4. Oktober 2020

„Mama, ich habe in die Hose gemacht“

Unsere Kolumnistin, Psychotherapeutin Barbara Knoblauch, spricht heute ein Tabuthema an: Wenn Kinder sich in die Hose machen.

Diplom-Psychologin Barbara Knoblauch – © Dirk Sengotta

Wir sprechen heute ein Tabu-Thema an. Definition: Das kindliche Einkoten, wenn das Kind unwillentlich oder willentlich wiederholt in die Hose macht oder seinen Stuhl an anderen, nicht dafür vorgesehenen Stellen entleert. Die Problematik muss mindestens einmal pro Monat bestehen über 3 bis 6 Monate lang. Das Kind muss mindestens 4 Jahre alt sein. Körperliche Krankheiten als Ursache für die Problematik müssen ausgeschlossen sein.

Häufigkeit: Einkoten kommt deutlich weniger als Einnässen vor. Ca. 4 Prozent aller Vierjährigen koten noch ein. Jungen sind in allen Altersstufen deutlich häufiger betroffen (drei- bis viermal) als Mädchen. Ursachen: Im Gegensatz zum Einnässen gibt es keinen Hinweis auf genetische Verursachung, d.h. erbliche Faktoren sind nicht Ausschlag gebend. Es gibt keine familiäre Veranlagung. Insgesamt sind die Ursachen nicht befriedigend geklärt. Erscheinungsformen: Wie beim Einnässen (Enuresis) wird zwischen dem primären und dem sekundären Einkoten (Enkopresis) unterschieden. Beim primären Einkoten war das Kind noch nie über einen längeren Zeit-raum (mindestens 6 Monate) richtig sauber, hat noch keine wirkliche Darmkontrolle entwickelt. Das Kind hat nie gelernt seinen Stuhl willentlich an einem definierten Ort, meist die Toilette, zu entleeren.

Neben den körperlichen Ursachen müssen ebenso Entwicklungs-Störungen und -Verzögerungen ausgeschlossen werden. Z.B. muss einer geistigen Behinderung Rechnung getragen werden, d.h. ein beeinträchtigtes Kind muss das Sauberkeitstraining nicht mit vier Jahren abgeschlossen haben, sondern nur das gesunde, nicht verzögerte Kind. Gründe für das Unvermögen können auch an einem unzureichenden Toilettentraining mit Frustrations- und Versagenserlebnissen liegen. Beim sekundären Einkoten war das Kind bereits eindeutig sauber (mindestens 6 Monate), hat eine wirkliche Darmkontrolle entwickelt und kotet, egal ob mit erkennbarem oder ohne erkennbaren Grund, wieder ein. Das Kind ist grundsätzlich in der Lage seine Stuhlentleerung adäquat durchzuführen. Es wird durch eine Reihe möglicher psychischer Gründe daran gehindert. Kindliche Ängste können eine Rolle spielen. Der Weg zur Toilette ist weit und dunkel, es befindet sich ein Monster in der Toilette, sie ist dunkel, unangenehm riechend etc. Das Kind wird beim Entleeren beobachtet oder fühlt sich beobachtet.

Viele Kinder meiden die Schultoiletten und halten ihren Stuhl zurück. Zudem ist das Einkoten oft Ergebnis von Auseinandersetzungen zwischen Eltern und Kind, wobei das Kind durch Zurückhalten des Stuhls Macht in der Auseinandersetzung findet. Ein Kind, das über Tage seinen Stuhl nicht ausscheidet, kann die Eltern in die Verzweiflung treiben. Kinder halten zudem häufig nach einer Verstopfung (Obstipation) aus Angst vor Schmerzen ihren Stuhl zurück. Durch die Verstopfung verhärtet sich der Stuhl im Dickdarm und kann beim Entleeren zu kleineren oder größeren schmerzhaften Rissen im Dickdarm führen, was wiederum die weitere Entleerung mit Angst besetzt und zu weiterem Zurückhalten mit Verschlimmerung der Obstipation führt. Ein Teufelskreis entsteht.

Der Körper hilft sich, indem er den oberen Teil des Stuhls erweicht bis verflüssigt, der dann ausgeschieden wird. Die Umgebung interpretiert das Ab-setzen des Stuhls häufig als Durchfall. Die Kinder zeigen Haltemanöver, die sie je nach Alter verstecken. Das Problem des Zurückhaltens wird oft verkannt und nicht entdeckt. Wird nun irrtümlicherweise ein Mittel gegen den vermeintlichen Durchfall verabreicht, wird die ganze Problematik noch wesentlich verschlimmert. Einkoten kann alleine auftauchen, zeigt sich aber auch häufig in Verbindung mit Einnässen.

Häufig steht die Problematik in Zusammenhang mit anderen seelischen Störungen. Manchmal wird der Kot am Körper oder an Gegenständen in der Umgebung verschmiert. Die Beziehung zu den Eltern ist meist nicht nur als Folge der Symptomatik gestört. Sowohl ein zu liebevoller, gewährender als auch ein stark strafender Erziehungsstil können beobachtet werden. Auch der Verdacht auf sexuelle Gewalt muss ausgeschlossen werden. Da das Einkoten sehr häufig mit anderen Entwicklungsstörungen und seelischen Störungen einhergeht, bedarf es meist intensiverer therapeutischer Maßnahmen, die häufig eine stationäre Unterbringung erfordern.

Hier können die jeweiligen Maßnahmen wie Verhaltensbeobachtungen, Sauberkeitstraining, psychotherapeutische Maßnahmen – insbesondere Verhaltenstherapie, Beratung der Eltern, familientherapeutische Maßnahmen etc. kombiniert und durchgeführt werden. Stellen Sie bei Verdacht ihr Kind dem Kinderarzt vor, der das Problem abklärt und eventuelle weitere Maßnahmen mit Ihnen bespricht und plant.

Ihre Barbara Knoblauch – Dipl.-Psych. – Psychotherapeutin

Kommentare

Neuen Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert