6. Februar 2021

„Mama, es zuckt so“ Tic-Störungen im Kindesalter

„Der tickt nicht richtig!“ ist eine geläufige Redewendung für Personen, die sich abweichend der Norm verhalten. Damit ist dann meist ein ungewöhnliches Benehmen oder eine auffällige Eigenart gemeint. Bei vielen Erwachsenen wird das Verhalten dann als Spleen abgetan. Doch haben auch Kinder sehr häufig eine Eigenart, einen Tic, unter dem sie nicht selten leiden.

Diplom-Psychologin Barbara Knoblauch – © Dirk Sengotta

Wie sich der Tic bemerkbar macht: Es gibt zwei Arten von Tics, sogenannte motorische (die Bewegung betreffende) und vokale (in Lautäußerungen auftretende) Tics.

Als motorische Tics bezeichnet man ganz allgemein das unwillentliche, krampfartige Zusammenziehen von Muskeln, die sich dann in mehr oder weniger auffälligen Zuckungen bemerkbar machen. Im Einzelfall kann das einfaches Augenblinzeln, Ziehen von Grimassen oder Schulterzucken, aber auch überraschendes Kneifen oder immer wiederkehrende Kopfbewegungen sein.

Dabei ist das „ewige“ Wiederholen ein und derselben Bewegung für motorische Tics genauso kennzeichnend wie ihr urplötzliches und unerwartetes Auftreten. Vokale Tics äußern sich dagegen in Form von unwillentlichem Räuspern, Schnüffeln, Ausstoßen von Lauten, Bellen etc.. Auch sie treten plötzlich und in ständiger Wiederholung auf. So werden bei einem komplexen vokalen Tic beispielsweise bestimmte, oftmals obszöne, Wörter oder Laute immer wieder geäußert, was für den Betroffenen und die Umgebung höchst unangenehm werden kann.

Aber auch Menschen mit komplexen motorischen Tics werden von ihrer Umgebung häufig als belästigend empfunden. Denn das ständige Wiederholen bestimmter Bewegungen, wie sich im Kreise drehen oder in die Hände klatschen, lässt das Tic-erkrankte Kind auf Außenstehende nicht selten zwanghaft und verrückt erscheinen.

Kinder sind häufig betroffen

Tics treten viel häufiger auf, als allgemein angenommen wird. Ungefähr 15 Prozent aller Schulkinder zeigen irgendwann vorübergehend einen Tic. Der Rat von Fachleuten, diese Tics nicht allzu ernst zu nehmen, ist oftmals richtig, da sie meist von vorübergehender Natur sind und vielfach innerhalb eines Jahres wieder verschwinden (vorübergehende Tic-Störung).
Doch sollten Tics bei Kindern nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Wie ernst eine Tic-Störung ist, lässt sich nämlich auf Anhieb nur sehr schwer sagen. Denn bei der ersten Untersuchung eines Tics ist kaum zu unterscheiden, ob es sich um ein vorübergehendes Problem oder um den Beginn einer lang andauernden Störung handelt (chronische Tic-Störung). Der Spielraum einer Tic-Erkrankung ist sehr weit und reicht von völliger Harmlosigkeit bis zum Tourettesyndrom, einer zwar seltenen, aber sehr schwer wiegenden Tic-Erkrankung. Sie äußert sich in einer Kombination mehrerer motorischer und vokaler Tics.

Die Ursachen für eine Tic-Störung sind bis heute nicht aufgeklärt. Eine genetische Beteiligung gilt als sicher, was familiäre Häufung zur Folge hat.

Behandlung ist möglich

Kinder, die mit einer Tic-Störung gut zurecht kommen und einen positiven Entwicklungsverlauf aufweisen, müssen nicht behandelt werden. Oft reicht eine vorübergehende Beratung der Familie aus. Die Ursachen eines Tics haben nichts mit der Intelligenz eines Kindes zu tun. Dafür gehen die Störungen um so häufiger mit emotionalen Problemen einher. Emotionale Belastungen erhöhen die Stärke und Häufigkeit von Tics. Daher ist es für eine gezielte Behandlung des Tic-gestörten Kindes wichtig, diese emotionalen Faktoren zu erkennen.

Meist helfen schon Stress reduzierende Maßnahmen wie Autogenes Training und Entspannungstraining. Bei ihrer gezielten Anwendung lassen die meisten Tics schon nach. Auch eine Psychotherapie kann für die Kinder und ihre Familien hilfreich sein, wobei hier die Gesamtsituation, also die ursächlichen psychischen Konflikte aus der die Krankheit resultiert, im Vordergrund stehen sollte.

Bei schwerwiegenden Tic-Störungen sollte auch eine medikamentöse Behandlung diskutiert werden. Nutzen und Nebenwirkungen müssen dabei einander gegenüber gestellt werden. Die Betroffenheit des Kindes und sein Leidensdruck stellen einen Grad der Behandlungsbedürftigkeit dar.

Oft entsteht der Leidensdruck erst durch die soziale Aufmerksamkeit, die die Symptome erzielen, oder wird zumindest meist dadurch verstärkt. Für die Eltern sind die Tics des Kindes oft nur sehr schwer auszuhalten. Gut gemeinte Ratschläge, Maßnahmen der Eltern die Symptome zu unterdrücken oder sie negativ zu sanktionieren helfen wenig, haben meist gegenteilige Effekte und verschlimmern die Symptomatik.

Meinen Sie bei Ihrem Kind eine Tic-Symptomatik zu erkennen, stellen sie das Kind Ihrem Kinderarzt vor, um dann gegebenenfalls weitere Maßnahmen einzuleiten.

Ihre
Barbara Knoblauch – Dipl. Psych. /Psychotherapeutin

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