17. September 2025

Maik, der unermüdliche Ratgeber in der iPhone-Gruppe

„Der Kater(nberg) liest“ ist eines von vielen Langzeitprojekten, die im Wuppertaler Westen erfolgreich aufgesetzt wurden. Vieles läuft über den Bürgerverein Eckbusch beziehungsweise die frühere „Ideenschmiede“. Es gibt einen eigenen Newsletter (www.wir-im-quartier.com), und viermal im Jahr erscheint der „Gemeindebrief“.

Erinnerungen an Maik Hagenbach, der nach vielen Tiefs sein Lebwen meisterte – © Klein & Sohn

Dieser wird über die evangelische Kirchengemeinde weit verbreitet und stellt regelmäßig „Katernberger Köpfe“ vor: Demnächst Maik Hagenbach (8.2.1975 – 20.4.2024), der Nordic-Walk-Gruppen organisierte und „der“ Fachmann in der Katernberger iPhone-Gruppe war.

Einige Katernberger denken darüber nach, Personen ihres Stadtteils ein eigenes kleines Buch zu widmen. Die folgende Studie entstand im Sommer 2025. – Unser Autor, Prof. Dr. Helmut Baisch, lehrte an der Bergischen Universität und lebt heute im Ruhestand.

Maik bittet eines Tages seine Schwester Melanie, ihm Tabletten gegen seine Kopfschmerzen zu besorgen. Er mag nicht zum Arzt gehen. Schließlich ist er mit seinen 29 Jahren noch jung, ist gewohnt, alles, was er sich vornimmt, auch umzusetzen.  Schon als Schüler hat er sich das erste eigene Geld verdient, indem er das bei einem Schreiner Gelernte umsetzte, sich Regale baute und auch für andere Holzarbeiten übernahm.

„Katernberger Geschichten“

Maik Hagenbach ist früh von zu Hause ausgezogen und hat sich bereits mit 18 Jahren als Versicherungskaufmann selbständig gemacht, und in der Zwischenzeit auch schon einiges zurücklegen können. Mit seiner Freundin träumt er vom eigenen Haus, welches er mit 35 Jahren erwerben möchte.

Erste Finanzplanungen hat er schon angestellt. Er lebt gesund. Ein Kollege, mit dem er einige Zeit im gleichen Zimmer arbeitete, war ein starker Raucher und bekam in jungen Jahren Lungenkrebs, an dem er verstarb. Daraufhin hat Maik direkt das Rauchen eingestellt.

Ein schwerer Schicksalschlag

Zum Arzt geht er erst, als er seiner Schwester eingestehen muss, dass er den linken Arm und den rechten Fuß nicht mehr richtig bewegen kann. Der Arzt schickt ihn direkt ins Krankenhaus und dort wird ein Tumor in seinem Gehirn entdeckt, der droht weiter zu wachsen. Da lässt sich die Operation nicht länger aufschieben.

Nach der Operation besucht ihn seine besorgte Mutter. Und als sie ihm erzählt, dass an dem Tag der 10. Januar ist, antwortet er: „Da hast du ja heute Geburtstag“. Sie ist beruhigt, dass er sich an ihren Geburtstag erinnert. Allerdings hat er den zuvor erfolgten Besuch seiner Schwester vollständig vergessen.

Offensichtlich funktioniert sein Kurzzeitgedächtnis nicht mehr so richtig. Die Ärzte hatten das lange gar nicht bemerkt, weil sie immer nur nach seinem Namen und Adresse fragten, was er richtig beantworten konnte.

Maik Hagenbach: Mit 17 hat man nur Träume – © privat

Für Maik war es ein Schock, dass er sich nicht mehr auf sein Gedächtnis verlassen konnte. Er wollte nicht von anderen abhängig sein. Und wenn er etwas nicht mehr erinnerte, wagte er nicht nachzufragen, weil er nicht sicher sein konnte, ob er diese Frage nicht schon einmal gestellt hatte. Er muss alles aufschreiben. Als er in eine Rehabilitationseinrichtung kommt, wird ihm kurz erklärt, wo er etwas zu essen bekommt usw.

Er kann sich an diese Einweisung nicht mehr erinnern, wagt aber nicht nachzufragen und schreibt mehrere Tage in sein Notizbuch, dass er kein Essen bekommen habe.  Erst nach und nach lernt er, mit diesen Einschränkungen zu leben. Er muss alles notieren. Da er schon immer viel mit dem Computer gearbeitet hat, erschließt er sich Wege, um mit diesem Manko umgehen zu können.

Sein iPhone wird für ihn besonders wichtig. Er bevorzugt Chats, weil er dann immer nachsehen kann, was an Kommunikation bereits gelaufen ist. Seiner Umwelt schärft er ein, ihm keine Bilder per Email zu schicken, weil diese großen Speicherraum beanspruchen und er immer fürchtet, dass der Speicher zu voll wird. Wer ihm dennoch Bilder schickt, wird sofort gesperrt.

Sein mühsamer Weg zurück ins Leben

Die Tage verlieren für ihn ihre Struktur. Er muss zurück ins elterliche Haus ziehen. An eine Wiederaufnahme seiner beruflichen Tätigkeit ist nicht zu denken. Besonders schmerzt ihn, dass er seine Freundin verliert. Zunächst versucht er noch, von seinem gesparten Geld zu leben, muss aber schließlich doch zum Amt. Die Tage verloren ihre Struktur.

Für ihn war es undenkbar gewesen, ohne morgendliche Dusche aus dem Haus zu gehen. Jetzt wartet nichts und niemand auf ihn. Er nimmt an Gewicht zu, sitzt nur noch vor dem Computer. Er, der vorher eine penible Ordnung wahrte und stolz darauf war, als Selbständiger zu arbeiten, verlor seine Strukturen, die vorher sein Leben bestimmten. Er wurde immer dicker und unbeweglicher. …

Was in ihm die Umkehr einleitete, wissen wir nicht genau. Aber was wir sehen konnten, war, dass er anfing, mit den Hunden seiner Schwester zu laufen, sie zu versorgen, wenn sie weg war. Drei Runden zu je 10 km lief er am Morgen, Mittag und Abend und verringerte sein Körpergewicht um 40 kg.

Er schloss sich einer Walking-Gruppe an, kam regelmäßig zu einer Gruppe, die Hilfestellung zum Gebrauch des iPhones gab. Dabei erwies er sich als ein geduldiger, immer freundlicher Helfer. Dabei war er inzwischen im Gebrauch des Handys so geschickt, dass die anderen gar nicht bemerkten, welches Handicap sein Leben so einschränkte.

Prof. Dr. Helmut Baisch

 

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