4. März 2023

Gegen Burnout-Syndrom: Diagnostiktage als Kurzurlaub getarnt

Managerinnen und Manager tragen viel Verantwortung und stehen häufig unter Erfolgsdruck. Schwäche dürfen Sie nicht zeigen. Dabei haben auch sie manchmal ihre mentalen und gesundheitlichen Tiefs und werden von Selbstzweifeln oder Schlaflosigkeit geplagt. Eine wochenlange Auszeit können sie sich aus unterschiedlichsten Gründen nicht leisten. Für sie hat die Dr. Becker Klinik Juliana jetzt ein ganz spezielles Angebot, die sogenannte "Diagnostikwoche".

Klinik-Geschäftsführerin Katharina von Maltzahn – © Dr. Becker-Klinik Juliana

Die einwöchige Kurz-Reha ist für Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger massgeschneidert, die sich beispielsweise am Rand eines Burnout-Syndroms fühlen und sich psychisch und körperlich von Spezialisten einmal durchchecken lassen wollen. Eine Woche raus aus all dem Stress – getarnt als ein normaler Kurzurlaub oder als Golf-Trip.

Wir haben uns darüber mit Katharina von Maltzahn, Verwaltungsdirektoren der Dr. Becker Klinik Juliana, unterhalten.

DS: Sie haben ein ganz spezielles Angebot: Eine einwöchige Kurz-Reha oder Diagnostiktage, wie Sie es nennen. Was ist darunter zu verstehen?

Katharina von Maltzahn: „Dieses Angebot richtet sich speziell an Menschen, die zuvor den Kontakt mit einem Arzt oder Psychotherapeuten gemieden haben und einerseits noch keine (gesicherte) Diagnose haben, andererseits aber auch zumeist beruflich bedingt, ihre eigene Situation noch nicht als so massiv einschränkend erkennen, als dass sie fünf Wochen aus dem Beruf „abtauchen“ könnten. Dies gilt vor allem für Personen in Führungspositionen. Fünf Wochen Abwesenheit stellen meist ziemlich automatisch viele Fragen und Vermutungen in den Raum, die besonders Führungskräfte in ihrer Führungsrolle schwächen.“

DS: Welche spezielle Idee steckt hinter Ihrem Angebot?

Katharina von Maltzahn: „Die Idee ist folgende: Eine Woche Abwesenheit in Beruf und Familie ist auch mit Urlauben etc. eine normale Abwesenheitsdauer. Während der Woche bei uns erhalten die Patienten eine ärztliche und therapeutische Aufnahme, die zumeist mit einer dann gestellten Diagnose einhergeht. Es kommt aber auch vor, dass Patienten (beispielsweise) mit der gefühlten Schreckenswahrheit eines möglichen Burnouts zu uns kommen und diese Diagnose prüfen lassen wollen.“

Ein Patienten-Gespräch in Zeiten von Covid-19 – © Dr.-Becker Klinik Juliana

DS: Gibt es überhaupt Erfolge, die in dieser einen Woche überhaupt erzielt werden können?

Katharina von Maltzahn: „Während einer Woche können wir die Patienten natürlich nicht „heilen“ – das schaffen wir zumeist auch während einer regulären fünfwöchigen Reha nicht. Aber das ist auch nicht unser Ziel. Unser Ziel ist es, mit gezielten Techniken den Druck herauszunehmen und denjenigen Patienten Methoden und Handwerkszeug zu bieten, welches ihnen ermöglicht, den (stressigen Berufs-)Alltag besser zu bewältigen. Während der Diagnostiktage geht es somit nicht nur um Diagnostik, sondern auch um Mentales Aktivierungstraining, Entspannungstechniken, theoretisches Wissen über die dann gestellte Diagnose und Möglichkeiten zur Stabilisierung im Alltag. Das kann auch bedeuten, sich im ambulanten Setting weiter Hilfe zu suchen.“

DS: Mit welchen Symptomen kommen die Patienten, die dieses Angebot in Anspruch nehmen, in Ihre Klinik?

Katharina von Maltzahn: „Die häufigsten Symptome sind Stress und Abgeschlagenheit, Schlafstörungen oder Gereiztheit und eine gefühlt geringere Belastungsgrenze – aber wie der Name Psycho-Somatik es vermuten lässt eben nicht nur diese psychischen Faktoren, sondern auch körperliche Beschwerden, die daraus resultieren. Dazu gehören Kopfschmerzen, Verspannungen und nicht selten Magen-Darm-Erkrankungen. Der Ausdruck, dass einem etwas „auf den Magen schlägt“ ist hier vermutlich allen ein wohlbekannter Begriff. Dies ist aber nur ein Auszug dessen, was mögliche Symptome sind. Auch die Intensität und Kombination sind dabei absolut unterschiedlich. So verschieden nun einmal, wie wir alle es in unserem Wesen auch sind.“

Ein Patienten-Gespräch in Zeiten von Covid-19 – © Dr.-Becker Klinik Juliana

DS: Richtet sich das Angebot ganz gezielt an Führungskräfte, die im Job keine mentalen Schwächen zeigen dürfen, um nicht ihre Autorität zu verlieren und für die es ein echtes Problem ist, für eine komplette Therapie fünf Wochen von der Bildfläche zu verschwinden?

Katharina von Maltzahn: „Dieses Angebot richtet sich natürlich grundsätzlich an alle Personen, die sich zu dieser Gruppe zählen. Denn es ist auch gut möglich, dass Sie beruflich nicht der Top-Manager, aber ein Teamleiter sind, bei dem sich privat etwas verschiebt und somit die Gesamtsituation für Sie zu einem Overload führt. Allerdings ist das Angebot initial genau aus der Überlegung heraus entstanden, dass ich als Manager möglicherweise besondere Schwierigkeiten habe, mir Schwäche einzugestehen, diese dann zusätzlich noch vor meinen Mitarbeitenden zu zeigen und dann „auch noch“ fünf Wochen auszufallen. Die Idee der Diagnostiktage setzt genau an dem Stadium zwischen 1 und 2 an: Sie bemerken, dass Sie Unterstützung benötigen, sehen aber, nicht so lange ausfallen zu können. Und noch bevor es so weit kommt, suchen Sie sich diskrete Hilfe bei uns, die Ihnen den Umgang mit Ihrem Alltag und den Belastungssituationen erleichtert.“

DS: Wo liegen die Schwerpunkte der Kurz-Therapie?

Katharina von Maltzahn: „Die Schwerpunkte liegen erst einmal in der Diagnosestellung und dann darin, Optionen mit den Patienten gemeinsam zu erarbeiten und sich ein wenig durch die Möglichkeiten zu probieren. Jeder erfährt durch andere Dinge Entspannung oder Stressreduktion. Wir bieten ein Potpourri an Möglichkeiten von Bogenschießen zur bewussten An- und Entspannung über autogenes Training bis hin zu verschiedenen Sportangeboten aber eben auch die Option, sich in einem psychotherapeutischen Setting auszuprobieren.“

DS: Mit welchen Ergebnis gehen die Patienten nach den Diagnostiktagen nach Hause?

Katharina von Maltzhan: „Natürlich können wir innerhalb einer Woche niemanden gesunden. Das ist aber auch nicht die Idee der Diagnostiktage. Wir setzen unser Fachwissen bewusst mit dem Patienten ein, um überhaupt erst einmal zu beleuchten, wo derjenige gerade steht und welche Optionen es kurzfristig zur Lösung gibt, mit welchen Techniken oder „Kleinigkeiten“ der Alltag besser gestaltet werden kann. In der Theorie ist es nämlich immer leicht gesagt, der Manager müsse ja nicht immer bis abends um acht im Büro sitzen und er könne ja auch einfach mal das Telefon umstellen. Dazu gehört aber einerseits bewusstes umgewöhnen und andererseits Disziplin und deshalb auch Zeit. Denn den Stress können wir den Managern nicht nehmen. Aber wir zeigen ihnen hier Techniken, mit denen sie zu Hause besser abschalten, im Büro zwischen zwei Terminen besser entspannen können und eruieren gemeinsam, ob das vielleicht sogar schon ausreicht.“

Entspannungstherapie in der Dr.-Becker-Klinik Juliana – © Dr. Becker-Klinik Juliana

DS: Wie sieht der Tagesablauf eines solchen Patienten aus?

Katharina von Maltzahn: „Die „Diagnostiktage“ sehen einen täglichen fachärztlichen Kontakt neben  3 x 50 Min. Psychotherapiegespräch sowie ein sport- und ergotherapeutisches Assessment während des einwöchtigen Aufenthalts bei uns vor. Daneben sind aber auch und besonders Entspannung, Gedächtnistraining, Sport und Bewegungseinheiten, Kunst- und Musiktherapie, bei Bedarf Aromatherapie, Akkupunktur und medikamentöse Therapie angeboten. Wie bereits zuvor beschrieben bieten wir das Buffet an und der Patient kann sich ein Bild der Optionen machen und gemeinsam mit dem Facharzt bewerten, welche Ansätze für ihn besonders tragfähig scheinen. Wie genau die Termine in der Reihenfolge im Verlauf des Tages liegen ist dabei unterschiedlich.“

DS: Bekommen die Patienten am Ende der Woche einen Therapie-Plan mit nach Hause?

Katharina von Maltzahn: „Nein. Am Ende der Woche erhalten die Patienten keinen Therapieplan für zu Hause. Wir bieten ihnen aber eine Online-Plattform, die wir bei Dr. Becker „Mein Bereich“ getauft haben, in der auch nachträglich noch viele kleine Alltagstipps und Handouts zu finden sind und bei Interesse einen Newsletter. Die Diagnostiktage sind zunächst dazu da, klar zu beleuchten, wo man steht und schon einmal ein paar Optionen erschnuppert zu haben. Für einen Therapieplan für zu Hause sind unsere Alltage zu unterschiedlich.

DS: Das können Sie doch sicher näher erklären?

Katharina von Maltzahn: „Denken Sie beispielsweise an eine Managerin und einen Manager. Beide sind in ähnlichen Positionen in der gleichen Branche: Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder, die sie nach der Arbeit fordern. Der Manager ist alleinstehend und pflegt zu Hause seine demenzkranke Mutter. Sie ist Frühaufsteherin und am produktivsten in den frühesten Morgenstunden, er kommt morgens nur schwer aus dem Bett und arbeitet lieber bis spät in die Nacht hinein. Und so unterschiedlich gestalten sich die Tagesabläufe dann eben auch.“

Die Luftaufnahme der Reha-Klinik im Grünen, auf der man auch die Nähe zum Golfplatzes erkennt – © Dr.-Becker Klinik Juliana

DS: Wird eine solche Kurz-Therapie auch von den Krankenkassen bezahlt?

Katharina von Maltzahn: „Leider zieren sich die Krankenkassen, solche Programme zu unterstützen. Dafür sind diejenigen, die bei uns die Diagnostiktage in Anspruch nehmen, noch nicht „krank genug“. Die Kosten sind daher in der Regel selbst zu zahlen. Natürlich ist es kein Urlaub, aber sicher genauso gut investiertes Geld.“

DS: Wie groß ist die bisherige Resonanz bei den Diagnostiktagen?

Katharina von Maltzahn: „Unser Kerngeschäft ist und bleibt die Reha. Das ist aber auch genau richtig so, denn so können wir unsere Kompetenzen genau dort bündeln und unsere fachlich hohe Qualität auch bei geringerer Auslastung in diesem Programmzweig stets sicherstellen. Psychische Erkrankungen sind weiterhin mit einem großen gesellschaftlichen Stigma verbunden und besonders bei Managern ist aufgrund der eigenen und gesellschaftlichen Erwartungshaltung die Bereitschaft, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen meist erst dann gegeben, wenn das Problem schon so groß ist, dass eine Woche Diagnostik nicht mehr ausreichend ist.“

DS: Welche Feedbacks gibt es von den Patienten?

„In Summe sind die Patienten, die die Diagnostiktage in Anspruch nehmen, einerseits schockiert, dass sie sich eingestehen müssen, tatsächlich mit einer Situation umgehen zu müssen, die auch ein Außenstehender so einschätzt, dass sie Hilfe benötigen. Gleichzeitig sind sie bei Abreise in der Regel froh, so viel Input und auch Hilfestellung erhalten zu haben und nicht mehr aussichtslos vor einem großen Berg an Problemen zu stehen sondern auch Lösungsansätze mit auf den Weg gegeben zu bekommen. Zusätzlich erhalten wir häufig das Feedback, dass unser Konzept sehr durchdacht und aufeinander abgestimmt ist.“

So modern und gemütlich sind die Patientenzimmer eingerichtet – © Dr.-Becker-Klinik Juliana

DS: Inwieweit spielen hier Livestreams und Videoschalten eine Rolle?

Katharina von Maltzah: „Livestreams und Videoschalten spielen hier aktuell keine Rolle. Wir setzen stark auf den zwischenmenschlichen, persönlichen Kontakt. Über den zuvor beschriebenen „MeinBereich“ im Anschluss gibt es aber Input in Form von Videos, das auch zu Hause zur Verfügung steht.“

DS: Wie wichtig ist der Faktor bei dieser Kurz-Therapie, dass Ihre Klinik doch ein Stück weit von der Stadtmitte entfernt in einem wunderschönen, landschaftlich reizvollen Grüngürtel liegt?

Katharina von. Maltzahn: „Natürlich geht es während dieser Woche auch darum, zur Ruhe zu kommen. Dass wir zentral genug liegen, um gut für die Anreise erreichbar zu sein aber gleichzeitig weit genug weg vom Zentrum und dem Stress der Stadt zu entkommen liegen, spielt uns da natürlich deutlich in die Karten. Denn von uns aus ist man in wenigen Fußminuten auf der Trasse und kann die Therapie- oder Diagnostikfreie Zeit gut für Spaziergänge oder eine kleine Radtour nutzen.“

DS: Vielen Dank für das informative, interessante Gspräch

Das Interview führte Peter Pionke

 

Hell und freundlich: Das Foyer mit dem Empfang – © Dr. Becker Klinik Juliana

 

Link zur Webseite der Dr. Becker Klinik Juliana

http://www.dbkg.de

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