16. November 2021

„Die Impf-Kampagne muss klare Botschaften haben!“

Die Inzidenzen steigen täglich! Rund 67 Prozent der Deutschen sind zweimal gegen das Covid-19-Virus geimpft. In anderen Ländern ist die Quote weit höher. Doch viele Bundesbürger lehnen die Impfung aus Angst vor schweren Nebenwirkungen oder nicht absehbaren Spätschäden ab. Prominentes Beispiel ist Fußball-Nationalspieler Joshua Kimmich. 

Marketing-Experte und Galerist Vok Dams © Vok Dams iNotes

Hat die Politik – beraten von unzähligen Experten – in Sachen Aufklärungsarbeit versagt und nicht den richtigen Ton getroffen? War die Impf-Kampagne zu wenig überzeugend, zu wenig emotional? Wir haben diese und andere Fragen dem Wuppertaler Marketing- und Kommunikations-Experten Vok Dams gestellt.

DS: Immer wieder hört man die Argumente: Corona ist nicht schlimmer als die Grippe. Und es sterben ja nur Menschen, die auch ohne Corona-Infizierung gestorben wären. Wie sehen Sie das?

Vok Dams: „Ich kann mich nicht erinnern, dass eine Grippewelle weltweit je solche Reaktionen ausgelöst hätte. Daraus schließe ich, dass die wissenschaftlichen Analysen und internationalen Erfahrungen durchaus glaubwürdig sind. Ich bin kein Anhänger von Verschwörungstheorien.“

DS: Millionen holen sich jedes Jahr freiwillig die Grippeimpfung ab, obwohl die Wirksamkeit laut RKI nur zwischen 59 – 67 Prozent liegt – also unter der der Covid-19-Impfe. Können das verstehen?

Vok Dams: „Auch hier scheint mir die ganze Diskussion irrational zu sein. Als Impfskeptiker muss ich mich irgendwann entscheiden, ob mir das Risiko einer Erkrankung oder oder einer Impfung größer erscheint. Die Chance, eine Grippe ohne Impfung zu überleben, scheint mir dabei größer zu sein, als bei Corona. Und Impfvorschriften gab es auch bei Pocken und Kinderlähmung, sowie bei vielen Auslandsreisen für die unterschiedlichsten Erkrankungen.“

DS: Was wurde bei der Impf-Kampagne aus Ihrer Sicht als Marketing- und Kommunikations-Experte von vornherein falsch gemacht?

Vok Dams: „Technisch war die Organisation mit den Impfzentren und den Teststationen durchaus in Ordnung. Kommunikativ aber eine Katastrophe. Ähnlich wie die Gesundheitsämter noch mit Faxgeräten arbeiten, erschöpfte sich die Ansprache der Bevölkerung weitgehend in amtlichen Schreiben mit Hinweisen auf Internet-Anmeldungen. Dass hiermit ältere Mitbürger und prekäre Milieus nur bedingt erreicht werden, versteht sich von selbst.“

DS: Viele Geimpfte haben sich so verhalten, als gehöre das Virus endgültig der Vergangenheit an. Hätte man sie besser vorbereiten, bzw. sensibilisieren müssen?

Vok Dams: „Nachher weiß man natürlich alles besser. Die Dauer der Wirksamkeit einer vollen Impfung ist anfangs wohl überschätzt worden. Die begleitende Kommunikation zu der Booster-Impfung ist wieder sehr technisch und wenig emotional. In Verbindung mit unklaren und widersprüchlichen politischen Diskussionen konnten daraus keine Verhaltensregeln abgeleitet werden.“

Vok Dams – die Schutzmaske ist zum ständigen Begleiter geworden – © Vok Dams iNotes

DS: Der Vergleich Corona vs. Grippe zieht sich durch die gesamte Pandemie, warum hat man nie richtig eindeutig herausgestellt, wie viel gefährlicher Covid-19 in Wirklichkeit ist?

Vok Dams: „Die Gefährlichkeit wurde aus meiner Sicht schon sehr deutlich in der Öffentlichkeit thematisiert. Speziell in endlosen Fernsehsendungen mit  Inzidenzwerten,  kontroversen Diskussionen und ermüdenden Reportagen aus Intensivstationen und Impfzentren, bei denen unzählige Spritzen in ebenso viele Oberarme gestochen wurden.“

DS: Warum hat man das nicht mit Zahlen, die es ja offensichlich gibt, in aller Öffentlchkeit belegt, allein um den Skeptikern den Wind aus den Segeln zu nehmen?

Vok Dams: „Mit Zahlen, die Interessierten ja zur Verfügung stehen, sind Skeptiker nicht zu überzeugen. So erreicht man einerseits die kritischen Zielgruppen nicht, andererseits fehlt die Story, die zur Impfung motiviert und die Verantwortung für die Gemeinschaft deutlich macht.“

DS: Hat man den Leuten zu sehr vorgegaukelt, die Covid-19-Impfung sei das ultimative Allheilmittel und wer geimpft ist, sei aus dem Schneider?

Vok Dams: „Ich denke, es war die Hoffnung, an die man sich geklammert hat. Sowohl die Wissenschaftler als auch die Geimpften.“

DS: In Diskussionen kann man inzwischen das Gefühl bekommen, dass nicht wenige Ungeimpfte Fälle, in denen sich Geimpfte mit Covid-19 infizieren, fast schon mit Genugtuung und einer gewissen Häme zur Kenntnis nehmen. Hat das Ausgrenzen und Stigmatisieren von Ungeimpften nicht für so eine Art Neid-Debatte gesorgt und die Fronten unnötig verschärft?

Vok Dams: „Dass die Fronten sich hier verhärtet haben, ist ein Nebeneffekt.Druck erzeugt Gegendruck und die fehlende Kommunikation führt zur Frontenbildung. Die Aufforderung gemeinsam Verantwortung zur Eindämmung der Epidemie zu übernehmen könnte hier für Entspannung sorgen.“

DS: Wie würden Sie als Kommunikations-Experte eine Werbe-Kampagne für die Covid-19-Impfung gestalten, um zu retten, was noch zu retten ist?

Vok Dams: „Außergewöhnliche Ereignisse erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Ich könnte mir eine Kampagne im Stil der Wahlwerbung mit klaren Botschaften vorstellen, in der Testimonials sich zu ihrer Verantwortung bekennen, unser Land vor Corona und der Pandemie zu schützen. Mit Großplakaten, die alle Bürger erreichen und das Bild in der Öffentlichkeit bestimmen.“

DS: Vielen Dank für das offene Gespräch

Das Interview führte Peter Pionke

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