18. Juli 2023

Thusnelda Mercy: Ihr Leben ist ein Tanz

Sie ist sozusagen ein Kind das Tanztheaters Pina Bausch. Ihre Eltern Malou Airaudo und Dominique Mercy waren Weggefährten der weltberühmten Chereographin. Thusnelda Mercy lernte Pina Bausch schon als kleines Mädchen kennen, wurde später selbst Mitglied der Kompanie und war zeitweise sogar Assistentin der gefeierten Tanz-Ikone, die 2009 starb.

Anmutig: Die Tänzerin und Dozentin Thusnelda Mercy – © b12

Seit langem steht Thusnelda Mercy als Tänzerin und Dozentin sehr erfolgreich auf eigenen Füßen und ist national und international gefragt. Mit ihrem Lebengefährten Pascal Merighi leitet sie die Tanz Station im Barmer Bahnhof – ein Meeting Point, an dem kreative Projekte unterschiedlichster Sparten auf die Schiene gebracht werden.

Wir haben uns im Rahmen unserer Interview-Reihe „HAND AUFS HERZ“ mit der ideenreichen, erfolgreichen Künstlerin Thusnelda Mercy unterhalten.. 

DS: Welche Rolle spielt körperliche Fitness bei einer Tänzerin oder einem Tänzer?

Thusnelda Mercy: „Unser Körper ist unser Werkzeug. Wir setzen ihn voll ein, wenn wir uns auf der Bühne bewegen. Ich weiss jetzt nicht, ob Fitness das richtige Wort in dem Zusammenhang ist, aber wir benötigen, um unseren Beruf optimal ausüben zu können, schon sehr viel Energie.“

DS: Absolvieren Sie ein spezielles Trainingsprogramm?

Thusnelda Mercy: „Ich habe im Laufe der Jahre gelernt, was meinem Körper gut tut. Dementsprechend habe ich für mich ein spezielles Trainingsprogramm entwickelt. Ins Fitness-Studio gehe ich allerdings nicht. Das ist nicht mein Ding. Und dafür würde mir auch die Zeit fehlen. Aber ich laufe tagtäglich so viele Treppen rauf und runter. Das ist auch gutes Training.“

DS; Sie haben Ihr Studium an der Folkwang Universität der Künste in Essen mit dem Bachelor of Arts abgeschlossen. Können alle Mitglieder des Pina Bausch Tanztheaters eine ähnlich herausragende  Ausbildung vorweisen?

Thusnelda Mercy: „Jede Tänzerin und jeder Tänzer ist den eigenen Weg gegangen. Es hatten auch nicht immer alle eine klassischen Tanzausbildung. In den früheren Jahren gab es im Tanztheater Pina Bausch neben Tänzerinnen und Tänzern u.a. auch Schauspielerinnen und Schauspieler sowie andere Künstlerinnen und Künstler, die in die Stücke integriert wurden. Es ging um die Menschen und was sie bewegte.“

Thusnelda Mercy bei der Tanz-Performance „Zero, Pop und Minimal“ im Von der Heydt-Museum – © Ralf Silberkuhl

DS: Wie hat sich die Kunstform Tanz in den letzten 20 Jahren aus Ihrer Sicht entwickelt?

Thusnelda Mercy: „Verschiedene Tanz-Richtungen und Tanz-Techniken kommen und gehen in Wellen. Die Arbeit von Pina Bausch und das Tanztheater haben maßgeblich dazu beigetragen, dass sich damals eine weitere Kunstform neben dem klassischen/neoklassischen Ballett etabliert hat und viel Einfluss auf weitere Entwicklungen der Tanz- und Kulturszene hatte und immer noch hat.“

DS: Sie waren festes Mitglied der Kompanie Pina Bausch. Welchen Stellenwert hat es für Sie, Wegbegleiterin von Pina Bausch gewesen zu sein?

Thusnelda Mercy: „Ich lernte Pina bereits als kleines Mädchen kennen und bin in dieser „Welt“ aufgewachsen. Es gehörte zu meinem alltäglichen Leben. Ich habe das damals gar nicht als etwas Besonderes empfunden. Meine Mutter Malou Airaudo war bei der Gründung des Tanztheaters Pina Bausch von Anfang dabei, wie auch mein Vater Dominique. Ich bin mittags aus der Schule gekommen und war dann regelmäßig bei den Proben im Opernhaus und auf Tourneen dabei. Ich habe Pina Bausch damals nicht als „Star“ oder große Berühmtheit gesehen.“

DS: Sie waren zeitweise auch Assistentin von Pina Bausch und viel näher an dieser von vielen bewunderten Persönlichkeit dran, als die meisten. Wie war sie als Mensch?

Thusnelda Mercy: „Sie war eine wunderbare, sehr beindruckende Frau. Mehr möchte ich auch gar nicht dazu sagen.“

Thusnelda Mercy und Pascal Merighi – © Ralf Silberkuhl

DS: Ihre Eltern Malou und Dominique sind erfolgreiche Tänzer und Weggefährten von Pina Bausch. Der Apfel fällt also nicht weit vom Stamm. Stand deshalb schon früh für Sie fest, dass Sie auch Tänzerin werden wollten?

Thusnelda Mercy: „Überhaupt nicht. Das hatte ich zunächst gar nicht vor. Eigentlich wollte ich Kinderpsychologin werden. Dann hat die Bühne doch eine gewisse Anziehungskraft auf mich ausgeübt. Beim „Theater der Klänge“ in Düsseldorf habe ich dann während meiner Abiturzeit als Tänzerin und Schauspielerin gearbeitet. Das hat mich sehr geprägt. Dann habe ich mich entgegen aller Ratschläge dazu entschieden, an der Folkwang Universität der Künste in Essen zu studieren und mit dem Bachelor of Arts abgeschlossen. Ich bin also ganz bewusst meinen eigenen Weg gegangen, bevor ich für mich die Entscheidung getroffen habe, professionelle Tänzerin zu werden.“

DS: Mit Ihrer Tanz Station, die Sie gemeinsam mit Ihrem Lebenspartner Pascal Merighi führen, haben Sie sich selbst einen großen Wunsch erfüllt. Wie ist es dazu gekommen?

Thusnelda Mercy: „Wir haben den Raum in der 1. Etage des Barmer Bahnhofs durch Thomas Leipold, dem Besitzer vom ‚Joliso Cafe‘, kennen gelernt und waren sofort begeistert. Aber leider war das Projekt finanziell damals nicht zu stemmen. Kurioserweise hat uns ausgerechnet der Corona-Lockdown weitergeholfen. Denn es gab u.a. vom Bund durch das Programm ‚Neu Start Kultur‘ Fördergelder für die Kulturszene und dazu Unterstützung von der Stadt Wuppertal. Und da haben wir den Schritt, gemeinsam mit Angela Köneke, gewagt. Wir sind keine Tanzschule, obwohl wir auch verschiedene Workshop-Formate anbieten. Wir sehen uns als Meeting Point für Künstlerinnen ind Künstler unterschiedlichster Sparten. Die Themen-Palette reicht bei uns von Recherche, Residentinnen- und Residentenaustausch bis hin zur Umsetzung gemeinsamer, künstlerischer Konzepte und Projekte. Man kann die Räumlichkeiten der Tanz Station aber auch für kleine Events, Konferenzen, Tagungen etc. anmieten.“

Malou Airaudo und Dominique Mercy, die Eltern von Thusnelda Mercy,  in einer Szene aus dem Tanzfilm „Malou and Dominique“  – © Kai Fobbe

DS: Die Tanz-Performances im Von der Heydt-Museum, eine Brücke zwischen Kunstform Tanz und bildender Kunst, sind ein großer Erfolg. Wie kamen Sie auf die Idee?

Thusnelda Mercy: „Die Idee stammt eigentlich von Marion Meyer, Pressereferentin des Von des Heydt-Museums. Pascal und ich haben das Kooperationsangebot sehr gern angenommen und kreieren jetzt seit mehreren Jahren unterschiedliche Performances mit wechselnden Tänzerinnen und Tänzern sowie Musikerinnen und Musikern. Wichtig ist uns der Dialog zwischen Kunstwerken – in der Regel sind es Objekte und Skulpturen – und Bewegungen, die sich ergänzen und so zu einem Gesamtbild werden. Die Reaktionen vom Publikum, waren bis jetzt immer sehr positiv.“

DS: Tanz Station, Tanz-Performances, Co-künstlerische Leitung der Kompanie merighi | mercy, Tätigkeit als Tanz-Dozentin, Privatleben mit Lebensgefährten und Sohn. Wie kriegen Sie das alles unter einen Hut?

Thusnelda Mercy (lacht): „Das weiss ich machmal auch nicht. Aber irgendwie kriege ich das immer wieder hin.“

DS: Welches war bisher Ihr berufliches Highlight?

Thusnelda Mercy: „Es gab in meinem Leben schon so viele Highlights – mit dem Tanztheater, Sasha Waltz, aber auch die Begegnungen und Erlebnisse in und mit der Tanz Station. Auch die ganz speziellen Tanz-Projekte, wie z. B. die im Von der Heydt-Museum, sind Highlight-Momente.“

DS: Haben Sie einen großen Traum, den Sie sich Tänzerin unbedingt erfüllen wollen?

Thusnelda Mercy: „Ich habe keine konkreten Träume, viele habe ich auch schon realisiert. Aber ich habe jede Menge Ideen für neue Projekte. Die Inspirationen kommen durch alltägliche Begebenheiten oder auch im Urlaub am Strand mit einem Buch in der Hand. Ich hoffe, dass es noch lange so bleibt.“

Ein Blick in die Tanz Station von Thusnelda Mercy und Pascal Merighi – © Berenika Oblonczyk

DS: Beherrschen Sie eigentlich auch die bekannten Gesellschaftstänze?

Thusnelda Mercy: „Ich habe lange Tango getanzt. Salsa und auch den Wiener Walzer kann ich auch. Ich tanze auch gern auf Partys, wenn ich dafür nur mehr Zeit hätte. (lacht) “

DS: Welche Hobbys haben Sie?

Thusnelda Mercy: „Eigentlich ist mein Beruf mein Hobby, wobei Hobby eigentlich das falsche Wort ist, aber es gibt offensichtlich kein besseres. Ansonsten gehe ich gern mit meinem Sohn in den Zoo oder im Park spazieren.“

DS: Vielen Dank für das offene, informative Gespräch

Das Interview führte PETER PIONKE

 

VITA THUSNELDA MERCY

Thusnelda Mercy wurde 1977 in Marseille (Frankreich) geboren. Ihre Eltern sind die Tänzerin Malou Airaudo und der Tänzer Dominique Mercy, beide Mitglieder des berühmten Tanztheaters Pina Bausch in Wuppertal.

Thusnelda wuchs in Wuppertal auf. Vor ihrem Studium arbeitete sie als Tänzerin und Schauspielerin mit dem „Theater der Klänge“ in Düsseldorf zusammen. 

Sie schloss ihr Studium an der Folkwang Universität der Künste in Essen mit dem Bachelor of Arts ab, wo sie sowohl ihre eigene Choreografien zeigte, als auch als Tänzerin und Assistentin mit dem Choreographinnen und Choreographen Kuo-Chu Wu, Juan Kruz Dias de Garaio Esnaola, Joachim Schlömer sowie ihrer Mutter Malou Airaudo zusammen arbeitete. 

2002 wurde sie von Sasha Waltz für die Kreation „NoBody“ engagiert und arbeitet seitdem regelmässig als Gasttänzerin mit Sasha Waltz & Guests zusammen.

Thusnelda Mercy war von 2003 bis 2015 festes Mitglied des Tanztheaters Wuppertal Pina Bausch. 2008 wurde sie von Pina Bausch als Assistentin für das Stück „Sweet Mambo“ ausgewählt. Sie tanzte in dem Film „PINA – tanzt, tanzt, sonst sind wir verloren““ von Wim Wenders mit.

2013 verkörperte Thusnelda Mercy in dem in Wuppertal gedrehten Kinofilm „King Ping“ (Regie: Claude Giffel) – an der Seite von Christoph-Maria Herbst, Angelika Bartsch, Bela B., Hans Martin-Stier, Godehard Giese, Jana Voosen, Lilay Huser u.a. –  eine Tänzerin.

Thusnelda Mercy: Die Tänzerin, die mit beiden Beinen im Leben steht – © Berenika Oblonczyk

Seit 2009 arbeitet sie als selbstständige Choreografin und unterrichtet auf nationaler und internationalen Festivals. 2014 war sie als Tänzerin und Choreografin in dem Kurzfilm von Kevin Frilet für MOVEment von AnOther Magazine in Kollaboration mit Prada zu sehen.

Das Solo „Sharing a Power Socket“, in Kollaboration mit der schweizerisch belgischen Schauspielerin und Autorin Florence Minder, präsentierte sie zum ersten Mal 2015 in Frankreich im Rahmen des Festivals der FAA. In diesem Solo geht es um die Auseinandersetzung mit dem „Warum und Weshalb“ ihrer Berufswahl und ihrem ganz besonderen Ausgangspunkt, als Tochter von zwei renommierten Tänzern. 

„fabien prioville dance company“ engagierte Thusnelda Mercy für „The SOMA Projekt“. Im November 2015 wurde Thusnelda Mercy als Choreographin an der Universität der Künste in Essen eingeladen und kreierte mit 22 Studenten das Stück „This is my Now“. 

Sie setzte ihre Karriere als Choreografin mit ihrer Kreation „PARTITA“ für das „Ballet de l’Opéra national du Rhin“ 2018 in Frankreich fort. 

Mit dem Choreografen und Tänzer Pascal Merighi, der auch ihr Lebenspartner ist, arbeitet sie in verschiedenen Produktionen eng zusammen. Gemeinsam kreieren sie die Kompanie merighi I mercy. 

Seit einiger Zeit setzt sich Thusnelda Mercy auch mit dem Zusammenspiel von Tanz & Film auseinander. Nach ihrem Film „With in“ in der Tony Cragg-Ausstellung des Von der Heydt Museums in Wuppertal wurde sie mit ihrem Film „Bataville 1931-2002“ u.a. für die „WomenCineMakers Biennale“ Edition 2018 und 2019 des Filmfestivals in Thessaloniki ausgewählt. 

Thusnelda Mercy und Pascal Merighi haben gemeinsam einen Sohn.

Link zur Homepage der TANZ STATION:

http://www.tanz-station.de

 

Termin:

„Zero, Pop und Minimal“

Tanz-Performance mit Thusnelda Mercy & Pascal Merighi

Sonntag -09.07.2023 – 15 Uhr

Von der Heydt-Museum – Turmhof 8 – 42103 Wuppertal

http://www.von-der-heydt-museum.de

 

 

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