4. April 2022

Helios Klinikum: Neuer Chefarzt setzt auf Knopfloch-OP

Die Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Sportmedizin im Helios Klinikum hat  einen neuen Chefarzt: Priv.-Doz. Dr. med. Koroush Kabir. Er bringt ein bisher selten verwendetes Verfahren mit nach Wuppertal: die endoskopische Beckenring-OP. Der Bruch des Beckenrings ist unter anderem eine häufige Folge von Motorrad-Unfällen.

Chefarzt Priv.-Doz. Dr. med. Koroush Kabir – © Helios Klinikum /Michael Mutzberg

Die einleitende Patientengeschichte verdeutlicht den Nutzen dieser OP: Dem Patienten wird ein großer Bauchschnitt erspart, ähnlich einem Kaiserschnitt, wie er bisher regelhaft bei Beckenringbrüchen zur Anwendung kam. Dadurch verläuft die Rekonvaleszens wesentlich schmerzärmer; unser Patient konnte am nächsten Tag bereits aufstehen. Nach Beckenbruch schnell wieder auf den Beinen: Neues OP-Verfahren am Helios Universitätsklinikum Wuppertal macht es möglich.

30 Jahren war H. Schmidt (Name geändert) unfallfrei mit dem Motorrad unterwegs. Doch dann nimmt ihm jemand die Vorfahrt. Sekundenbruchteile zu früh, um auszu- weichen. „Schon beim Flug durch die Luft dachte ich: Das wird heftig!“, so Schmidt im Rückblick. Massiv prallt er auf den Asphalt, der Beckenring ist gebrochen. Im HUKW trifft er auf den neuen Chefarzt Priv.-Doz. Dr. med. Koroush Kabir, der ihm ein bisher seltenes Verfahren vorschlägt. 

Kaum Schmerzen nach einer großen Beckenbruch-OP – das war der Plan. Schmidt ist begeis- tert, als er am Tag nach der OP schon wieder aufstehen kann. „Da meine Muskeln im Bauch nicht durchtrennt wurden, konnte ich sie sofort fast normal benutzen und mich dadurch ins- gesamt so viel sicherer bewegen, als ich es zum Beispiel bei Frauen nach einem Kaiserschnitt gesehen habe. Deshalb habe ich dieser neuen OP auch direkt zugestimmt. Und es funktioniert.“ 

Den Beckenring per Knopfloch-OP behandelt 

Große Verletzungen durch ganz kleine Schnitte behandeln ist eine Spezialität von Priv.-Doz. Dr. med. Koroush Kabir, der die Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Sportmedizin am Helios Universitätsklinikum übernommen hat. Das bisher selten verwendete Verfahren ist eine der innovativen Methoden, die der neue Chefarzt nach Wuppertal mitbringt und die helfen, seine Patient:innen besonders schnell wieder fit zu machen. „In jedem Alter ist in Bewegung bleiben immens wichtig“. 

„Die feste Verbindung im Becken ist zentral für die Stabilität des Körpers beim Gehen“, erläutert Dr. Kabir am Bett des Patienten. „Um diese wiederherzustellen, setzten wir Herrn Schmidt eine schmale Stahlplatte ein. Hierzu wurde bisher immer ein großer Bauchschnitt gemacht, ähnlich wie beim Kaiserschnitt. Im Unterschied zur herkömmlichen OP haben wir hier aber minimalinvasiv operiert, das heißt, über fünf winzige Bauchschnitte wurden Instrumente und Kameras hinter die Muskulatur geführt. Das Operationsgebiet wurde zunächst mit einem Ballon und später per Gaszufuhr etwas geweitet, so dass wir dort gut arbeiten konnten. So ersparten wir dem Patienten die Durchtrennung der geraden Bauchmuskeln und damit eine wochenlange Wundheilung und viele Schmerzen.“ 

„Ich bin wirklich erstaunt, dass ich am Tag nach der OP bereits aufstehen konnte“, freut sich Hannes Schmidt. Jetzt, eine Woche nach der OP, geht er schon wieder vorsichtig die Treppe rauf und runter. Physiotherapie und Nachsorge verlaufen ähnlich wie nach der normalen Be- handlung, aber wesentlich schmerzärmer. Dadurch gibt man dem Patienten viel mehr Möglich- keiten, sich zu bewegen, und das trägt auch zur rascheren Knochenheilung bei. 

Unfallchirurgie ist einer der Schwerpunkte von Dr. Kabir. Bereits während seines Medizinstudi- ums und der Promotion an der Yale University konnte er bei prominenten Mentoren Erfahrun- gen in der Traumatologie sammeln. Die Habilitation erlangte er 2018 mit seiner Forschung zur Halswirbel-Endoprothetik. Vor seinem Wechsel zu Helios war Kabir zuletzt Leitender Oberarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie an der Universitätsklinik Bonn. Seit 2013 leitete er die dortige Sektion Unfallchirurgie. Priv.-Doz. Dr. Kabir übernimmt die Wuppertaler Klinik von seinem Vorgänger Prof. Dr. med. Erol Gercek, der auf den Lehrstuhl für Unfallchirurgie nach Mainz gewechselt ist. 

Neue OP-Techniken für alle Altersgruppen 

Die Wuppertaler Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Sportmedizin ist seit Jahren als Überregionales Traumazentrum und Kindertraumatologisches Referenzzentrum zertifiziert. „Eine so große Abteilung an einem Universitätsklinikum zu leiten, ist mir eine große Ehre. Gleichzeitig nehme ich auch die Herausforderung bewusst an, die damit einhergeht“, erklärt Dr. Kabir. „Ich möchte hier mit meinem Team unter anderem die Alterstraumatologie und die Sportmedizin vorantreiben.“ 

Viele moderne Verfahren wie Umstellungsoperationen oder Knorpeldefektbehandlungen kön- nen dazu beitragen, die körpereigenen Gelenke möglichst lange zu erhalten. Auch im Alter, wenn der Knochen an Stabilität verliert, kann die moderne Orthopädie den Patienten zu einer 

längerfristigen Erhaltung ihrer Mobilität verhelfen, zum Beispiel mit aktuellen Methoden bei Insuffizienzfrakturen, die in einer immer älter werdenden Bevölkerung naturgemäß häufiger auftreten. Dr. Holger Raphael, Geschäftsführer des HUKW, ist erfreut über den breiten Erfah- rungsschatz des neuen Klinikdirektors: „Es gibt wenige ärztliche Kollegen mit einer derart breit gefächerten Expertise. Wir freuen uns für alle Bergischen Patient:innen, dass Dr. Kabir unser Chefärzteteam bereichert.“ 

Sportmedizin als Klinik-Schwerpunkt 

Als Kooperationspartner des Olympiastützpunktes Rhein-Ruhr und von Mannschaften wie Handball-Bundesligist BHC, des HSC Solingen Gräfrath, TV Beyeröhde oder des LAZ Wuppertal hat Helios in Wuppertal gerade in den letzten beiden Jahren die Unterstützung des Spitzen- sports in der Region intensiviert. Dr. Kabir möchte die Erkenntnisse aus dem Spitzensport auch für alle Sportler nutzen, insbesondere die Prävention.

„Schon ein schlechter Schuh oder fal- sches Training können zur Entstehung chronischer Erkrankungen beitragen, von denen die Patienten meist erst viel zu spät etwas merken. Dann können wir sie zwar immer noch behan- deln. Aus ärztlicher Sicht noch besser wäre es allerdings, sie von vornherein zu vermeiden. Deshalb ist es mir ein besonderes Anliegen, dass wir für alle Sportler ständig erreichbar sind, um dringende Fragen zu beantworten. Das gilt auch für die vielen Amateure, deren Verlet- zungsrisiko oft höher ist.“ 

„Mein Steckenpferd ist Nachhaltigkeit“ 

Der gebürtige Iraner Kabir ist Vater einer Tochter und lebt mit seiner Familie in Köln. Das Bewusstsein für den Klimawandel gehört für ihn zu den großen Zukunftsthemen, die auch in der Medizin mehr Beachtung finden sollten. „Wenn meine kleine Tochter mich später fragt: ‚Was hast du getan, Papa?‘, möchte ich mit gutem Gewissen antworten können: Ich habe proaktiv an Lösungen gearbeitet.“

Deshalb schreibt Dr. Kabir derzeit ein Buch über Nachhaltigkeit in der Medizin, mit dem er diese wichtige Debatte voranbringen und Impulse für eine Nachhaltigkeitsagenda setzen möchte. 

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