhalte unter verschiedenen Produktnamen zu verkaufen und unter einem Markennamen unterschiedliche zusammengekaufte Inhalte zu vermarkten.

Den als Zwang zur Wirtschaftlichkeit ausgelobten Betrug wiesen die Konsumenten weitgehend zurück; wer will schon unter dem „guten Stern“ amerikanischen Flitter angedreht bekommen oder vice versa teure Marken akzeptieren, wenn die gleiche Qualität als No Name-Produkt zu haben ist? Niemand, außer ein paar pubertären Schülern – denn die intelligenteren Jugendlichen erledigen die falsche Echtheit von Mogelprodukten durch exzessive Förderung von echten Fälschungen.

Damit erreichen sie spielend das Niveau professioneller Erkenntnistheoretiker und Psychodoktoren, die seit langem wissen: Nur das als solches erkannte Falsche ist noch wahr; nur auf das Als-ob, das Ersatz- und Pseudoeingeständnis kann man sich noch verlassen. Die Wahrheiten relativieren sich zu bloßen Meinungen, in opportunistischen Anpassungen an Honorargebote und Karriereversprechen.

Solcher Realismus aus der Beschränkung der Kaufkraft bei jungen Marktteilnehmern stützt sich auf die seit langem bestens dargestellte Wunschökonomie: Erfüllte Wünsche sind keine mehr; die Erfüllung ist der Tod des Wünschens! Wünsche können prinzipiell nicht auf Dauer erfüllt werden. Deshalb gilt es, sie in dieser Bedeutung angemessen darzustellen, anstatt sie abzustellen.

Das war die genuine Aufgabe der aufgeklärten Werbung: Das Wunschpotential so mächtig darzustellen, dass der Gedanke an Energieverschwendung durch Streben nach Sättigung kaum aufkommen konnte. Anschaulich wurde die Strategie in TV-Soaps, die das Elend der Reichen, Schönen und Mächtigen ausstellten: Sie haben, was immer sie wünschen, und haben doch keinen Gewinn davon fürs persönliche Glück.

„Nichts ist schwerer zu ertragen, als eine Reihe von guten Tagen“, meinten die Dramatiker. Und die Historiker boten Erlebnis-TV größter Attraktivität, wenn sie zum Beispiel die antikrömischen Eliten vorführten, die an der Langeweile täglicher Wunscherfüllung zugrunde gingen.

VOK DAMS – TREND TOUR INTERNATIONAL – © Vok Dams iNotes

Dekadent wird, meinte wohl auch Guido Westerwelle, wer immer nur die Sattheit gestillter Wünsche sucht, anstatt sich aus diesem Säuglingsglück herauszureißen. Wie ginge das? Am Einfachsten durch den Ekel vor dem wunschlosen Dasein, das Handke so einprägsam als das Unglück der Wunschlosigkeit schilderte. Solcher Erfüllungsfrust, Frustration durch prompte Wunscherfüllung trieb schon die „68er“ auf die Straße, leitete die Punks und studierten Assis zu ihrer ostentativen Abkehr von jeglichem Versprechen auf Glück.

Auch die Yuppies der späteren Jahre, getarnt als willfährige Konsumenten, wurden zu Strebern nach dem „Mehr als Genug“, also zu Destrukteuren der Wunscherfüllung. Eine Haltung heutiger „masters of the universe“-Perverser, die triumphal die Dekadenz, d.h. den Zusammenbruch des Traums vom allseits befriedeten Dasein, als große Demiurgen befördern, als Ungeheuer der schöpferischen Zerstörung.

Was ist der Gewinn der ungeheuerlichen Kraftanstrengung? Der Genuss der Erschöpfung; denn längst hat augiastische Lust die orgasmische überboten! Ein 5000-Meter-Lauf aktiviert mehr körpereigene Opiatausschüttung als selbst der ausdauernste Höhepunkt. 

Den Stall des Augias von ungeheuren Mengen Abfall, Kloake und Ungeziefer zu reinigen, bot dem Kulturheroen Herakles Lustgewinn durch Erschöpfung, für den selbst ein Harem von Orgasmusgelegenheiten nichts Gleichwertiges hätte versprechen können.

Das bürgerliche Erfolgsrezept, dem der dekadente Adel nichts entgegenzusetzen hatte, bestand in der Entdeckung, dass die Anstrengung eine den herkömmlichen Privilegien zur Befriedigung des Wünschens weit überlegene Lustquelle sei.

Langsam gelingt es Werbern als Strategen der Herausforderung, dass ihre Klientel sich anstrengt ohne Einkommenssteigerung zu erwarten, da Augiasmen schließlich Lohn genug sind. Auch die Pädagogen folgen mehr und mehr der Maxime „Fördern durch Fordern“ und fordern heißt herausfordern durch Provokation der Erfahrung des Scheiterns.

Nur wer das Scheitern an der Forderung nach unmittelbarer Triebbefriedigung oder Wunscherfüllung erfahren hat, ist wirklichkeitstauglich. Das Gegenteil davon ist die Wahnhaftigkeit – wie beispielsweise die des Machtgefühls, das Weltgeschehen nach Wunsch mit ein paar Gesetzen und Wohltaten steuern zu können.

Trend-Tour mit Sascha Lobo als “digitaler Vordenker” (Spiegel 18/2015) – © Vok Dams iNotes

Erlebnis ohne das Risiko des Scheiterns ist banaler Tourismus; Überlebenscamps mit videovermittelter Hilfestellung im Ernstfall bleiben Kindergarten. Andererseits lässt sich schon rein rechtlich nicht mehr mit dem Ernstfall werben. 

Gerade deswegen ist die Intelligenz der Werber gefordert – literarische und künstlerische Intelligenz zur Stimulierung der Wünsche wie des Möglichkeitssinns bei gleichzeitigem Verbot des Ernstfalls, des Todes der Erfüllung! Chill out! Genießen Sie die Erschöpfung, statt sich als Ausgebrannter zu outen.

Bazon Brock

 

Zum Autor:

Prof. Dr. Bazon Brock

Kurzvita:

Bazon Brock, Denker im Dienst und Künstler ohne Werk, ist emeritierter Professor am Lehrstuhl für Ästhetik und Kulturvermittlung an der Bergischen Universität Wuppertal.

Weitere Professuren an der Hochschule für bildende Künste Hamburg (1965–1976) und der Universität für angewandte Kunst, Wien (1977–1980).

1992 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Eidgenössisch Technischen Hochschule, Zürich, und 2012 die Ehrendoktorwürde der Hochschule für Gestaltung, Karlsruhe. 

Leseprobe:

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http://vokdamsatelierhaus.de/wp-content/downloads/buch-leseprobe50j.pdf

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