13. September 2025Peter Pionke
Ulrich Klose: Menschlichkeit hat vor Vorrang vor jeder Story

Der Vollblut-TV-Journalist wurde im April dieses Jahres von seinem Sender mit einer großen Party nach 37 Dienstjahren verabschiedet. RTL-Chefredakteur Gerd Kohlenbach hielt eine denkwürdige Laudatio. Ein Film, den Uli Kloses Berliner Kollege Thomas Präkelt aus Videomaterial zusammengeschnitten hatte, das bei den Einsätzen des beliebten Krisenreporters entstanden war, lieferte einen beeindruckenden Querschnitt seiner Arbeit als TV-Journalist.
Titel des Werks in nicht ganz lupenreinen Deutsch: „Es gibt nur ein Uli Klose“, angelehnt an die berühmte Fußball-Hymne: „Es gibt nur ein Rudi Völler“. Von den Partygästen wurde der spektakuläre Zusammenschnitt jedenfalls wie ein erfolgreicher Oscar-Beitrag gefeiert und beim Abspann stimmten alle lautstark mit ein: „Es gibt nur ein Uli Klose.“ Nicht nur die anwesende RTL-Prominenz sang mit, sondern auch externe Wegbegleiter wie NRW-Innenminister Herbert Reul und NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann.
Der Arzt, der sich total irrte
Jetzt im Gespräch mit Moderatorin Pari Azhdari und mit ein wenig Abstand, schaute Uli Klose demütig und dankbar auf seine lange TV-Karriere zurück. Dabei hatte alles mit einem großen Knall begonnen. Der TV-Journalist erinnerte an das buchstäblich einschneidende Erlebnis: Es war während seiner Ausbildung zum Bundeswehr-Leutnant der Reserve. Er kam aus einem Wochenendurlaub und hatte rund 650 Kilometer mit seinem VW-Käfer zurückgelegt. 200 Meter vor der Bundeswehr-Akademie hielt er an einer Telefonzelle an, um seine Eltern zu informieren, dass er gut angekommen sei. Es gab damals noch keine Handys.

Nach dem Telefonat stieg er in seinen Pkw, schnallte sich aber für die restlichen paar Meter nicht mehr an. Ein Fehler! Plötzlich krachte ein BMW frontal in seinen Käfer hinein, Ulrich Klose flog durch die Scheiben und erlitt schwere Schnittverletzungen am Kopf. „Nach der OP im Krankenhaus Tutzing sagte der Chirurg bei der Visite zu mir: ‚Lieber Herr Klose, Sie noch einmal Glück gehabt, die Narben fallen kaum auf. Und zum Fernsehen wollen Sie doch eh nicht!‘ Wie man sieht, kann sich auch ein noch so begnadeter Arzt einmal irren“, berichtete der TV-Reporter lachend.
Die Kalaschnikow am Kopf
Es waren interessante, nachdenklich stimmende, aber auch kurzweilige 70 Minuten, in denen der TV-Mann, der eher aus Zufall zum Kriegsreporter geworden war, aus seinem spannenden Leben vor der Kamera erzählte. Er erlebte und überlebte dramatische Situationen wie die in Somalia, als er und sein Kameramann von einer unter Drogen stehende Jugendbande ausgeraubt wurde und ihm Sekunden lang, die ihm wie Stunden vorkamen, eine Kalaschnikow an die Schläfe gehalten wurde.
„Da hatte ich mit meinem Leben abgeschlossen und nur noch gedacht, wenn er jetzt abdrückt, dann soll es auch das Ende gewesen sein. Schwer verletzt in der Wüste zurück zu bleiben, Hunderte Kilometer vom nächsten Krankenhaus entfernt, das wollte ich auf keinen Fall“, berichtete Ulrich Klose. In der Galerie hätte man eine Stecknadel fallen hören.

Er sah in seinem Job viel Leid, viel Blut, viele Tote. „Wie haben Sie diese traumatischen Erlebnisse überhaupt verarbeitet?“ wollte Moderatorin Pari Azhdari wissen. Seine Antwort: „Wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen, dass ich gar nicht weiß, ob ich das alles schon verarbeitet habe. Ich habe heute noch Alpträume. RTL hatte mir professionelle Hilfe angeboten, die ich aber nicht in Anspruch genommen habe. Meine Familie hat mir sehr geholfen.“
„Warum haben Sie eigentlich keine Kinder?“ Diese Frage von Pari Azhdari machte den sonst so schlagfertigen Ex-Reporter nachdenklich: „Ich bin eigentlich sehr kinderlieb und hätte selbst gern Kinder gehabt. Aber bei meinem zum Teil sehr gefährlichen Beruf wollte ich es keiner Frau zumuten, am Ende möglicherweise allein mit den Kindern dar zu stehen. Ich wusste ja oft gar nicht, ob ich von einem Einsatz überhaupt noch einmal zurückkommen würde. Ich habe schließlich eine Reihe guter Kollegen im Einsatz verloren. Ich dagegen hatte Gottseidank immer Glück.“
Papst-Live-Schalte von der Toilette
Das war der dramatische, der ernste und nachdenkliche Teil des Talks. Ulrich Klose hatte aber auch Storys zum Schmunzeln im Gepäck. Beispielsweise vom langersehnten Interview mit Palästinenser-Führer Jassir Arafat, das schon vor der ersten Frage beendet war, weil ihm eben diese Frage nicht gefiel. Oder die Geschichte, wie er und sein Team den einen ahnungslosen Autoverleiher austricksten, ihm vorgaukelten, sie würden mit dem geliehenen Pkw nach Slowenen in den Urlaub fahren, stattdessen aber das Kriegsgebiet in Bosnien ansteuerten.
Oder von seiner Papst-Live-Schalte auf einer Londoner Toilette, von den Fußball–Reportagen, die ihm der Mannschaftsarzt der Arminia Bielefeld von den Spielen seines Herzensvereins von der Trainerbank aus live und exklusiv in die Wüste lieferte.

Und nicht zuletzt auch die Geschichte, die selbst den Reporter, den eigentlich nichts erschüttern kann, für Sekunden aus der Fassung brachte. O-Ton Uli Klose: „Ich habe eine deutschen Soldaten der Friedenstruppe in Bosnien interviewt. Am Schluss fragte er mich, ob er noch übers Mikrofon ein paar persönliche Worte an seine Ehefrau richten dürfe. Ich stimmte zu und dachte mir nichts Böses dabei. Da sagte er: ‚Schatz, schau Dir noch einmal die Wohnung an. Wenn ich nach Hause komme, wirst Du eine Woche lang nur die Decke sehen!‘ Wumms! Ich versuchte die Situation noch zu retten und sagte: ‚Verstehe, Sie wollen die ganze Wohnung renovieren.‘ Aber richtig erfolgreich war dieser Ablenkungsversuch dann doch nicht.“ Auch nicht beim Publikum in der Galerie. Hier gab es schallendes Gelächter.
Demut und Dankbarkeit
Ganz still wurde es noch einmal, als Ulrich Klose, der in Zukunft im Unruhestand viel reisen will, eine ganz persönliche Bilanz seines Journalisten-Lebens zog: „Ich bin dankbar für meine spannenden 37 Berufsjahre. Ich bin meinem Sender dankbar, der mich nie zu einem Einsatz gezwungen hat. Ich habe das immer völlig freiwillig gemacht. Zugegeben, ich bin ehrgeizig, aber ich war immer erst Mensch und dann Reporter. Menschlichkeit hatte für mich immer absoluten Vorrang vor jeder Story. Das ist mir ganz wichtig.“ Ein Schlusswort wie in Stein gemeißelt. Das Schlusswort eines sehr erfolgreichen, aber auch sehr sympathischen, empathischen Fernseh-Reporters. Die gebannt zuhörenden Talk-Show-Besucher nahmen ihm jeden einzelnen Buchstaben davon ab. Tosender Applaus als Lohn für einen offenen, ehrlichen und denkwürdigen „S-ART-Talk“.
Text: Peter Pionke
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