„Meine Suppe ess‘ ich nicht“ – Tabu-Thema Magersucht

„Meine Suppe ess‘ ich nicht“ - das Tabu-Thema Magersucht (Anorexia nervosa). Barbara Knoblauch, Dipl.-Psychologin und Psychotherapeutin erklärt die Ursachen und Hintergründe. Lesen Sie hier Teil 1.

Diplom-Psychologin Barbara Knoblauch – © Dirk Sengotta

Essstörungen sind keine Erkrankungen der Neuzeit, sondern waren schon früher bekannt, wie uns die Geschichte des Suppenkaspers aus dem „Struwwelpeter“ zeigt.

Die Geschichte: Darstellungen von Essstörungen tauchen verstärkt in den letzten 20 Jahren in den Medien auf. Dabei war schon Ende des 18. Jahrhunderts von solchen Fällen berichtet worden. Seit Ende des 19. Jahrhunderts taucht die Anorexia in den medizinischen Fachbüchern auf, wobei schon damals auf psychogene Zusammenhänge hingewiesen wurde. Man gewinnt zwar durch die Öffentlichkeit der Thematik den Eindruck, dass die Zahl der Fälle ansteigt, doch scheint nur die Zahl der Behandlungsfälle anzusteigen und nicht die absolute Zahl.

Spektakuläre Fälle wie der Tod von untergewichtigen Models, Betroffenen-Foren und öffentliche Fotokampagnen lassen die Krankheit mehr in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gelangen. Die bunte Welt der Illustrierten zeigt immer wieder prominente Beispiele, wie auch das der englischen Prinzessin Diana und der schwedischen Prinzessin Victoria.

Die Magersucht wird umgangssprachlich oft mit Anorexie gleichgesetzt, obwohl die korrekte fachliche Bezeichnung Anorexia nervosa ist. Die korrekte Unterscheidung ist schon wichtig, da mit Anorexie fachlich eine wesentlich leichtere Form der Essstörungen bezeichnet wird. Die Anorexie stellt eine Form der Appetitlosigkeit dar und weist nicht die schweren Symptome einer Anorexia nervosa auf. Auch die Bulimie ist eine bekannte Essstörung, die sich von der Magersucht hauptsächlich durch die heftigen Essanfälle mit anschließendem Erbrechen unterscheidet.

Entstehen & Verlauf: Die Anorexia beginnt meist im Kindes- und Jugendalter, wobei auch noch Erwachsene eine Anorexia entwickeln können, allerdings selten. Häufig beginnt sie mit einer Diät, die dann außer Kontrolle gerät. Die Anorexia wird weniger häufig als die Bulimie (Ess-, Brechsucht) diagnostiziert, hat aber aufgrund ihrer schweren körperlichen Symptome und Komplikationen meist den ungünstigeren Verlauf. Sie ist die häufigste Todesursache bei Mädchen bzw. Frauen zwischen 15 und 24 Jahren.

Häufigkeit: Mädchen sind deutlich häufiger betroffen als Jungen. Die Schätzungen schwanken zwischen einer Erkrankung von 800 bis 1000 bei den 14 bis 18-Jährigen. Die Anorexia kommt in allen Gesellschaftsschichten vor, ist aber häufig in bürgerlichen, leistungsbetonten Familien ohne wirtschaftlichen Druck zu finden. Man findet sie kaum in Entwicklungsländern.

Formen: Grundsätzlich wird zwischen zwei Formen unterschieden, dem restriktiven Typus, bei dem die Nahrung eingeschränkt wird, und dem Purging-Typus, bei dem neben der Nahrungseinschränkung durch Erbrechen das Gewicht verringert wird. Nicht zu verwechseln mit der Bulimie, die neben dem Erbrechen durch vorausgehende heftige Essanfälle gekennzeichnet ist.

Symptome/Kriterien: Der Gewichtsverlust wird durch die Patientinnen selbst verursacht, ist z.B. nicht die Folge einer körperlichen Erkrankung, was vor Diagnosestellung abgeklärt werden muss. Die Patientinnen versuchen über alle Wege und mit allen Mitteln eine Gewichtsabnahme zu erreichen, was für Außenstehende nur schwer nachzuvollziehen ist. Die Gewichtsabnahme wird herbeigeführt durch Nahrungsbeschränkung insbesondere durch die Vermeidung hochkalorischer Nahrungsmittel. Fette und Kohlenhydrate werden gänzlich gemieden. Im Extremfall werden nur noch ganz wenige Kalorien zu sich genommen, auch die Flüssigkeitszufuhr wird häufig eingeschränkt.

Betroffene berichten bei schwerem Verlauf von regelmäßig unter 100 kcal pro Tag, Cola light als einzigem Nahrungsmittel oder drei Apfelstücken, verteilt auf drei Mahlzeiten. Neben Abführmitteln werden häufig auch harntreibende Mittel (Diuretika), Appetitzügler und andere Medikamente missbräuchlich eingenommen. Nach der Nahrungsaufnahme wird häufig erbrochen, was durch hohe Flüssigkeitsaufnahme erleichtert wird.

Die Einnahme der Medikamente führt oft zu einem Gewöhnungseffekt, was meist zu einer Höherdosierung führt und mit beträchtlichen und folgenschweren Nebenwirkungen verbunden ist. Die Patientinnen gehen derart geschickt mit dem Verbergen der Symptome um, dass das herbeigeführte Erbrechen von der Umwelt oft nicht bemerkt wird. Zudem verbringen die Patientinnen viel Zeit mit übertriebenen körperlichen Aktivitäten, üben extrem Sport aus, um möglichst viele Kalorien zu verbrennen.

Teil 2 lesen Sie demnächst an gleicher Stelle

Ihre Barbara Knoblauch – Dipl.-Psych. / Psychotherapeutin

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