27. Juli 2021

KI-gestützt: Forschungsprojekt will Fehlerbehebung verbessern

Im Juni dieses Jahres musste das Pharmazie-Unternehmen Johnson & Johnson wegen eines Produktionsfehlers mehrere Chargen seines Corona-Impfstoffes vernichten. Betroffen waren 60 Millionen Dosen. Fehler an großtechnischen Anlagen treten häufig auf und haben ein besonders hohes Schadenspotenzial.

© Bergische Universität

Forscherinnen und Forscher der Bergischen Universität Wuppertal um Prof. Dr. Bela Gipp vom Lehrstuhl Data & Knowledge Engineering entwickeln deshalb nun ein aktiv lernendes KI-System, das die Effektivität und Effizienz der Fehlerbehebung an großtechnischen Anlagen, z. B. in der chemisch-pharmazeutischen Industrie, erhöhen und dadurch Ausfallzeiten und -kosten signifikant senken soll.

Es handelt sich um ein gemeinsames Forschungsprojekt mit der Eschbach GmbH, das durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand gefördert wird.

Nach heutigem Stand der Technik werden Fehler und ihre Behebung manuell, zumeist digital in Logbüchern dokumentiert. „Eschbach entwickelt und vertreibt Shiftconnector®, eine der erfolgreichsten Softwarelösungen für die schichtübergreifende Kommunikation von Betriebspersonal großtechnischer Anlagen. Daher besitzt das Unternehmen große Erfahrung in diesem Bereich und seine zahlreichen Kunden haben einen erheblichen ,Datenschatz‘ in der Software angesammelt“, sagt Bela Gipp.

Darüber hinaus gebe es oft zahlreiche weitere Systeme, z. B. für die Produktionsplanung und -steuerung, Lagerverwaltung und die Dokumentation der Anlagen und Betriebsabläufe. Durch all diese Systeme werde in Unternehmen zwar ein immenser Datenbestand aufgebaut, der derzeit jedoch nur unzureichend genutzt werden kann. Die einfache Speicherung und Verwaltung der Daten, die aktuelle Systeme bieten, unterstützten eine effektive Fehlerbehebung nur eingeschränkt.

Fehlerbehebung beruht massiv auf Expertenwissen

Experten (z. B. Schichtleiter) müssen die heterogenen Daten sichten, Beziehungen in den Daten erkennen und durch die Kombination von Daten und Erfahrungswissen eine Problemlösung ableiten. „Die Fehlerbehebung beruht daher massiv auf Expertenwissen, das nicht kontinuierlich, rund um die Uhr verfügbar ist und durch Personalfluktuation verloren gehen kann“, so Gipp.

Hier setzt das vorliegende Projekt an. Das zu entwickelnde System soll den vorhandenen Datenschatz in Unternehmen nutzbar machen, Mitarbeiter*innen gezielt und interaktiv bei der Fehlerdiagnose unterstützen, Schritt für Schritt durch mögliche Lösungsschritte führen sowie Lösungsstrategien im Zusammenspiel mit den erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sukzessive lernen und verbessern.

Professor Gipp: „Konkret stellen wir uns das finale Produkt als eine Anwendung vor, auf die das Betriebspersonal mittels mobiler Geräte zugreift: Kommt es zu einem Fehler, schildert das Betriebspersonal am Ort des Geschehens per Spracheingabe das Problem. Die Anwendung analysiert das Problem anhand der aus den verschiedenen Systemen zusammengetragenen Daten und erfragt gegebenenfalls weitere Informationen. Im Folgenden unterbreitet das System interaktiv und abhängig von den weiteren Rückmeldungen der Nutzer mögliche Lösungsschritte. Dabei lernt das System im laufenden Betrieb kontinuierlich weiter, indem es vom Personal Rückmeldung bekommt, welche Lösungen in welcher Situation erfolgreich waren bzw. indem das Personal noch nicht im System erfasste Fehlerbehebungen ergänzt.“

Die Umsetzung dieses Projektziels erfolgt in drei Schritten: Erstens entwickelt das Team Verfahren der natürlichen Sprachverarbeitung, die es ermöglichen, aus einer breiten heterogenen Datengrundlage bestehend aus technischer Dokumentation, Reparaturanleitungen, Logbüchern und Reports automatisch verwertbare Daten zu gewinnen. Im zweiten Schritt geht es um KI-basierte Sprachmodelle, die es Computern ermöglichen, die komplexe Fachsprache des Betriebspersonals zu verstehen und auszuwerten.

Zuletzt wird auf Basis der aufbereiteten Daten ein KI-Modell trainiert, das den zeitlichen Verlauf der Ereignisse betrachtet, Fehlermuster und zugehörige Lösungsansätze lernt und den Benutzer präsentieren kann. In Form eines adaptiv lernenden Modells werden Nutzerexperten die Lösungsvorschläge des Systems bewerten und weitere, nicht vom System vorgeschlagene Lösungen ergänzen. Dieses Feedback wird für die kontinuierliche Verbesserung des Modells verwendet.

Lehrstuhl: www.dke.uni-wuppertal.de 

Industriepartner: www.eschbach.com 

 

Kommentare

Neuen Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert