3. Mai 2019

Dr. Gerhard Finckh hinterlässt große Fußstapfen

13 Jahre lang war er Direktor des von der Heydt-Museums. Jetzt verabschiedete sich Dr. Gerhard Finckh mit 67 Jahren in den Ruhestand. Keine Frage: Er hinterlässt in der Wuppertaler Kunst-Szene große Fußspuren. 300.000 Besucher schauten sich die von Dr. Gerhard Finckh initiierte Monet-Austellung (2009 / 2010) an.

Dr. Gerhard Finckh – © Dirk Sengotta

Die mit Abstand erfolgreichste Kunst-Präsentation in der langjährigen Geschichte des von der Heydt-Museums. Dr. Gerhard Finckh ist gegangen – eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger steht noch nicht fest. Das Museum wird derzeit von der stellvertretenden Direktorin Antje Birthälmer kommissarisch geleitet.

Das Von der Heydt-Museum ist weit über die Grenzen Wuppertal hinaus bekannt. Ganz sicher mit ein Verdienst des langjährigen Museumsdirektor Dr. Gerhard Finckh, dem Initiator erfolgreicher Ausstellungen von weltberühmten Malern wie Pierre-Auguste Renoir, Claude Monet oder Camille Pissarro. Die STADTZEITUNG wiederholt an dieser Stelle ein Interview mit dem angesehenen Kunst-Manager.

DS: Ist eine Ausstellung dann gut, wenn sie viele Besucher hat?

Dr. Gerhard Finckh: „Nein. Die Besucherzahl hat an sich mit der Qualität der Ausstellung nichts zu tun. Gute Besucherzahlen sind heutzutage zwar notwendig, weil sich die Museen über die Eintrittsgelder finanzieren. Insofern ist es schön, wenn viele Leute kommen, weil wir dann am Ende wenigstens eine schwarze Null schreiben. Aber Zuschauerzahlen an sich geben keine Auskunft darüber, wie gut eine Ausstellung ist, sondern nur darüber, wo das Publikumsinteresse gerade liegt oder wie gut die Marketingstrategie war. In der Kunst gibt es keine Abstimmung mit den Füßen.“

DS: Sie haben es geschafft, Menschen ins Museum zu locken, die bislang höchstens Leonardo da Vincis ‚Mona Lisa‘ oder Rembrandts ‚Mann mit dem Goldhelm‘ als Kunstdrucke kannten. Macht Sie das stolz?

Dr. Gerhard Finckh: „Stolz macht mich das nicht unbedingt. Aber es freut mich, wenn Leute zur Kunst kommen, die sich bisher nicht so sehr dafür interessiert haben. Ich sehe Kunst als etwas, das mich selbst unheimlich bereichert. Kunst ist mit meinem Leben untrennbar verbunden, und daher freue ich mich, wenn ich diese Freude mit anderen teilen und Leute dazu bewegen kann, häufiger mal ins Museum zu gehen.“

DS: Nach welchen Kriterien haben Sie eine erfolgreiche Ausstellung gestaltet?

Dr. Gerhard Finckh: „Das von der Heydt-Museum ist keine Kunsthalle, sondern ein Museum mit einer umfangreichen eigenen Sammlung. Deshalb halte ich sehr viel davon, daraus die Grundlage für Ausstellungen zu entwickeln. Die Sammlung hat eine ganz bestimmte Struktur. Sie beginnt mit der späten Gotik und endet mit der Gegenwart. Das Museum besitzt eine große Menge an alten Niederländer-Gemälden. Da bietet es sich an, Ausstellungen mit niederländischer Kunst des 17. Jahrhunderts zu machen. Es gibt zudem viele impressionistische und expressionistische Gemälde. Deshalb haben wir auch regelmäßig impressionistische oder expressionistische Ausstellungen gemacht, wie z.B. ‚Der Sturm‘. Die Rückkoppelung an die Sammlung zeigt ja auch den Wuppertaler Bürgern, wie sinnvoll es ist, eine solche Sammlung zu haben und wie stolz man darauf sein kann.“

DS: Woher kommen denn heutzutage überhaupt noch die Gelder, um neue Kunst anzukaufen?

Dr. Gerhard Finckh: „Es gibt für uns zwei Möglichkeiten. Das eine ist die Von der Heydt-, das andere ist die Renate und Eberhard Robke-Stiftung. Von der Heydt hat der Stadt nicht nur seine Kunstsammlung, sondern auch eine große Geldsumme vermacht, die von der Stadt verwaltet wird. Daraus fließen Zinserträge, von denen wir jedes Jahr auf meinen Vorschlag hin etwas Kunst ankaufen konnten – und zwar in der Regel von Künstlern, die bereits verstorben sind und gegenständlich gemalt haben. Die Robke-Stiftung legt dagegen großen Wert darauf, dass Gegenwartskunst gefördert und für unsere Sammlung erworben wird.“

Dr. Gerhard Finckh – © Dirk Sengotta

DS: In Kunst zu investieren – ist das eigentlich noch eine lohnende Geldanlage?

Dr. Gerhard Finckh: „Ich halte sehr wenig davon, dass man mit Kunst sein Vermögen vermehrt. Das kann man natürlich tun, wenn man z.B. Werke von Gerhard Richter oder Georg Baselitz erwirbt. Aber dafür wird Kunst eigentlich nicht geschaffen. Sie ist dafür da, dass sich Menschen daran erfreuen oder kritisch mit ihr auseinandersetzen. Für mich wäre es undenkbar, ein Kunstwerk zu erwerben, nur um es dann hinterher für mehr Geld wieder zu verkaufen. Mein Tipp: Kaufen Sie nur die Kunst, mit der Sie sich auch umgeben wollen.“

DS: Viele Kunstwerke stehen jahrelang aus Platzgründen im Depot und sind den Wuppertaler Kunstfreunden nicht zugänglich, ist das nicht ein Trauerspiel?

Dr. Gerhard Finckh: „Die Sammlung umfasst ungefähr 3.000 Gemälde, 30.000 Arbeiten auf Papier und dazu etwa 500 Skulpturen. Das ist schon eine stattliche Sammlung. Davon können leider immer nur relativ wenig gezeigt werden. Das von der Heydt-Museum hat regelmäßig große Ausstellungen realisiert. Der Nachteil ist, dass dann für die eigene Sammlung nur noch wenig Raum bleibt. Wir haben deshalb auf ein Umschichtsystem gesetzt, dass wir z.B. mal nur die Niederländer gezeigt haben oder mal nur Gegenwartskunst. Mit diesem Rotationsprinzip haben wir unserem Publikum trotz der Platzknappheit immer wieder andere Aspekte unserer Sammlung vor Augen geführt.“

DS: Haben Sie da nicht von einem größeren Museum geträumt?

Dr. Gerhard Finckh: „Im Grunde genommen schon. Schon der erste Direktor des Hauses, Friedrich Fries, hat damals gesagt: ‚Das Haus ist eigentlich zu klein. Wir können nicht alle Schätze zeigen und parallel große Ausstellungen machen‘. Das bedeutet, das Museum hatte immer schon Platznot. Und die Sammlung wächst ja ständig weiter. Wir hatten große Probleme, Werke unterzubringen, geschweige denn, sie zu zeigen. Deshalb wäre es sehr, sehr wünschenswert, ein neues, deutlich größeres Museum zu bekommen. Es gab immer wieder mal Neubaupläne, z.B. das Schauspielhaus als Kunstmuseum umzubauen, diese ließen sich aus Geldmangel aber bisher leider nie realisieren.“

DS: Provokant gefragt: Hätten Sie es vorstellen können, einige große Werke Ihrer Sammlung zu verkaufen, um mit dem Ertrag daraus ein neues, größeres Museum zu finanzieren?

Dr. Gerhard Finckh: „Für mich war immer klar: Es wird keine Kunst verkauft, zumindest nicht, solange ich da bin! Die Kunstmuseen sind immer unter der Maßgabe gegründet worden, dass die Werke für die Ewigkeit im Museum bleiben. Man würde doch auch nicht die Wuppertaler Stadtgründungsurkunde verkaufen. Und das gilt auch für die Sammlung. Ich war immer stolz auf unseren Monet und unseren van Gogh. Die Werke sind Ausdruck dafür, welche ästhetischen, politischen und soziologischen Präferenzen Bürger unserer Stadt zu einer ganz bestimmten Zeit hatten. So eine Sammlung ist ein Dokument. Und das darf man auf keinen Fall auseinanderreißen.“

DS: Welche in der Kunstwelt existierenden Werke haben Sie persönlich am meisten beeindruckt?

Dr. Gerhard Finckh: „Es fängt an mit der 35.000 Jahre alten Mammutfigur, die ein unbekannter Künstler ohne Messer und nur mit einem Stein aus einem Mammutzahn geschnitzt hat. Dieses Werk wurde in der Vogelherdhöhle in der Schwäbischen Alb gefunden. Dann der Isenheimer Altar von Matthias Grünewald in Colmar, ein Meisterwerk, das mich schon als Teenager total beeindruckt hat. Ihn schaue ich mir immer wieder einmal an und erlebe ihn jedes Mal neu. Ich hatte mal die Gelegenheit, ganz allein vor dem Altar stehen zu dürfen und dieses Kunstwerk auf mich einwirken zu lassen. Ein einmaliges Erlebnis. Die Gemälde ‚Die Kreuzaufrichtung‘ und ‚Die Kreuzabnahme‘ von Peter Paul Rubens, den ich für den bedeutendsten Künstler aller Zeiten halte, bewegen mich, genauso wie ‚Der tote Christus im Grab‘ von Hans Holbein. In der Gegenwart ist es ‚Guernica‘ von Pablo Picasso, das mich fasziniert. Jedes Mal, wenn ich vor solchen bedeutenden Kunstwerken stehe – und davon gibt es noch viele mehr – bin ich so beeindruckt, dass ich mir die Frage stelle: Kann ich so weiterleben oder muss ich mein Leben ändern?“

DS: Wie sieht denn die Traumausstellung von Dr. Gerhard Finckh aus?

Dr. Gerhard Finckh: „Das Schwierige bei Traumausstellungen ist, dass man die Kunstwerke praktisch nicht mehr zusammen bekommt, die man dazu braucht. Wenn ich beispielsweise eine Rubens-Ausstellung machen wollte, die noch spektakulärer sein soll als die, die wir schon gemacht haben, dann wird das daran scheitern, dass ich die dafür notwendigen Kunstwerke nicht mehr bewegt bekomme. Die Gemälde sind so empfindlich, das die Museen sie gar nicht mehr herausrücken. Deshalb kann man die Traumausstellung schlechthin nie verwirklichen. Ich kann sie virtuell am Computer zusammenstellen, aber in der Realität wird es sie nie geben. Um Kunstwerke zu erleben, gibt es für mich nur eine Möglichkeit: Ich muss mich auf eine Reise zu den Kunstwerken begeben, also dorthin fahren, wo sie ausgestellt sind.“

Das Interview führte Peter Pionke

Vita Dr. Gerhard Finckh

Dr. Gerhard Finckh wurde am 12. April 1952 in Bruckmühl bei München geboren. Nach dem Abitur studierte er an der Universität München Kunstgeschichte und Bayerische Geschichte.

1987 promovierte er an der Technischen Universität München. Titel seiner Arbeit: „Münchner Bildhauerei der 1920er Jahre“. Von 1987 bis 1990 war Dr. Gerhard Finckh Leiter der Kunsthalle Emden. Von 1990 bis 2000 war er als Ausstellungsleiter des Folkwang-Museums in Essen tätig.

Anschließend leitete er sechs Jahre lang das Museum Morsbroich in Leverkusen. 2006 wurde er Direktor des Von der Heydt-Museums Wuppertal. Am 30.04.2019 ging er in den Ruhestand.

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