21. Dezember 2025

BHC verliert Handball-Krimi in letzter Sekunde

Es war ein spannender Krimi bis zur letzten Sekunde. Am Ende musste sich der Bergische HC muss sich nach sieben Heimspielen ohne Niederlage in der Wuppertaler UNIHALLE dem TVB Lemgo mit 27:28 (15:12) geschlagen geben. Vor ausverkaufter Halle haben die Löwen dem Favoriten aus Lemgo in einem Kampfspiel sehr viel Gegenwehr geleistet, lange geführt und dennoch nach einer dramatischen Schlussphase hauchdünn verloren.

Niko Schöttle machte gegen Lemgo ein starkes Spiel und erzielte sechs Treffer – © Jochen Classen

Ganz sicher hat eine Rote Karte gegen Gerdas Babarskas hat den Ostwestfalen eine gute Viertelstunde vor Schluss in die Karten gespielt. Bis dahin kontrollierte der BHC die Begegnung, beziehungsweise fand immer Antworten, wenn Lemgo mal wieder ein wenig in Schwung zu kommen schien.

In der ersten Halbzeit gaben die Gastgeber den Ton an, trafen durch Johannes Wasielewski und Nico Schöttle aus dem Rückraum. Dazu funktionierten die Anspiele an den Kreis. Aron Seesing verwertete selbst oder holte Siebenmeter heraus, die Noah Beyer nutzte.

Gleichzeitig funktionierte die Abwehr mit Torhüter Christopher Rudeck dahinter. Der schraubte seine Fangquote zur Pause auf 40 Prozent hoch. Der BHC warf alles rein, obwohl er zwei Tage zuvor noch im Pokal gegen die MT Melsungen bestehen musste. Ärgerlich waren jedoch diverse liegengelassene gute Gelegenheiten.

Kreisläufer Aron Seesing setzte sich immer wieder gegen die Lemgoer Abwehr durch, traf selbst vier Mal und holte einige Siebenmeter heraus – © Jochen Classen

Auch Constantin Möstl hielt freie Bälle, und ein Mal verfehlten die Löwen sogar das leere Tor. In Kombination mit der guten Deckungsleistung war der 15:12-Vorsprung zur Pause beinahe zu wenig, zumal auch immer wieder Gelegenheiten zu höheren Vorsprüngen verpasst wurden.

Nach Wiederanpfiff schien das Spiel zu kippen. Der BHC leistete sich nun viele Fehler, die Lemgo die Tür öffneten. Samuel Zehnder hatte die Chance, per Siebenmeter zum 17:17 auszugleichen. Rudeck aber hielt die Führung mit seiner zweiten Strafwurf-Parade fest, der nach einer Auszeit eingewechselte Tomas Babak traf zum 18:16 und ließ 3.000 Fans aufschreien.

In Überzahl versenkte Seesing zum 19:16. Würden die Bergischen tatsächlich auch den Tabellendritten in die Knie zwingen? Nein, denn in der 44. Minute kam es zu einer entscheidenden Szene. Die Mannschaft hatte Lemgo ins Zeitspiel gezwungen. Die Ostwestfalen hatten keinen Pass mehr, warfen in den Block.

Eine Schlüsselszene in einem sehr umkämpften Spiel: BHC-Abwehr-Chef Gerdas Babarskas sahe nach einem Foul an Lemgos Torhüter Möstl die Rote Karte – © Jochen Classen

Den Abpraller sicherte sich Lemgos Keeper Möstl auf Höhe der Mittellinie. Der zog Richtung Tor, stieg hoch und wurde von Gerdas Babarskas verteidigt. Nach unsanfter Landung reklamierte er ein Foul. Die Unparteiischen schritten zum Videobeweis. Dort sichteten sie die Szene und verpassten dem BHC-Abwehrchef  die Rote Karte.

Für den personell gebeutelten BHC war dieser Ausfall ein großes Handicap – vor allem, weil der defensive Zugriff gegen Niels Versteijnen im Anschluss fehlte. Der Linkshänder erzielte ab diesem Zeitpunkt neun der restlichen zwölf Lemgoer Tore. Und trotzdem gab sich der Bergische HC nicht auf. Er trotzte Hinausstellungen gegen Noah Beyer und Nico Schöttle. Er verkraftete es auch, als Lemgo zum ersten Mal in der 51. Minute in Führung ging (22:23). Er antwortete sogar, als Lemgo zweieinhalb Minuten vor Schluss das Ergebnis auf 27:25 stellte. Doch aller Einsatz blieb am Ende unbelohnt. Schöttle verkürzte, Noah Beyer glich mit einem Treffer des Prädikats „Tor des Monats“ aus, aber das letzte Wort hatte Lemgo: Versteijnen – wer sonst – besorgte das 28:27.

Toll gehalten und am Ende doch verloren. BHC-Torhüter Christopher Rudeck ist die Enttäuschung anzusehen – © Jochen Classen

Johannes Wasielewski nahm in den Schlusssekunden den letzten BHC-Wurf zum möglichen Remis, scheiterte aber. Die Schiedsrichter überprüften noch auf Gesichtstreffer, doch der Videobeweis ergab aus BHC-Sicht nichts Positives mehr. Fazit: Eine ernüchternde Niederlag trotz einer bemerkenswerten Vorstellung.

Stimmen zum Spiel

Florian Kehrmann: „Heute sind wir – vielleicht auch ein bisschen verständlich nach dem Pokalspiel – die Partie am Anfang nicht so angegangen, wie wir uns das uns vorgenommen hatten. Der BHC hat es wieder sensationell gemacht: Sie spielen eine sehr unangenehme Abwehr, von der wir uns in der Anfangsphase wirklich den Schneid haben abkaufen lassen. Vorne sind da im Moment einfach ein paar Spieler, die werfen den Ball und der ist immer drin – auch wenn es eine Notsituation ist. Das gehört im Handball dazu. Das machen sie sehr gut. Für uns ging es in der Halbzeit darum, zu sagen, wir dürfen nicht den Kopf verlieren. Wir waren in der ersten Halbzeit schlechter, aber das Ergebnis passte für uns noch. Und dann schaffen wir es über eine bessere Abwehrarbeit und ein besseres Angriffsspiel, ins Spiel zu finden. Ab da ist es ein Spiel Spitz auf Knopf zwischen zwei Mannschaften, die vor Selbstvertrauen strotzen und gegeneinander spielen – sehr intensiv und mit allem, was Handball zu bieten hat. Ich muss sagen, es macht wirklich Spaß, auch den BHC zu beobachten: Da sind ganze viele junge deutsche Spieler, die in der Bundesliga so performen. Großer Respekt. Wir haben am Ende heute vielleicht das kleine Quäntchen mehr Glück. Das Spiel kann in beide Richtungen kippen. Wir schaffen es, in den letzten Minuten unser Angriffsniveau insgesamt höher zu halten als der BHC, d.h. wir können immer Tore machen. Und am Ende gibt es bei einem Sieg mit nur einem Tor nie einen verdienten Sieger, sondern dann ist es irgendwann der glücklichere. Ich hoffe, dass alle gesund Weihnachten feiern. Und wünsche dem BHC, weil wir uns in dieser Saison nicht mehr sehen, eine gute Rückrunde. Für uns ist diese heute sensationell gestartet, weil wir nach der tollen Hinrunde jetzt zwei Punkte geholt haben. Das war unser großes Ziel. Auch wenn wir heute, sehr glücklich, mit sehr viel Einsatz und sehr viel Kampf gewonnen haben.“

Ausgepowert und enttäuscht: Sören Steinhaus am Boden. Doch auch er hat wieder eine starke Leistung abgerufen – © Jochen Classen

Markus Pütz: „Es ist schade, weil wir aus der ersten Halbzeit eigentlich hätten noch mehr Kapital schlagen müssen. Wir verwerfen auf das leere Tor und machen technische Fehler im Tempospiel-Vortrag, so dass wir dann leider nur mit drei Toren Plus rausgehen. Wir hätten vielleicht vier, fünf gebraucht, um das Spiel vielleicht dann auch hinten raus zu ziehen. Uns schmerzt natürlich die Rote Karte gegen Gerdas Babarskas, weil die Jungs dann noch mehr investieren mussten. Wir hatten kein einziges Training. Wir kämpfen echt auf der letzten Rille, aber das machen die Jungs sehr, sehr gut. Und dann haben wir hier heute gegen den Tabellendritten ein Riesenspiel gesehen. Lemgo spielt eine super Saison und wir sind sehr stolz, dass wir das Spiel so lange so spielen können. Wir führen 42 Minuten und wussten auch, das Lemgo wenig Fehler macht, sehr effektiv weiterarbeitet. Wir hätten unsere Effektivität vorne weiter halten müssen und machen dann zwei Minuten vor Schluss technische Fehler, die wehtun. Wir verlieren mit einem Tor und das ist jetzt ärgerlich – auf der anderen Seite: Wir haben jetzt in den letzten Spielen gezeigt, wasmöglich ist mit dem Kader. Wir hoffen, dass wir jetzt im nächsten Jahr dann wieder Unterstützung dazu bekommen. Jetzt haben wir noch ein Spiel gegen Flensburg und dann freuen wir uns alle auf eine Pause, die wir bitter nötig haben. Hut ab vor meinen Jungs, die machen das super und geben alles. Die Halle hat heute wieder fantastisch mitgeholfen und ich glaube, für alle Zuschauer war das ein schönes Spiel mit dem schlechteren Ende für uns und dem besseren für Lemgo. Insgesamt können wir mit ein bisschen Abstand stolz sein, dass wir Lemgo so lange Paroli bieten.“

Jörg Föste (l.) und Philipp Tychy: Die beiden Geschäftsführer des BHC können trotz der Niederlage gegen Lemgo mit dem bisherigen Saisonverlauf zufrieden sein – © Jochen Classen

Fabian Gutbrod: „Wir hatten eigentlich alles, um Lemgo zu schlagen. Wir hatten eine fantastische Kulisse. Wir hatten trotz der kurzen Vorbereitungszeit auch eine Idee in Abwehr und Angriff. Ich finde, wir hätten zumindest einen Punkt verdient gehabt. Ich glaube, man kann festhalten, dass wir zumindest nicht die Möglichkeit bekommen haben aufgrund der beiden Unparteiischen. Wenn die Rote Karte gegen Gerdas Babarskas laut Regelwerk berechtigt ist, werden wir kein Bundesligaspiel mehr sehen, in dem es keine Rote Karte gibt. Welche Bedeutung Gerdas für unser Spiel hat, brauche ich ja nicht zu erläutern. Das tut unfassbar weh. Trotzdem haben die Jungs alles reingehauen, was noch im Tank war. Man muss aber auch sagen, dass Lemgo das sehr gut und routiniert macht. Sie haben aufgrund der Hinrunde sehr viel Selbstvertrauen, haben viele enge Spiele gewonnen. Der doppelte Punktgewinn ist auch nicht total unverdient für Lemgo. Sie sind die ganze Zeit bei ihrem Plan geblieben und haben wenig Fehler gemacht in der zweiten Halbzeit. Zum Schluss ist es schade, dass der letzte Wurf nicht reingeht. Es wäre verdient gewesen. Dass der Ball nicht durchrutscht, das passiert und ist auch nicht schlimm. Wenn man nur die Szene betrachtet, hatten wir in dieser Saison auch schon Glück mit dem letzten Wurf. Für heute nervt es unglaublich. Aber das gehört eben zum Sport dazu und wird niemanden umwerfen.“

Das BHC-Maskottchen diesmal als „Weihnachts-Bergi“, doch zu einem „2-Punkte-Geschenk“ konnte er seinen „Löwen“ dann doch nicht verhelfen – © Jochen Classen

Bergischer HC – TBV Lemgo Lippe 27:28 (15:12)

Bergischer HC: Rudeck, Diedrich – Beyer (6/4), Becher, Massoud, Schöttle (6), Steinhaus (2), Babak (1), Babarskas, Kooij, Seesing (4), Wasielewski (6), Püttmann, Fuchs (2). Trainer: Arnor Gunnarsson und Markus Pütz

TBV Lemgo Lippe: Möstl, Kastelic – Hutecek (3), Theilinger (1), Zehnder (2/2), Mudrow, Simak (2), Schagen, Carstensen, Suton (4), Willecke (2), Versteijnen (11/2), Wagner, Faust (3). Trainer: Florian Kehrmann.

Schiedsrichter: Thomas Kern und Thorsten Kuschel

Siebenmeter: 4/4 – 4/6

Zeitstrafen: 5 – 3 (Wasielewski, Kooij (2x), Schöttle, Beyer – Simak, Suton, Willecke)

Rote Karte: Babarskas (44.)

Die aktuelle Situation in der HBL: Lemgo belegt mit 28:8 Punkten derzeit den 3. Tabellenplatz, der BHC ist 15. mit 10:26 Punkten.

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