13. März 2017

Hajo Jahn: Andenken an Else Lasker-Schüler

Die in Wuppertal geborene Else Lasker-Schüler ist nach Expertenmeinungen eine der besten und zugleich auch unbekannteste Dichterin Deutschlands. Letzteres zu ändern, hat sich der Wuppertaler Journalist Hajo Jahn zu einer seiner Aufgaben gemacht.

Der bekannte Wuppertaler TV- und Rundfunk-Journalist Hajo Jahn – © privat

Für ihn ist die freie Meinungsäußerung ein Wert, dem er sich sein ganzes Leben lang verpflichtet fühlt. „Zu unserer Gegenwart gehören in vielen Ländern noch immer oder schon wieder Unterdrückung der Meinungsfreiheit und Verfolgung von Künstlern, Publizisten und anderen Intellektuellen“, schreibt Hajo Jahn in seinem neuen Buch „Der blaue Reiter ist gefallen“.

Hajo Jahn, geboren 1941 in Berlin, ist Vorsitzender der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft. Als Rundfunk- & TV-Moderator arbeitete Jahn von 1970 bis 2000 als WDR-Studioleiter in Wuppertal. Jahn organisiert seit 1993 die Else-Lasker-Schüler-Foren mit Ausstellungen, Konzerten, Lesungen oder Zeitzeugen in Schulen zu literarischem und politischem Austausch, so in Wuppertal/Solingen, Jerusalem, Breslau, Prag, Zürich oder Wien. „Dies tue ich, um eine zeitgemässe Erinnerungskultur und Erinnerungspädagogik jenseits eingefahrener Gedenkrituale zu schaffen“, sagte er uns.

Für Hajo Jahn hat die Katastrophe des 20. Jahrhunderts mit der Vertreibung der Künstler und Intellektuellen begonnen. Wie eine Metapher dafür sei das Schicksal der stadtbekannten Exzentrikerin Else Lasker-Schüler im Berlin der Jahrhundertwende. Sie war eine bedeutende deutsch-jüdische Dichterin und galt als herausragende Vertreterin der avantgardistischen Moderne und des Expressionismus in der Literatur. 1909 erschien ihr dramatisches Werk „Die Wupper“, mit dem sie ihrer Kindheit und Jugend in Elberfeld ein Denkmal setzte.

Geboren 1869 in Elberfeld, von den Nazis gleich zweimal vertrieben, starb sie 1945 in Jerusalem. Jahns eigene Geschichte hat viel zu tun mit Vertreibung. Seine Familie floh 1945 aus Frankfurt/Oder nach Berlin. Er selbst war damals vier Jahre alt. Dann 1953 nach dem DDR-Volksaufstand die Flucht von Ost-Berlin nach Hamburg. Von da kam er ins Ruhrgebiet, wo er zunächst als „Kofferträger“, dann als Chemielaborant im Bergbau arbeitete. Als 18-Jähriger bekam er, der Volksschüler und Ex-Bergmann, ein Volontariat bei der Westfälischen Rundschau.

Seine Erfahrungen aus dem Bergbau kamen ihm bei seiner ersten WDR-Reportage zugute. Er begleitete den in Barmen geborenen NRW-Wirtschaftsminister Gerhard Kienbaum auf einer Grubenfahrt. Hier entstanden erste Kontakte nach Wuppertal. Jahn wurde WDR-Studio-Leiter von „Radio Bergisch Land“, dem Vorläufer der heutigen Lokalzeit Bergisches Land. Johannes Rau, damals NRW-Landesvater, war quasi Jahns Stammgast. „Bruder Johannes“ wohnte gleich nebenan und hätte im Morgenmantel ins WDR-Studio am Dr.-Tigges-Weg kommen können.

Hajo Jahn’s Kinder….

Radio Bergisch Land wurde zum erfolgreichsten Regionalsender. Das von Jahn entwickelte Konzept verband wie kein anderes regionale, identitätsstiftende Elemente. Das bergische Heimatlied als „Jingle“, die „Wupperwelle“ als Nachrichtenblock und die Dröppelmina als Symbolfigur gehörten dazu. WDR-Intendant Fritz Pleitgen höchstpersönlich, Max Schautzer, der u.a. das ARD-Wunschkonzert moderierte oder Manfred Erdenberger kamen gerne als Gastmoderatoren.

Durch seine Schule gegangen sind unter anderen auch Horst Kläuser (u.a. USA-Korrespondent), Ulrike Römer (WDR 5 Morgenecho), Edda Dammüller (News-Redakteurin WDR 2), Peter Kunz (Leiter des ZDF-Studios Singapur) und Jochen Rausch, u.a. Programmchef von 1LIVE, WDR 2, WDR 4. Das wohl prominenteste „Jahn-Kind“ aber dürfte Jörg Schönenborn (Moderator „ARD-Wahlstudio“) sein. Er hatte seinen medialen Durchbruch als Hörfunkredakteur im WDR-Studio Wuppertal.

„Kino im Kopf“

An Auszeichnungen fehlt es auch Hajo Jahn nicht: Für seine Verdienste wurden ihm 2003 das Bundesverdienstkreuz am Bande, 2006 der Rheinlandtaler und 2010 der Verdienstorden des Landes NRW verliehen. Als Hajo Jahn die Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft gründete, fand er schnell Mitstreiter. Autoren wie Günter Grass, Siegfried Lenz, Wolf Biermann und auch Salman Rushdie unterstützten ihn. Der lang gehegte Traum von einem „Zentrum für verfolgte Künste“ wurde 2015 indes nicht in Wuppertal, sondern in Solingen realisiert, geht aber auf seine Initiative zurück. Hajo Jahn: „Das Zentrum besteht offiziell, aber es lebt noch nicht.“ Er wünscht sich ein lebendiges, international vernetztes Haus.

Wünschen würde er sich ad-hoc-Veranstaltungen, etwa eine kurzfristig machbare Veranstaltung nach dem Anschlag auf das französische Satiremagazin „Charlie Hebdo“, mit Diskussionen über Meinungsfreiheit. „Um Jugendliche in Internet-Zeiten für die Freiheit und Kunst zu begeistern“, sagt Jahn, „muss man schon mehr machen, als nur Museum.“ An Bildern könne man sich sattsehen. Bücher setzten mit der Zeit Staub an. „Deshalb müssen wir hier ‚Kino im Kopf‘ machen.“

Hajo Jahn wird sich weiter für seine Ziele einsetzen. Zum Beispiel als Herausgeber der Else-Lasker-Schüler-Almanach-Ausgaben mit Sarah Kirsch und Jürgen Serke. Die Gesellschaft müsse wachsam sein, davon ist Jahn heute mehr denn je überzeugt und sieht besonders bei den öffentlich rechtlichen Medien noch einen guten Handlungsbedarf.

„Da gibt es ungenutzte journalistische Freiräume. Hier ist für ein gebührenfinanziertes und damit unabhängiges Medium deutlich mehr drin“, meint er. „Else Lasker-Schüler hat gelebt wie niemand vor und niemand nach ihr. Sie hat sich nicht angepasst, hat keinen der Kompromisse geschlossen, aus denen unser Leben besteht, hat nie und nirgends auf ihr ‚Ich‘ verzichtet, auf ihre ganz eigene Sicht der Welt“, so Jakob Hessing 2009 in einer Biografie über die Dichterin.

Text: Siegfried Jähne

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