24. Dezember 2025Peter Pionke
Die Weihnachts-Geschicht vom „geklauten Tannenbaum“
„Weihnachtsfrau“ Lore Duwe mit einem noch ungeschmückten Tannenbaum – © Alexander de RootIn ihrer Kolumne „Mal unter uns…!“ kommentiert die beliebte Wuppertaler Schauspielerin, Tänzerin, Sängerin und Autorin Lore Duwe (90) das Geschehen in ihrer geliebten Heimatstadt damals wie heute subjektiv aus ihrem ganz persönlichen Blickwinkel. Lesen Sie hier ihre außergewöhnliche, authentische Weihnachtsgeschichte, die in einer dramatischen, eigentlich trostlosen Zeit spielt und einem dennoch mindestens ein Schmunzeln abringt:
„Mal unter uns! Gerade erst war der Krieg vorüber. Es herrschten Not und Elend in unserem Land. Väter und Söhne waren vermisst oder Opfer des Krieges geworden. Viele Frauen waren Witwen, viele Kinder Halbwaisen.
So auch Irmchen und Heinz-Otto. Sie wohnten in einem Sechs-Familienhaus auf dem Nützenberg. In der oberen Etage lebte Fritz Schabowsky mit seiner Frau und drei Kindern. Es war Heiligabend. Fritz Schabowsky hatte soeben im Keller den Christbaum in den selbst gefertigten Ständer bugsiert und trug ihn durchs Treppenhaus nach oben.
Auf der zweiten Etage hielt er inne. Auf den Stufen, eng aneinander gekauert, saßen Irmchen und Heinz-Otto, bitterlich weinend. „Wir haben keinen Weihnachtsbaum,“ so Irmchen mit Tränen erstickter Stimme. Fritz Schabowsky wusste: „In diesem Jahr gibt es keine Weihnachtsbäume zu kaufen.“ Er selbst hatte noch einen ergattert über einen lieben Freund.
Wie heißt es doch in dem Weihnachtslied: „Ihr Kinderlein kommet… zur Krippe?“ Fritz Schabowsky hatte ein weiches Herz. Er schlüpfte in seinen „Blaumann“, ergriff den Fuchsschwanz und ein langes Ofenrohr. Dann schwang er sich auf sein Fahrrad.
Weihnachtliche Atmosphäre auf dem Laurentiusplatz – @ Ralf SilberkuhlIm Nützenberger Wald gab es eine Tannenschonung. Das Fahrrad schiebend, schlich er durch den Wald, er wollte auf keinen Fall dem Waldaufseher über den Weg laufen. Schließlich war das Tannenschlagen Diebstahl und mit einer hohen Strafe verbunden. Er entschied sich für einen Baum, sägte ihn ab und stopfte ihn ins Ofenrohr.
Es kam, wie es kommen musste. Plötzlich stand der strenge Waldaufseher hinter ihm und sagte. „Sie zittern ja, es ist aber auch heute frostig kalt. Sie müssen mir dringend helfen. Mir sind zwei Spaziergänger begegnet, die mir von einem Tannen-Dieb berichteten. Ich muss ihn den Behörden übergeben. Haben Sie den Mann gesehen?“
Fritz Schabowsky ließ sich diese Chance nicht entgehen: „Klar, habe ich ihn gesehen. Er ist gerade hier den Berg herunter gelaufen.“ Einem Wiesel gleich rannte der Aufseher los. Froh, der Strafe entgangen zu sein, raffte Fritz das Werkzeug zusammen und fuhr mit dem Fahrrad und dem Ofenrohr davon. Der „Blaumann“ war seine perfekte Tarnung gewesen. Der Aufseher hatte ihn für einen Waldarbeiter gehalten.
Die Tränen der Kinder versiegten. Mit den kleinen Händen schmückten sie den Weihnachtsbaum mit Silberkugeln und Engelshaar. Aus dem Volksempfänger erklang das Lied „Vom Himmel hoch, da komm ich her“. War Peter Schabowsky ein gewöhnlicher Dieb oder war er gar ein Engel, der vom Himmel herabgestiegen war? Ganz klar: Für Irmchen und Heinz-Otto war er ein Engel. Bis ins hohe Alter hat Irmchen Fritz Schabowsky nicht vergessen.
Der Himmel ist voller Engel. Vielleicht steigt ja auch einer zu Ihnen herab.
Ich wünsche allen ein schönes Weihnachtsfest im Kreise ihrer Lieben.“
Euer Lörken oder Ihre L o r e D u w e
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