4. Juni 2024Peter Pionke
Christian v. Grumbkow sagt nicht nur mit Bildern seine Meinung
In ihrem sehenswerten Portrait „Christian v. Grumbkow – Wege zur Farbe“ hat die bekannte Kölner Filmemacherin Martina Kast das künstlerische Schaffen des ehemaligen Dozenten an der Folkwang-Kunsthochschule in Essen damals wie heute in den Fokus genommen.
Die TV-Journalistin besuchte den Maler in seinem Atelier im Schloß Lüntenbeck, begleitete ihn zu Austellungen – bis hin auf die Nordseeinsel Sylt, wo sie ein langes Interview mit Christian v. Grumbkow (77) führte. Der sehr informative und unterhaltsame Film ist übrigens als DVD oder auf USB-Stick erhältlich.
Die STADTZEITUNG widmet dem renommierten, agilen Wuppertaler Künstler eine dreiteilige Interview-Serie: „CvG der Musiker“ – „CvG der Maler“ – „CvG die Persönlichkeit“. Lesen Sie hier Teil 3: „Christian von Grumbkow – Die verantwortungsbewusste Persönlichkeit“.
DS: Sie sind ein Künstler, der sich auch sehr sozial und gesellschaftlich engagiert, was ist da Ihr Antrieb?
Christian v. Grumbkow: „Für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, der Stadtgesellschaft etwas zurückzugeben. Der Grund ist, dass meine Werke an so vielen exponierten Stellen wirken und weil ich in meinem Leben, meinem Werdegang so viel Glück gehabt habe und inzwischen von meiner künstlerischen Arbeit recht gut leben kann.“
DS: Mit der Aktion „Kunst kann helfen“ haben Sie und Ihre Mitstreiter erheblich dazu beigetragen, dass Flüchtlingskinder in der Alten Feuerwache Deutschunterricht erhalten haben – ein wichtiger Schritt in Richtung Integration. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Christian v. Grumbkow: „Die Idee kam 2015 bei einer Ausstellung im Löwenpalais in Berlin in der Zeit, als viele elternlose Flüchtlingskinder aus Syrien nach Deutschland und einige Hundert nach Wuppertal gekommen sind. Bei der Vernissage war gerade ein Bild an eine Pforzheimer Sammlerin verkauft worden, als die auch anwesende und auch an dem Bild interessierte Wuppertaler Kinderärztin Dr. Susanne Bellenbaum mich fragte, ob wir nicht für die u.a. von Ihr betreuten Syrischen Flüchtlingskinder eine Aktion starten könnten, die Geld bringt. Ich habe dann überlegt, was diese Kinder außer der medizinischen Versorgung benötigen und kam darauf, dass diese Kinder unbedingt Deutschunterricht brauchen. Ich habe dann ein Foto der betreffenden Arbeit gemacht und mit der Erlaubnis der Besitzerin 200 Exemplare drucken lassen und jedes individuell übermalt und über die Galerie ‚Kunstkomplex‘ bei einer Ausstellung alle verkauft.
Es folgten dann noch zwei weitere, ähnlich geartete Aktionen. Allerdings mit dem Unterschied, dass ich andere Künstler aus Wuppertal, aber auch aus dem Ausland gebeten habe, meinen Druck zu überarbeiten. Dabei entstanden fantastische Ergebnisse, die ebenfalls alle Liebhaber gefunden haben. Insgesamt kam ein stattlicher fünfstelliger Betrag zusammen, der der Alten Feuerwache in Wuppertal zur Verfügung gestellt wurde. Von dort aus wurde mit Fauzia Khadiri eine arabisch sprechende Deutschlehrerin gefunden und ca. zwei Jahre lang bezahlt.“
DS: Was war im Zusammenhang mit dieser Aktion ihr beeindruckendstes Erlebnis?
Christian v. Grumbkow: „Da waren mehrere beglückende Momente. Einmal, dass so viele Künstler und die Galerie unentgeltlich mitgemacht haben. Dass so viele Arbeiten für einen guten Zweck verkauft werden konnten und dass ich glückliche und dankbare Kindergesichter wahrnehmen konnte, als ich den Deutschunterricht in der Feuerwache besucht habe, als wir bei einem Beitrag für die WDR-Lokalzeit die Kinder in meinem Atelier zu Gast hatten und gemeinsam ein großes Bild gemalt haben.“
DS: Sie haben auch dem Wuppertaler Charity-Verein „WUPPERTAL HILFT!“ bei einem der letzten Benefiz-Festivals eines Ihrer Bilder für eine Versteigerungs-Aktion zur Verfügung gestellt. Für Sie ein Beweis für die Solidarität der Wuppertaler Kunst- und Kultur-Szene genreübergreifend?
Christian v. Grumbkow: „Ich halte nichts davon, sich als Künstler abzuschotten. Ich wundere mich über manche Kollegen und Kolleginnen, die die Chancen nicht ergreifen, in den Austausch zu gehen und Öffentlichkeit zuzulassen. Wer – bitte schön – soll sich denn für deren Kunst interessieren, wenn niemand diese wahrnehmen kann ? Und genreübergreifend und selbstbewusst zusammenzuarbeiten ist doch das Beste überhaupt!“
DS: Sie haben sich auch für die BUGA 2031 in Wuppertal eingesetzt – was war da Ihr Beweggrund?
Christian von Grumbkow: „Ich habe viele BUGA-Gegner-Argumente gelesen und angehört. Ich habe mich mit den für Wuppertal typischen Mopperen herzhaft auseinandergesetzt und zwar, weil ich mir aus erster Hand Infos beschafft habe, die nicht auf Hören/Sagen beruhten, sondern Fakten beinhalteten, die unserer Stadt mittelfristig ein großes Stück voran bringen werden.
War es in unserer Stadt nicht immer schon so, dass auch gegen erhebliche Widerstände, oft auch aus politischem Kalkül oder ganz simple aus Angst vor etwas Neuem, gute Ideen zu scheitern drohten? Aber dann – wenn auch mit großem Kraftaufwand – haben sich die fortschrittlichen Stimmen meistens durchgesetzt. Ich habe überall da, wo es mir möglich war, die guten Argumente für eine BUGA 2031 vertreten. Interessant: Die meisten Gegner und auch ein Teil der Befürworter (wie auch ich) werden von der BUGA nicht mehr viel miterleben. Hier geht es aber vor allem um die nächsten Generationen, die eine lebenswerte Stadt haben sollen.“
DS: Sie machen sich auch künstlerisch für den Erhalt der Natur und die Rettung des Klimas stark. Stichwort Aktion „Der Wald und der Sturm“. Was kann eine solche Kampagne überhaupt bewirken?
Christian v. Grumbkow: „Ihre Frage hinterfragt, was Kunst überhaupt bewirken kann? Nun, die Kunst ganz allgemein und in allen Spielarten, ist genau wie Religion/Spiritualität, Geschichte/Politik etwas durch und durch Lebensnotwendiges für uns Menschen. Auch wenn das mancher Zeitgenosse verneint, ist es dennoch so, dass in der westlichen Kultur diese Dinge eine Tradition und ein allgemein anerkanntes Selbstverständnis haben. Bei unserem Ausstellungsprojekt „DER WALD UND DER STURM“ konnten wir bei bisher sechs Ausstellungen feststellen, dass neben der künstlerisch-ästhetischen Wirkung auch eine starke Sensibilisierung für die Themen Klima / Waldsterben / Zukunft und Lebensqualität bei den Betrachtern festzustellen war.
Z.B. auf vier meiner Übermalungen von Markus Bollens Großfotos mit geborstenen Bäumen sind auch die Stürme aufgelistet, die unsere Republik heimgesucht haben. Da waren und sind viele Betrachter sehr berührt von den dort aufgelisteten Tatsachen, wie viele Hektar Wald und wie viele Menschen da jeweils zu Schaden gekommen sind und wie die Zunahme der Stürme in den letzten Jahren Bände spricht von der menschengemachten Tragik. Bewirkt wird durch so eine Kunstaktion Wachheit für die Wirklichkeit ! Übrigens wurde die letzte Ausstellung im Künstlerforum Bonn auch durch zwei wissenschaftliche Vorträge zum Thema begleitet.“
DS: Wenn man sich die vielen Pressemitteilungen anschaut, mit denen Ausstellungen und Kunstaktionen angekündigt werden, kann man schon den Eindruck gewinnen, dass sich die Kunst- und Kultur-Szene immer mehr zum „erhobenen Zeigefinder“, zu moralischen Institution hochstilisiert. Da dreht sich fast alles nur noch um die Themen Klima und Frieden. Sicher wichtige Themen, aber werden da nicht unrealistische Erwartungen erzeugt und die Menschen überfordert?
Christian v. Grumbkow: „Ich finde es gut, wenn Künstler sich auch mit diesen Themen befassen. Den „erhobenen Zeigefinger“ finde ich persönlich eher hinderlich. Besser ist es Menschen in Kunstaktionen mit einzubeziehen, so dass eine Erlebnisqualität, eine seelische Berührung stattfindet. „Belehrt“ werden wir schon genug von Besserwissern, Influencern oder auch manchen Politikern.“
DS: Was kann Kunst überhaupt leisten und was nicht?
Christian v. Grumbkow: „Kunst kann ganz viel leisten, wenn ihr genug Raum gegeben wird. In der Familie, in der KITA, der Schule, aber auch im Studium und natürlich auch parallel zum Berufsleben, weil es ein Urbedürfnis der Menschheit ist. Unser Bildungssystem – eines der schlechtesten überhaupt – trainiert leider eher angepasste Pragmatiker. Das was Kunst kann, nämlich Wahrnehmungsschulung, Sensibilisierung der Sinne, Ausleben von Phantasien und unangepassten kreativen Impulsen, also eigentlich Tugenden, die wir im Zusammenleben in einer Demokratie dringend brauchen, um verantwortungsbewusstes Handeln und die Erziehung zur Freiheit zu unterstützen. Nicht umsonst werden in totalitären Systemen Künstler angefeindet und weggesperrt ! Das zeigt ja, wie wichtig Kunst eigentlich ist! Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass der tägliche Umgang mit künstlerischen Prozessen – in meinem Fall der Umgang mit Farbe – eine harmonisierende, genauer gesagt, sogar eine therapeutische Wirkung hat.“
DS: Sie waren einmal in der ersten Reihe des ))freien netzwerk)) Kultur und hatten da eine tragende Rolle. Warum haben Sie sich da etwas zurückgezogen?
Christian v. Grumbkow: „Ich habe die Wahl für die ursprünglich vorgesehenen zwei Jahre angenommen und so gut es ging mitgearbeitet. Dann habe ich satzungsgemäß meinen Vorstandposten abgegeben. Auch aus privaten Gründen, weil meine Partnerin in Süddeutschland lebt und weil ich an vielen Kunstprojekten gearbeitet habe und zahlreiche, arbeitsintensive Ausstellungen anstanden. Ich bin aber immer noch Mitglied in dem Verein und arbeite mit, wenn es die Zeit erlaubt.“
DS: Sehen Sie sich als erfolgreicher Künstler, der bestens in der Wuppertaler Gesellschaft und darüber hinaus vernetzt ist, in der Verantwortung, den Kolleginnen und Kollegen, die nicht so im Rampenlicht stehen, mehr öffentliche Präsenz und Gehör zu verschaffen?
Christian v. Grumbkow: „Ich sehe mich weniger als erfolgreichen Künstler – wie definiert man Erfolg? Ich sehe mich als jemand, der mit künstlerischen Mitteln agiert. Der im öffentlichen Raum, wie an den Wänden meiner Sammler und Kunden markante Äußerungen hinterlässt, die Schönheit und im besten Fall etwas Wahrhaftiges beinhalten und sichtbar machen. Ich habe gerne Kolleginnen und Kollegen mit einbezogen in meine Kunstprojekte. Z.B. bei Gruppen-Ausstellungen im Schloss Lüntenbeck, bei der Charity-Aktion für die Flüchtlingskinder mit 70 Künstlerinnen und Künstlern, bei der Ausstellung in Vok Dams Atelierhaus ( u.a. mit Ekkehard Lowisch) und bei der Zusammenarbeit und zahllosen Ausstellungen mit den Malern Sebastian Spit, Helge Hommes, den Fotografen Michael Utz, Matthias Dunnemann, Markus Bollen und Jens Grossmann. Dabei sind eigentlich immer wunderbare Dinge passiert, die auch mich weiter gebracht haben.“
DS: Welche moralische Unterstützung haben Sie eigentlich selbst am Anfang Ihrer Karriere erhalten?
Christian v. Grumbkow: „Meine Eltern haben mich anfangs, als Teenager, ermutigt zu musizieren und zu malen. Als ich dann Kunst studieren wollte, allerdings überhaupt nicht mehr! Im Gegenteil: Da gab es täglich Dramen, weil ich laut meinem Vater Offizier werden sollte. Mein Kunstlehrer Wilhelm Reichert hat mich sehr ermutigt, diesen Weg zu gehen und schließlich hat Prof. Rudolf Schoofs an der GHS Wuppertal meinem künstlerischen Weg eine gute Ausrichtung gegeben.“
DS: Bildende Künstler sind in der Regel Einzelkämpfer und leben in einer eigenen Blase. Warum fällt vielen Künstler Teamwork so schwer?
Christian v. Grumbkow: „Ich kann nur Vermutungen anstellen: im Team künstlerisch zusammen zu arbeiten ist schwer, weil man ja ein Stück weit etwas von sich abgeben und etwas Neues zulassen muss. Das ist nicht jedem Menschen und schon gar nicht jeder Künstlerpersönlichkeit gegeben. Weil man als Kunstschaffender ja viele Jahre lang „sein eigenes Ding“ entwickelt hat. Aber aus meiner Erfahrung kann ich nur dazu ermutigen, so einen Schritt einmal zu probieren. Es entstehen neue, unerwartete Sichtweisen und Gesichtspunkte, das eigene Schaffen zu hinterfragen und so – allein oder im Team – auf neue Ideen zu kommen.“
DS: Worauf sind Sie – losgelöst von ihrem Erfolg als Künstler – besonders stolz?
Christian v. Grumbkow: „Dass ich trotz des momentan äußerst bedenklichen Zustands unserer gesellschaftlichen Realität und der durchaus bedrohlichen politischen Entwicklung – national wie international – meine positive Lebenshaltung und Kreativität beibehalten habe. Ich möchte es einmal so ausdrücken wie Musiker Peter Gabriel 2002 in seinem Song ‚Darkness‘: ‚I have my fears, but they do not have me‘ (Ich habe meine Ängste. Diese haben mich aber nicht!).“
DS: Vielen Dank für das spannende, offene und ehrliche Gespräch.
Das Interview führte Peter Pionke
Link zur Webseite von Christian v. Grumbkow:
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