5. Mai 2021

Eckehard Lowisch: 3D-Scanner ersetzt vorerst Hammer & Meißel 

Nicht nur seine Werke verfügen über Aussagekraft. Eckehard Lowisch ist auch selbst ein Künstler, der etwas zu sagen hat und immer bereit ist, neue, innovative Wege zu gehen. Bevor er sich auf Friedrich Engels, Wuppertals berühmten Sohn, als Kunstobjekt einliess, reiste er nach Manchester, der zweiten Heimat von Friedrich Engels, um dort nach Spuren des Philosophen und Revolutionärs zu suchen.

Der Wuppertaler Bildhauer Eckehard Lowisch – © Ralf Silberkuhl

Seine aus 56 Marmorplatten bestehende Engels-Skulptur schickte der erfolgreiche Wuppertaler Bildhauer im Rahmen seines Projektes „Engels2020 Skulptur – unterwegs“ auf Tournee durch Wuppertal. Immer wieder tauchte sie an anderen Orten auf. Wenn die Wuppertalerin und Wuppertaler wegen der Corona-Pandemie nicht zu den Engels-Veranstalungen kommen konnten, kam Engels eben zu ihnen. Ein pragmatischer Kunstgriff, der für Aufsehen sorgte.

Wir haben uns mit Eckehard Lowisch über Corona, Gott und seine Kunstwelt unterhalten.

DS: Wie haben Sie bislang die Corona-Krise verkraftet – als Mensch und als Künstler?

Eckehard Lowisch: „Mensch und Künstler? Da mache ich bei mir keinen Unterschied, denn jeder Künstler ist ja auch ein Mensch. Als Künstlermensch bin ich Krisen gewohnt und habe Strategien entwickelt, diese ab und zu in Chancen zu verwandeln. Aber diese pandemische Krise ist anders, sie verschärft alle bereits Bestehenden.“

DS: Sie sind mit großen Erwartungen ins Engelsjahr gestartet, was ist davon übrig geblieben?

Eckehard Lowisch: „Je weniger meine Erwartungen und Hoffnungen an das Engelsjahr erfüllt wurden, desto mehr steigerte sich mein Enthusiasmus, nicht nachzulassen, mein Projekt zu vermitteln. Immerhin bin ich der Bildhauer, der das offizielle Engels Denkmal zu seinem 200. Geburtstag für seine Stadt geschaffen hat. Meine Skulptur: Der junge Engels und ihre besondere Entstehungsgeschichte – das bleibt, das gehört jetzt zur Stadtgeschichte.“

DS: Die Aktion „Engels2020 Skulptur – unterwegs“ mit dem steinernen Engels aus 56 Marmortafeln, die mal hier und mal dort auftauchte, war ja ein vielbeachteter Erfolg. Aber im Prinzip doch eher eine Corona-Notlösung?

Eckehard Lowisch: „Corona bedingt wurden mir nach und nach die vereinbarten Präsentationsflächen und Ausstellungsmöglichkeiten an hochfrequentierten Orten in Wuppertal genommen. Das hätte ich jetzt natürlich einfach so hinnehmen können. Die Aktion: ‚Engels2020 Skulptur‘ – unterwegs war meine künstlerische Reaktion auf die ansteigend immer ungünstiger werdenden Begleitumstände. Immer wieder, wenn zum Beispiel  Kooperationspartner absprangen, habe ich mir halt neue gesucht. So konnte ich den Jungen Engels zum Beispiel im Skulpturenpark Waldfrieden ausstellen, nachdem das in der Sonderausstellung: ‚Ein Gespenst geht um in Europa‘ nicht mehr ging. Ich denke, das Unterwegs-Format meines Projekts kann man in keinster Weise eine Not-Lösung nennen. Rückblickend kann ich sogar sagen, dass diese Variante mein Engelsprojekt sogar aufgewertet hat. Immerhin ist es dadurch zu einem der wenigen ‚Engels2020–Projekte‘ geworden, das auch überregional und international wahrgenommen wurde.“ 

Fotoshooting in der berühmten Bibliothek „Chetham’s Library“ in Manchester (England): Eckehard Lowisch auf dem Platz, auf dem Friedrich Engels oft gesessen hat. Hier traf er sich auch mit Karl Marx – © Ralf Silberkuhl

DS: Was wird jetzt aus dieser sehr eigenwilligen und markanten Engels-Skulptur?

Eckehard Lowisch: „Im Moment steht der Steinernde im schönen Atriumgarten im Alten Schauspielhaus, dem zukünftigen Pina Bausch Zentrum. Der Junge Engels erschien dort im Rahmen des Festivals: ‚Pina Bausch Zentrum – under construction‘ und das exakt an seinem 200. Geburtstag. Ein passender Ort, wie ich finde, denn dort lässt sich Vergangenes mit Gegenwärtigem und Zukünftigem auf vortreffliche Weise verbinden. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Skulptur dort dauerhaft ihren Platz finden könnte und warte hierzu im Moment auf Signale.“

DS: Wie geht es jetzt mit der Aktion „Engels2020 Skulptur – when robots make art“ weiter? Oder ist die Aktion gestorben, weil das Engelsjahr praktisch vorbei ist? 

Eckehard Lowisch: „Soweit ich weiß, ist das Engelsjahr bis zum 28. November 2021 offiziell verlängert worden und darüber hinaus bleibt Wuppertal ja für alle Zeiten die Geburtsstadt von Friedrich Engels. Die in meinem Projekt inne liegende Fragestellung, in wie weit digitale Prozesse unsere Arbeitswelt verändern, sogar auch meinen Beruf, den zweitältesten, den des Bildhauers – da bleibe ich natürlich dran. Denn all das was ich bisher an Ergebnissen dazu vorgelegt und vorgelebt habe, kann man jetzt erst einmal als Vorwort verstehen für das, was mir und meinen Kollegen noch bevorsteht. Außerdem steht noch die Filmpremiere des Films Denkmal-Machen-Wuppertal von Ralf Silberkuhl aus. Aber, bis wir alle wieder in die Kinos dürfen, wird wohl noch einige Zeit vergehen.“

DS: Um sich auf die Engels-Projekte vorzubereiten, haben Sie sich mit dem Film- und Foto-Künstler Ralf Silberkuhl auf die Spuren von Friedrich Engels in England begeben. Was hat Sie dabei am meisten beeindruckt?

Eckehard Lowisch: „Ausführliche Recherchen sind für mich immer die Grundvoraussetzung für einen tragfähigen Entwurf. Schon vor Jahren habe ich angefangen, mich intensiv mit dem Phänomen Friedrich Engels in seiner Zeit – übertragen auf die heutige Zeit, zu beschäftigen. Als ich mit Ralf Silberkuhl und Lutz Rieder in Manchester für Filmaufnahmen unterwegs war, an Friedrich Engels 199. Geburtstag, hat mich besonders beeindruckt, wie lässig und selbstbewusst man dort mit der Materie Friedrich Engels, mit den Konsequenzen der Frühindustriealisierung, mit Themen wie Arbeiterbewegung, Gewerkschaften usw. umgeht und wie intensiv die Auseinandersetzung mit unserem Friederich, ihrem „Fred“ und der sozialen Frage praktisch an jeder Straßenecke spürbar ist und möglich bleibt.“

DS: Inwieweit hat das Virus und die damit verbundenen Einschränkungen Ihre künstlerische Arbeit beeinflusst oder sogar verändert?

Eckehard Lowisch: „Meine Arbeit im Atelier fand ja schon immer ohne Publikumsverkehr statt, da gibt es im Moment also keine Einschränkungen für mich. Allerdings hat sich durch den andauernden Kulturlockdown, den ich als Ausbremsung der gesamten Kunst – und Kreativwirtschaft empfinde, natürlich einiges verändert und auch mein künstlerisches Interesse hat sich stark verlagert. Durch intensive Vorarbeit in den letzten 30 Jahren habe ich einen für mich fast schon unüberschaubar großen Fundus an skulpturalen Werken geschaffen. Da habe ich im Moment noch genug auf Lager. Ich beschäftige mich derzeit lieber hauptsächlich damit, mein Oeuvre digital zu archivieren und zu inventarisieren.“

Die Engels-Skulptur und ihr Schöpfer – © Ralf Silberkuhl

DS: Wie dürfen wir uns das Archivieren und Inventarisieren Ihrer Werke vorstellen?

Eckehard Lowisch: „Dabei helfen mir meine neuen Assistenten, mein Computer und mein 3D-Scanner, die zu meinen wichtigsten Werkzeugen geworden sind. Sie haben Flex, Hammer und Meißel bis auf weiteres erst einmal ersetzt. Spannend finde ich gerade, meine zugegebenermaßen, etwas teuren Unikate aus Marmor, im 3D-Scan-Verfahren zu erfassen und zu digitalisieren, damit ich sie zukünftig in limitierter Edition oder als Kleinserie replizieren kann, um sie so einer breiteren Käuferschicht zugänglich machen zu können.“

DS: Sis sind ja nicht nur bildender Künstler, sondern auch Galerist und betreiben mit Ihrer Ehefrau Tine die „Kunststation“ im Bahnhof Vohwinkel. Wie fällt Ihre Corona-Bilanz als Galerist aus?

Eckehard Lowisch: „Die Kunststation Wuppertal im Bahnhof Vohwinkel ist eher als ein fortlaufendes, performatives Kunstprojekt zu verstehen, eines das wir gerade neu ausrichten. Die Kunststation war nie eine klassische Galerie, vielmehr ist sie unser künstlerisches Experimentierfeld. Dort sind wir, wie man heute so schön sagt, ein Real-Labor in dem Tine und ich versuchen, die Menschen herauszufordern, sich für Kunst zu interessieren. An einem aktiven Bahnhof, mitten im öffentlichen Raum gelingt uns das bisher sehr gut. Und so ganz nebenbei, beleben wir, als ein Projekt des Bürgervereins Vohwinkel e.V. natürlich auch noch einen der schönsten Bahnhöfe unserer Stadt.“    

DS: Last but not least: Welche persönlichen Lehren ziehen Sie als Mensch und Künstler aus der Krise, die die ganze Welt auf den Kopf gestellt hat?

Eckehard Lowisch: „Es wäre schön, wenn jeder Mensch ein Künstler wäre und jeder Künstler ein Mensch, dem Solidarität wichtiger ist als Egoismus. Obwohl, das jetzt keine neue persönliche Lehre für mich ist, die ich aus der Krise ziehe. Davon träumen Tine und ich eigentlich schon immer.“

DS: Vielen Dank für das offene, informative Gespräch

Das Interview führte Peter Pionke

 

Der Wuppertaler Bildhauer Eckehard Lowisch – © Ralf Silberkuhl

Vita Eckehard Lowisch 

Eckehard Lowisch wurde 1966 in Iserlohn geboren. Nach seiner Ausbildung zum Steinbildhauer war von 1989-1993 Schüler und Assistent des weltberühmten in Wuppertal lebenden und arbeitenden Bildhauers

Tony Cragg, dessen imposanten Sklupturenpark „Waldfrieden“ Kunstfreunde aus der ganzen Welt besuchen.

Von 1993-1999 studierte Lowisch Industrial Design und Bildhauerei bei Prof. Eugen Busmann und Prof. Norbert Thomas an der Universität Wuppertal.

Von 1999 bis 2015 entstanden in Eckehard Lowischs Atelier, neben seinen eigenen Werken, über 100 Steinskulpturen im Auftrag von Tony Cragg, geschaffen nach dessen Entwürfen.

Seit 2014 istEckehard Lowisch Lehrbeauftragter an der Universität Wuppertal, Fachbereich Architektur, Fach: Darstellen und Gestalten bei Prof. Heinrich Weid

Seit 2014 leitet der Künstler gemeinsam mit seiner Ehefrau Tine die „Kunststation“ im Bahnhof Vohwinkel, einen nichtkommerziellen Projektraum für gegenwärtige und zukünftige, künstlerische Positionen. Lowisch ist Mitglied der Bergische Kunstgenossenschaft (BKG). Er lebt und arbeitet in Wuppertal. 

Eines seiner bedeutensten Kunstprojekte ist das „5Nischenprojekt“ im städtischen Raum. 

Das „5Nischenprojekt“, das u.a. von der Dr. Werner-Jackstädt-Stiftung und der Kunststiftung NRW unterstützt wird, ist seit 2015 ein Kunstprojekt von städtebaulicher Relevanz, das zur Entwicklung des gesamten Stadtteils Vohwinkel beiträgt. Seit April 2019 befindet sich die 5-teilige Skulpturengruppe als Kunst im öffentlichen Raum offiziell im Bestand des renommierten Wuppertaler Von der HeydtMuseums.

Eckehard Lowischs Leitsatz lautet: „Ich mag den ironisch-konzeptionellen Ansatz in meinen Arbeiten und die vielen Möglichkeiten die sich dadurch mit dem Material Stein ergeben.“

http://www.lowisch.de

http://www.kunststation-wuppertal.de/

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