Natalie Mekelburger: Jeder Mitarbeiter sollte Unternehmer sein

Natalie Mekelburger ist gerade mit dem begehrten "EY Entrepreneur Of The Year Award" als Unternehmerin des Jahres 2017 in der Kategorie "Industrie" ausgezeichnet worden. Grund genug, noch einmal ein Interview in Erinnerung zu rufen, in dem sie über ihre Lebens-Philosophie als Frau und Unternehmerin spricht.

Unternehmerin Natalie Mekelburger – © Coroplast Group

Die Vorsitzende der Geschäftsführung des Wuppertaler Globalplayers „Coroplast“ trägt die Verantwortung für über  6.200 Mitarbeiter, die an 11 Standorten weltweit für einen Jahres-Umsatz von rund 470 Millionen Euro sorgen. Tendenz steigend. Unter der Führung von Natalie Mekelburger (51) ist ‚Coroplast‘ immer weiter expandiert. Über die Headline „Natalie Mekelburger steht als Unternehmerin ihren Mann“ würde sie nur schmunzeln.

Die weltweit erfolgreiche Managerin und Mutter zweier Töchter ist sehr selbstbewusst und hat ihren ganz eigenen Führungs-Stil entwickelt. Und damit konnte Natalie Mekelburger sogar ihren Vater und langjährigen Unternehmensführer Dr. Kurt Müller überzeugen, der zuvor – vorsichtig ausgedrückt – skeptisch war. Die erfolgreiche Unternehmerin stand Peter Pionke Rede und Antwort. Hier das STADTZEITUNG-Interview (Ausgabe 11/2015) noch einmal in Auszügen.

DS: Sie sind die Chefin von gut 6.200 Mitarbeitern, die wiederum Familien haben, für die sie sorgen müssen. Ist diese Verantwortung eher Belastung oder Ansporn für Sie?

Natalie Mekelburger: „Ich schaue mir unsere Mitarbeiter an und freue mich an allen Standorten darüber, dass sie für uns arbeiten. Das ist eher ein Gefühl des Stolzes denn der Belastung. Ich fokussiere mich vielmehr auf die Aufgabe, die ich zusammen mit meinen Geschäftsführungsmitgliedern zu bewältigen habe. In einer internationalen Organisation wie der unseren, gibt es natürlich immer wieder Baustellen, die zu meistern sind. Es ist eher die Fülle der Aufgaben die zu einer Belastung werden kann. Aber wir haben in unserem Unternehmen eine hervorragende Führungsmannschaft, die gut zusammenspielt. Mit ihr haben wir bisher jede Belastungsprobe gut überstanden.“

DS: Wie viele Ihrer 6.200 Mitarbeiter weltweit kennen Sie eigentlich persönlich?

Natalie Mekelburger: „Leider kenne ich noch nicht einmal alle Mitarbeiter hier am Standort Wuppertal persönlich. Das ist bei knapp 800 Mitarbeitern auch schon sehr schwer. Und von den meisten Auslands-Niederlassungen sind mir die erste und zweite Führungsriege geläufig, mit denen ich mich regelmäßig kurz schließe. Von vielen weiteren kenne ich die Gesichter, kann mir aber unmöglich alle Namen merken. Aber das verlangt auch keiner von mir.“

DS: Nach erfolgreichem Abschluss Ihres BWL-Studiums haben Sie zunächst bei der Unternehmensberatung Droege & Comp. gearbeitet. Was hat es Ihnen persönlich gebracht, einmal in ein fremdes Unternehmen hineingeblickt zu haben?

Natalie Mekelburger: „Natürlich war das eine wichtige Erfahrung für mich. Bei Droege & Comp. war ich ja eine ganz normale Mitarbeiterin, dementsprechend wurde ich auch behandelt. Bei Coroplast angekommen, musste ich gleich in eine andere Rolle schlüpfen. Ich war die Tochter des Chefs und man hatte mir gleich unterstellt, dass ich etwas zu sagen haben will. Ich selbst hatte den Anspruch noch gar nicht und wollte erst noch dazu lernen. Diese Gelegenheit hat man mir zum Glück gegeben. Im Laufe der Zeit hat sich das alles ganz natürlich entwickelt.“

DS: Sie sind eine sehr attraktive Frau, erleichtert Ihnen diese Tatsache eigentlich die Zusammenarbeit mit männlichen Kollegen?

Natalie Mekelburger: „Das ist genau die Frage, die man nicht gerne gestellt bekommt. Und das mit dem attraktiv ist ja auch durchaus subjektiv. Ich würde es einmal generalisieren: Jeder einzelne Mensch hat natürlich seine Wirkung auf andere und Frauen haben auf Männer auch eine andere Wirkung als ihre Geschlechtsgenossen. Zum Teil gibt es ganz typische Verhaltensweisen von Frauen und von Männern. Aber genau das bringt ja bekanntlich Schwung in das Berufsleben.“

DS: Ihr Vater Dr. Kurt Müller hat ja einmal gesagt, dass er nichts von Frauen in Führungspositionen hält. Hat er diesen Spruch irgendwann bereut?

Natalie Mekelburger: „Nein, das hat er nicht. Das war auch seine tiefste innere Überzeugung. Er hat irgendwann einfach ausgeblendet, dass ich eine Frau bin.“

DS: Was hat denn Ihren Vater überhaupt zu diesem Vorurteil bewogen?

Natalie Mekelburger: „Mein Vater war wohl der Meinung, dass Frauen wegen ihrer Doppelbelastung durch Familie und Beruf im Job nicht so effektiv seien und sich auch nicht so gut durchsetzen könnten. Und ganz so Unrecht hat er damit nicht. Denn diese Doppelbelastung ist schon ganz schön zehrend. Aber ich denke, ich habe es soweit hinbekommen, dass er sich an meiner Mutterrolle nicht reiben konnte.“

DS: Inwieweit haben die Vorbehalte Ihres Vaters gegenüber weiblichen Führungskräften ihren Führungsstil beeinflusst?

Natalie Mekelburger: „Dass ich das Thema Emanzipation völlig gelassen angehe. Mein Motto lautet: Nicht viel darüber reden, sondern einfach machen. Auf alle Fälle motiviere ich unsere jungen Mitarbeiterinnen, Kinder zu bekommen. Es ist doch völlig natürlich, dass sich eine Frau Kinder wünscht. Ich habe auch keine Bedenken, wenn die jungen Mütter eine Zeit lang ausfallen. Wir nehmen sie wieder mit offenen Armen auf, wenn sie nach dem Mutterschutz bei uns arbeiten wollen.“

DS: Würden Sie sich als umgängliche Chefin bezeichnen?

Natalie Mekelburger: „Natürlich, aber ich gebe keine Garantie dafür, dass das Selbst- und Fremdbild an dieser Stelle durchaus auseinanderdriften könnte. Besser ist, wenn Sie meine Mitarbeiter fragen.“

DS: In Familienbetrieben pflegen viele Firmeninhaber ein hemdsärmeliges Verhältnis mit ihren Mitarbeitern – wie würden Sie Ihren Führungsstil umschreiben?

Natalie Mekelburger: „Hemdsärmelig eher nicht, denn in einer Führungs- und damit Vorbildfunktion sollte man schon ein gewisses Niveau vorleben. Ich denke, ich bin grundsätzlich wertschätzend gegenüber den Mitarbeitern und bringe ihnen viel Vertrauen entgegen. Bisher wurde mein Vertrauen selten enttäuscht. Meine Philosophie lautet, dass ich nicht die einzige Unternehmerin bei Coroplast bin, sondern jeder unserer Mitarbeiter ein Unternehmer sein sollte. Damit stelle ich ihnen gewisse Handlungsspielräume zur Verfügung. Wenn Sie in unser Unternehmen gehen, werden Sie diesen Geist in Form von Offenheit und Engagement der Mitarbeiter zu spüren bekommen. Dieses Feedback erhalte ich häufig von Besuchern und das freut mich.“

DS: Duzen Sie sich in der Coroplast-Geschäftsführung eigentlich untereinander?

Natalie Mekelburger: „Nein! Ich sieze alle (bis auf wenige Ausnahmen von Mitarbeitern, die ich aus meiner Jugend kenne) und werde auch von allen gesiezt. Ich halte das ‚Sie‘ auch für richtig. Auch, was die anderen Führungskräfte angeht. In der Regel wollen diese eine gewisse Distanz zu ihren Vorgesetzen, was keinesfalls bedeutet, dass man keinen offenen und fairen Umgang miteinander haben kann. Die jüngeren Mitarbeiter empfinden es sogar als unangenehm, wenn sie ihren viel älteren Vorgesetzen duzen sollen. Das Duzen auf allen Ebenen entspricht auch nicht der deutschen Kultur. Es wirkt aufgesetzt.“

DS: Sie haben Niederlassungen auf der ganzen Welt. Wie viele Sprachen beherrschen Sie?

Natalie Mekelburger: „Ich spreche Englisch. Das ist natürlich die Sprache, die international permanent zur Anwendung kommt. Französisch habe ich sehr intensiv in der Schule gelernt, aber den Umgang mit der Sprache dann später doch sehr vernachlässigt – leider. Was Geschäftssprachen angeht, hätte ich aber lieber Spanisch gelernt, das würde mir in ganz Südamerika und auch in Mexiko, wo wir ja eine große Niederlassung besitzen, weiterhelfen.“

DS: Mehrfach wurde Coroplast zu den Top-Arbeitgebern in Deutschland gewählt. Macht Sie das stolz?

Natalie Mekelburger: „Diese Auszeichnung ist uns wirklich sehr wichtig, nicht zuletzt wegen der Wirkung nach außen. Wir haben festgestellt, dass das für potentielle Bewerber durchaus ein wertvolles Qualifizierungs-Merkmal darstellt. Sie gewinnen sofort Vertrauen in unser Unternehmen.“

DS: Auch was die Ausbildung angeht – z. B. bieten Sie u.a. ein duales Studium an – haben Sie sich den Ruf eines Musterbetriebs erarbeitet. Zahlt sich das Engagement für Ihr Unternehmen aus?

Natalie Mekelburger: „Wir investieren mit Überzeugung sehr viel in die Ausbildung unserer Mitarbeiter. Und trotzdem ist das natürlich keine Garantie dafür, dass sie dann bis zum Ende ihrer beruflichen Karriere bei Coroplast bleiben. Damit muss man sich als Unternehmen abfinden und trotzdem die Bereitschaft haben, auszubilden. In der Regel können wir aber die Leute, die wir wirklich auch behalten wollen, an unser Unternehmen binden.“

DS: Aus Ihrem Munde stammt der Satz: „Es ist selbstverständlich, dass wir jeden technologischen Sprung mitmachen“. Was macht Sie so sicher, dass Ihnen dieser Sprung immer wieder gelingt?

Natalie Mekelburger: „Klar ist das unser erklärtes Ziel, auch wenn ich nicht garantieren kann, dass es uns immer gelingt. Fest steht: Das was wir tun, wollen wir richtig machen. Und wir sind bereit, in großem Maße zu investieren. Um uns finanziell nicht zu übernehmen, verzichten wir eher auf die Geschäftsfelder, in denen wir nicht an der Spitze stehen oder gar unprofitabel sind. So steht unser Portfolio immer wieder auf dem Prüfstand.“

DS: Sie sind ein Paradebeispiel für eine moderne, sehr erfolgreiche Unternehmerin. Woran liegt es, dass immer noch relativ wenige Frauen in mittelständischen und Großunternehmen im Chefsessel sitzen?

Natalie Mekelburger: „Es liegt in der Regel an den Frauen selbst. Auch in unserem Unternehmen stellen wir fest, dass trotz guter Ausbildung, bei Mitarbeiterinnen irgendwann eine Art mentaler Wandel stattfindet. Die Frauen stellen dann ihre Lebensplanung in den Vordergrund, wollen eine Familie gründen und Kinder kriegen. Sie sagen schon frühzeitig, bis hierhin und nicht weiter, weil sie befürchten, Familie und Beruf nicht unter einen Hut zu bekommen. Und diese Sorge ist ja auch nicht völlig unberechtigt. Auch wenn sich unser Staat auf den Kopf stellt und sich um die Versorgung von Kindern von Geburt an kümmern sollte, alles kann und will eine Mutter nicht delegieren. Und deswegen wird sie, solange sie Kleinkinder hat, auf Jobs mit viel Reisetätigkeit verzichten wollen. Das ist nicht weg zu diskutieren, aber man muss es ja auch nicht problematisieren.“

DS: Was halten Sie denn persönlich von der vieldiskutierten Frauen-Quote?

Natalie Mekelburger: „Die Frauen-Quote ist eine Zwangs-Quote und daher vom Grundsatz her nicht richtig. Ich halte sie in der Zukunft übrigens auch nicht mehr für nötig. Frauen sind in der Wirtschaft doch ohnehin schon sehr gefragt, schon allein, weil es nicht genügend Nachwuchskräfte gibt. Es wird doch gar keine Hürde mehr aufgebaut, es sei denn, die der eigenen Lebensplanung – wie ich es oben schon beschrieben habe. Wir hätten ein massives Problem im Unternehmen, wenn wir aufgrund einer Quote unsere männlichen Führungskräfte durch eine Frau ersetzen müssten. Ich wüsste gar nicht, wo ich diese herbekommen sollte.“

DS: Welche besonderen Fähigkeiten benötigt eine Frau, um sich in der von Männern dominierten Unternehmer-Welt durchzusetzen?

Natalie Mekelburger: „Ich gehe von der Grundvoraussetzung aus, dass die besagte Frau die nötige Intelligenz und Kompetenz besitzt, dann kann ich nur empfehlen, nicht so sein zu wollen wie ein Mann. Das ist der größte Fehler, den sie machen kann. Jeder sollte authentisch sein, das gilt für Mann und Frau. Wenn jemand nicht mit Menschen umgehen kann, wird er oder sie es nicht schaffen. Wenn man eine geborene Führungspersönlichkeit ist, dann steht auch der Frau nichts im Wege.“

DS: Was halten Sie denn von dem Trend, immer mehr Begriffe, die seit Jahrzehnten im allgemeinen Sprachgebrauch verankert sind, geschlechtsneutral umzuformulieren oder sie zu ‚feminisieren‘ wie „Bürgerinnensteig“ , „Fahrerinnensitz“ – oder wie an der Uni Leipzig – wo männliche Dozent jetzt offiziell „Herr Professorin“ genannt werden?

Natalie Mekelburger: „Das kann ich nicht ernst nehmen. Herkömmliche Begriffe jetzt zu verweiblichen, strengt einfach nur an. Ich ziehe als Frau auch nicht mehr Selbstbewusstsein daraus, dass sämtliche Worte verweiblicht werden. Worte wie Bürgerinnensteig zum Beispiel klingen für mich unangenehm feministisch.“

DS: Sie haben mal gesagt: „Ich muss 24 Stunden organisieren“. Wo bleibt denn da noch Zeit fürs Privatleben oder Hobbies?

Natalie Mekelburger: „Ich muss zwischendurch einen Schnitt machen, Grenzen ziehen und sagen: Jetzt fahre ich weg. Auch wenn ich eigentlich unabkömmlich bin. Wenn ich mir nicht manchmal einfach eine Lücke schaffe und Prioritäten setze, würde das nie klappen.“

DS: Womit verbringen Sie denn Ihre wenige, wertvolle, freie Zeit?

Natalie Mekelburger: „Im Sommer spiele ich gerne Golf, im Winter gehe ich Skifahren. Ich besuche gerne Kunstausstellungen oder klassische Konzerte. Da ich beruflich schon sehr viel reisen muss, schränke ich es privat in der Regel sehr ein.“

DS: Welche Schlagzeile würden Sie gern über sich lesen?

Natalie Mekelburger: „Am besten gar keine. Ich bin wenig eitel und gar nicht scharf darauf, mich in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Wenn ich gefragt werde, wie z.B. in Ihrem Falle, stimme ich gelegentlich zu. Aber nicht meinetwegen, sondern weil ich gerne über das Unternehmen berichte.“

DS: „Coroplast. Verbindungen, die halten“. Stammt dieser griffige Werbeslogan aus Ihrem Umfeld oder waren da Kreative einer Werbeagentur am Werk?

Natalie Mekelburger: „Die Idee kam eher aus unserem Unternehmen heraus. Aber das war wohl eine Gemeinschaftsfindung. Wir haben überlegt, welche Art von Slogan zu uns passen würde. Und der Begriff Verbindungen hat ja im Zusammenhang mit Coroplast durchaus eine doppelte Bedeutung. Einmal fertigen wir Produkte, die im wahrsten Sinne des Wortes verbinden und dann sind Verbindungen so eine Art Leitmotiv oder Firmen-Philosophie für uns, was Mitarbeiterführung und auch die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen angeht.“

DS: Vielen Dank für das Gespräch

Das Interview führte Peter Pionke

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