20. April 2020

Jochen Rausch: Mir tun die Familien in kleinen Wohnungen leid

Er ist Programmdirektor der WDR-Rundfunk-Sender 1LIVE, WDR 2 und WDR 4. Er hat sich als Musiker einen Namen gemacht (Die Helden - Stahlnetz) und er schreibt erfolgreich Bücher. Sein Roman "Krieg" wurde sogar von der ARD unter dem Titel "Fremder Feind" verfilmt und erhielt mehrere Auszeichnungen. Mehr geht eigentlich nicht. Doch bei allem Erfolg ist der Wuppertaler mit beiden Beinen auf dem Teppich geblieben. Wie geht er mit der Coronakrise um? Wir haben nachgefragt.

Der Rundfunkmacher, Musiker und Autor Jochen Rausch – © WDR/ Ludolf Dahmen

Wie geht man als Rundfunkmacher angemessen mit dem Thema Coronavirus um? Dieser Frage muss sich Jochen Rausch  jeden Tag aufs Neue stellen. Die richtige Balance zu finden, zwischen knallharten Fakten, subjektiven Einschätzungen und der Unterhaltung, um die Zuhörer während der ganzen Informationsflut auch einmal auf andere Gedanken zu bringen, ist sicher nicht leicht. Und dann ist Medienmann Jochen Rausch ja auch noch Privatmensch, wie alle betroffen von vielen Einschränkungen in der Coronakrise und der Kontaktsperre. Was geht ihm da durch den kreativen Kopf?

DS: Wie wirkt sich die Coronakrise auf Ihr Alltagsleben aus?

Jochen Rausch: „Sicher wie für uns alle der größte erinnerbare Einschnitt. Man muss sich glücklich schätzen, eine Wohnsituation zu haben, die Rückzugsmöglichkeiten bietet. Denke oft an Menschen, bei denen das nicht so ist.“

DS: Wie sehr beeinflußt die Coronakrise Ihren Job beim WDR?

Jochen Rausch: „Wir haben im WDR die Zahl der im Sender tätigen Mitarbeiter auf das absolut notwenige Maß reduziert. Alle anderen arbeiten von zuhause. Heißt: tägliche Schaltkonferenzen mit den Sendern 1LIVE, WDR 2 und WDR 4, für die ich zuständig bin. Viele Telefonate, Mails. Zum Glück war der WDR auch vor der Krise schon digital recht gut aufgestellt, beispielsweise werden verschiedene Sendungen wenigstens teilweise aus dem Homeoffice moderiert, zum Beispiel bei WDR4.“

Jochen Rausch (r.) mit Rock-Star Herbert Grönemeyer bei der Verleihung 1Live Krone 2014 –
© WDR/Annika Fußwinkel

DS: Haben Sie jetzt möglicherweise sogar mehr Zuhörer als sonst?

Jochen Rausch: „In Krisenzeiten suchen die Menschen nach seriöser Information. Sie wissen, dass sie diese vor allem bei den öffentlich-rechtlichen Sendern bekommen. Möglicherweise steigt so die Akzeptanz. Das steht für uns aber nicht im Vordergrund: wir wollen vor allem verlässlich sein im Radio, wir wollen die gewohnten Stimmen bringen, aber auch Unterhaltung, Musik und auch Nicht-Corona-Themen.“

DS: Wie haben Sie Ihr in Programm in Coronazeiten umgestellt?

Jochen Rausch: „Wir haben bei 1LIVE, WDR2 und WDR4 vor allem versucht, das gewohnte Programmangebot aufrecht zu erhalten. Also verlässliche Nachrichten, Korrespondentenberichte aus NRW, Deutschland und der ganzen Welt. Unsere Moderatorinnen und Moderatoren sind zum Glück alle gesund, so gesehen, hört man wahrscheinlich gerade gar keinen großen Unterschied, sieht man einmal davon ab, dass sich natürlich sehr viele Themen um Corona drehen. Was nicht stattfinden kann, sind Events wie Comedy oder Konzerte. So fiel ein eigentlich geplantes tolles Programm zum fünfundzwanzigsten Geburtstag von 1LIVE fast komplett ins Wasser.“

DS: Wie nutzen Sie die zusätzliche Freizeit in Ihrer „Isolationshaft“ zuhause?

Jochen Rausch: „Zusätzliche Freizeit entsteht beim Homeoffice ja eigentlich nur durch den Wegfall der Fahrten zwischen Wuppertal und Köln. Da ich ja gerne schreibe und das Schreiben ja ohnehin eine sehr einsame Angelegenheit ist, empfinde ich das Homeworking gar nicht als Isolationshaft. Der wöchentliche 1LIVE-Stammtisch findet jetzt online statt. Und mit meinem Bandkollegen Detlev Cremer frickle ich an einem zweiten Stahlnetz-Album. Das allerdings schon seit 38 Jahren, das erste ist ja 1982 erschienen. Vielleicht beschleunigt die jetzige Situation unsere Arbeit an der Platte, wir haben ja jetzt abends Zeit für Online-Proben.“

DS: Was glaubst Sie, wie lange ist die jetzige Situation überhaupt noch haltbar und vertretbar?

Jochen Rausch: „Ich finde gut, wie verständnisvoll und umsichtig doch viele Menschen reagieren. Bei der Frage, wie lange das gehen kann, kommt es vor allem darauf an, kühlen Kopf zu bewahren und nicht aktionistisch zu werden. Natürlich gibt es auch Widersprüche und Absurditäten, ob es die Erntehelfer sind oder das Klopapier. Improvisation ist angesagt, Klugheit, Solidarität.“

DS: Spüren Sie auch in Ihrem Umfeld, dass sich die Menschen Sorgen um die Zukunft machen?

Jochen Rausch: „Natürlich. Wer ein Geschäft betreibt oder Freelancer ist, gerät rasch in allergrößte Probleme. Oder wer mit drei kleinen Kindern in einer engen Wohnung hockt. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir erstens Solidarität zeigen werden in unserer Gesellschaft und zweitens, dass wir auch in der Krise, die ja nicht von heute auf morgen enden wird, kreative Wege finden werden, wenigstens einen Teil des Wirtschaftslebens möglichst bald wieder in Gang zu bekommen. Dazu gehört auch, lieber bei lokalen Geschäften zu kaufen und zu bestellen, als OnlinegigantenÂnoch reicher und mächtiger zu machen.“

DS: Welche ganz persönlichen Schlüsse werden Sie aus der Coronakrise ziehen?

Jochen Rausch: „Es hat sich ja schon bei der Klimadiskussion angedeutet, dass wir uns verstärkt mit unserem Verhältnis zur Natur auseinandersetzen müssen. Wie gehen wir mit unserer Umwelt um, wie mit Tieren, wie ernähren wir uns, wie sorgen wir vor allem für die Schwachen und Schwächsten? Egoismus á la Trump oder Kleinstaaterei sind keine Lösung. Aber wir sehen auch, dass die Globalisierung, die davon lebt, dass in armen Ländern die Menschen ausgebeutet werden, und wir nun plötzlich feststellen, dass hier massenhaft Arzneimittel oder Zulieferungen für die Industrieproduktion fehlen, so kein Zukunftsmodell sein kann. Man kann auch gerne für Krankenschwestern, Verkäuferinnen oder Lastwagenfahrer auf dem Balkon klatschen, aber viel wichtiger ist es, die Frage, wer leistet eigentlich was in dieser Gesellschaft, neu auszuhandeln. Gerade die, die jetzt den Laden am Laufen halten, brauchen Anerkennung, gute Arbeitsbedingungen und natürlich auch eine angemessene Bezahlung.“

Tom Rausch auf seinem Reporter-Platz im Stadion am Zoo – © Jochen Rausch

DS: Wie geht es Sohn Tim – fast zwei Jahre lang erfolgreicher Sportreporer der STADTZEITUNG – jetzt in Zeiten der Coronakrise?

Jochen Rausch: „Studenten sind ja ohnehin längst sehr digital aufgestellt, da lässt sich vieles von zuhause machen. Außerdem hat er seinen ersten Podcast am Start: ‚Footballrausch – der NFL-Podcast‘. Das macht er mit einem anderen NFL-Experten aus München, ihr Publikum wächst von Folge zu Folge.“

DS: Vielen Dank für das informative, offene Gespräch

Das Interview führte Peter Pionke

 

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