1. Februar 2021

„Café Populaire“: Große Themen durch die Hintertür

Das Wuppertaler Schauspiel geht neue Wege. Aufgrund des Lockdowns erreicht ihr neuestes Stück CAFÉ POPULAIRE das Publikum jetzt in einer Stream Version, die Aufzeichnung der internen Premiere. Auch wenn naturgemäß der Charme eines Live-Auftritts damit nicht erreicht werden kann, so bietet es den Theaterfreunden doch einen auf Zeit annehmbaren Ersatz.

Das Bühnenbild von „Café Populaire“ – © Wuppertaler Bühne / Uwe Schinkel

Gerade das auf Dialog setzende Stück „Café Populaire“ von Nora Abdel-Maksoud dürfte hier eine besondere Eignung haben. 

Die in München 1983 geborene Regisseurin Nora Abdel-Maksoud wurde 2017  zur Nachwuchsregisseurin des Jahres gekürt und mit dem Kurt-Hübner-Regiepreis ausgezeichnet. Erfrischend verbandelt sie in ihren Komödien große Themen durch die Hintertür.

Café Populaire entlarvt schnell und witzig unseren alltäglichen Klassismus, also Vorurteile und die damit einhergehende Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft. Der Züricher Uraufführung 2018 folgten zahlreiche Offerten großer Bühnen. 

“If you want to make the world a better place, take a look at yourself, and make a change“ (Wenn Du die Welt zu einem besseren Ort machen willst, schau auf Dich selbst und ändere Dich), singt der King of Pop in Svenjas Lieblingslied. Svenja ist Hospiz-Clown und betreibt einen V-Log, über den sie ihren ‚Humornismus‘ verbreitet – eine Mischung aus Humor und Humanismus, mit der sie Barmen zu einem besseren Ort machen möchte 

Online hat Svenja acht Follower, im real life hört ihr nur noch Püppi zu. Die älteste Hospizpatientin annonciert im Netz nach einem bolschewistischen Stahlarbeiter,  während Svenja sich mit ihrem Unterhaltungsprogramm beim Gasthaus zur Goldenen Möwe bewirbt und Aram – Dienstleistungs-Proletariat – sich um alles kümmern muss, für das sich die wohlstandsverwöhnten Barmer zu fein sind.

Deshalb ist Aram in den Augen des Dons Abschaum. Don ist Svenjas zweites Ich, eine Art „Über-Ich“, wie Freud es beschreibt, mit dem sie sich auseinandersetzen muss. Als Svenjas Klickzahlen durch den Don unverhofft ansteigen, muss sie sich entscheiden, wie sie mit dem „Man in the Mirror“ umgehen soll, der ihr böse Gedanken einflüstert.

Bis dahin gibt Svenja als Hospizclown (Madeline Martzelas) ihre mit Political Correctness überfrachteten Scherze zum Besten. Ihr Publikum besteht aus acht Abonnenten auf Youtube, und der frotzelnden Heimbewohnerin Püppi (dargestellt von Stefan Walz). Püppi, die Altlinke, sucht seit dem Tod ihres Mannes nach einem neuen „bolschewistischen Stahlarbeiter mit revolutionärem Tatendrang“.

Das Ensemble von „Café Populaire“ – © Wuppertaler Bühnen / Uwe Schinkel

Und dann ist da noch Aram (Konstantin Richert), der als Inbegriff des „Dienstleistung-Proletariats“ hinhalten muss. Der Mann für alles im Ort, Putzmann, Kellner, Uber-Fahrer, Amazon-Angestellter – sowie bald Papa und daher verzweifelt auf der Suche nach einer neuen Bleibe. Kein Wunder wird er hellhörig, als der Gasthof „Zur Goldenen Möwe“, inklusive Wirtswohnung, einen neuen Besitzer sucht.

Aber auch Svenja wittert ihre Chance: Sie will die „Möwe“ zu ihrer Bühne machen. Dumm nur, dass eine innere Stimme namens „der Don“ (Julia Meier) dazwischenfunkt und ihr unkontrolliert das Wort entreißt. Ihr Alter Ego, ein bourgeoiser Schnösel ohne soziale Scham, der arme Menschen hasst, die „Assi-Prolls“ aus der „Unterschicht“ nicht verstehen will, sondern verachtet und Barmen „sozial entmischen“ will: Ab in die Agglo mit dem Proletariat!

Alles in allem eine sehenswerte Darstellung: Schnell, witzig, respektlos – eine politisch superkorrekte Komödie!

Die nächsten Vorstellungen sind am Samstag (06.02.) und am Samstag (20.02.)  jeweils 19.30 Uhr und jeweils Zuhause. Der Vorverkauf zum jeweiligen Termin endet eine Stunde vor Stream-Beginn.

Der Stream ist für 24 Stunden als Video-on-Demand verfügbar. Erworben wird  ein personalisierter Zugang, der nur auf einem Endgerät eingesetzt werden kann. Tickets ab 12 €. http://www.wuppertaler-buehnen.de

Text: Siegfried Jähne

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