30. Juni 2025Peter Pionke
Forschung für eine nachhaltige Zukunft in der Metallindustrie

Über die Ziele der Bildungs- und Wissenschaftsangebote hat sich Autor Uwe Blass im Rahmen der beliebten Uni-Reihe „Transfergeschichten“ mit Leandra Apolte, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Konstruktion der Fakultät für Maschinenbau und Sicherheitstechnik, unterhalten.
Das Projekt „bergisch. kompetenz“ wird vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung durch das Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand, Klimapolitik und Energie des Landes NRW mit einer Projektlaufzeit bis 2027 gefördert. Um was geht es dabei?
Leandra Apolte: „Das Projekt bergisch kompetenz unterstützt produzierende Unternehmen der Metallindustrie dabei, eine nachhaltige Zukunft aktiv mitzugestalten. Mit innovativen Weiterbildungsangeboten werden insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowohl auf Management- als auch ganz besonders auf Produktionsebene angesprochen, um den Wandel von einer linearen hin zu einer Kreislaufwirtschaft zu realisieren.
Das Kompetenzzentrum arbeitet mit neuartigen Ansätzen aus der Wirtschaftspsychologie und Arbeitsforschung. Expertinnen und Experten aus den Bereichen Kreislaufwirtschaft, Fertigungstechnik, Bildung und regionaler Transformation kooperieren dabei eng mit der Industrie.

Das Ziel ist der Aufbau eines zentral koordinierten, aber dezentral organisierten Kompetenzzentrums an drei regionalen Standorten: Wuppertal kümmert sich dabei hauptsächlich um die Bildungsinnovation, die Management-Entwicklung und Start-Ups, Solingen befasst sich mit den Fertigungstechnologien und dem Industriedesign und Remscheid ist für die Technik, die Prozessgestaltung und Simulation zuständig.
Das Projekt wird aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven begleitet. Welche sind das?
Leandra Apolte: „Da das zentrale Thema die Entwicklung von Kompetenzen ist, ist der Lehrstuhl für Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie von Professor Stefan Diestel beteiligt, welcher sich unter anderem mit der Entwicklung von interaktiven und praxisorientierten Lernangeboten mit Gamificationelementen wie Planspielen oder Escape Rooms einbringt. Gleichzeitig braucht es natürlich auch technisches Know-how, gerade im Austausch mit der Metallindustrie. Deshalb sind auch Prof. Arne Röttger, Leiter des Lehrstuhls für Neue Fertigungstechnologien und Werkstoffe sowie das Institut für Produktinnovationen von Dr. Tim Katzwinkel Teil des Projekts. Zusammen kümmern die sich um die technischen Prozesse, welche ressourceneffizient gestaltet werden sollen.“

Mit welchen anderen Partnern arbeiten Sie in diesem Projekt zusammen?
Leandra Apolte: „Die Projektleitung übernimmt die Neue Effizienz. Weitere Partner sind das Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production (CSCP), das Wuppertal Institut, Fraunhofer UMSICHT, die Forschungsgemeinschaft Werkzeuge und Werkstoffe, die Technische Akademie Wuppertal sowie Beck und Consorten, welche alle das Projekt sowohl auf wissenschaftlicher, strategischer sowie politischer Ebene bearbeiten. Und natürlich unsere Unternehmen.“
Mit „bergisch. kompetenz“ soll die regionale Wirtschaft auf die Überholspur gebracht werden. Welche Aufgabe übernehmen Sie dabei?
Leandra Apolte: „Ich bin vor allem für die internen Aufgaben an der Universität zuständig. Mein Ziel ist es, gemeinsam mit verschiedenen Fachbereichen und Professorinnen und Professoren ein nachhaltigkeitsorientiertes Masterprogramm zu entwickeln, das Studierenden eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit – und damit auch mit Kreislaufwirtschaft – ermöglicht. Besonders wichtig ist mir dabei die Zusammenarbeit mit Unternehmen aus der Region. So profitieren beide Seiten: Die Studierenden bearbeiten reale Fragestellungen aus der Praxis und entwickeln wissenschaftlich fundierte Lösungen, während die Unternehmen neue Perspektiven und im besten Fall konkrete Lösungsansätze erhalten.“
Warum lässt man die Industrie das nicht allein machen, d.h., warum holt man die Uni an den Tisch?
Leandra Apolte: „Die Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft ist ein tiefgreifender Transformationsprozess, der alle Ebenen eines Unternehmens betrifft – technisch, organisatorisch und kulturell. Gerade kleinen und mittleren Unternehmen fehlen oft das nötige Wissen und die personellen Ressourcen, um solche Prozesse systematisch anzugehen. Die Universität bringt wissenschaftlich fundierte Methoden, Modelle und Werkzeuge ein – insbesondere zur Kompetenzentwicklung auf den drei genannten Ebenen – und schafft so eine strukturierte Basis für nachhaltige Veränderungen.“

Ein Ansatz ist ein an der Uni konzipiertes Modul im Fach Maschinenbau unter der Leitung von Prof. Arne Röttger mit dem Titel „Werkstoffkunde und nachhaltige Entwicklung“. Worum geht es da?
Leandra Apolte: „Im Rahmen des Moduls „Werkstoffkunde und nachhaltige Entwicklung“, einem verpflichtenden Modul im Masterstudiengang Maschinenbau, wurde der „bergisch. kompetenz-Contest“ ins Leben gerufen. Die Studierenden entwickeln dabei technische Lösungen für konkrete Fragestellungen aus unseren Partnerunternehmen. D.h. unsere Partnerfirmen wenden sich mit Problemstellungen an den Maschinenbau, und die Studierenden arbeiten an Lösungen. Dabei treten sie auch mit den Unternehmen in Kontakt, um Prozesse zu hinterfragen und liefern potentielle Lösungen unter Anwendung erlernter Strategien des Faches zum ressourcenschonenden Umgang mit Produkten direkt zurück.
Mithilfe der Software CES-Granta Design wählen die Teams geeignete Werkstoffe aus und führen ein ECO-Audit durch. Das bedeutet, es werden zum Beispiel Faktoren wie Rohstoffverbrauch, Energiebedarf bei Nutzung Entsorgung und Herstellung, CO2 Klimabilanz, Wasserverbrauch etc. betrachtet. Durch diese sozusagen systematische Bewertung der Umweltauswirkungen eines Produkts können sie dann ihre Konzepte anschließend prototypisch umsetzen.“
Das Besondere dabei ist also, dass die Studierenden wirklich drängende Fragen der Wirtschaftspartner bearbeiten. Welche Wirtschaftspartner nehmen denn an diesem Projekt teil?
Leandra Apolte: „Richtig – die Aufgabenstellungen stammen direkt von Unternehmen der Region. Zum Beispiel entwickelt die Firma Freund, Hersteller von Werkzeugen für Dachdecker, nachhaltige Lösungen zum Umformen von Blechen. Muckenhaupt & Nusselt, ein Kabelhersteller, sucht nach Wegen, Produktionsabfälle aus der Ummantelung in der Herstellung wiederzuverwenden und Bauer & Böcker, ein Unternehmen aus der Magnet-, LED- und Lasertechnik beschäftigt sich mit der Frage, wie Industriebeleuchtung noch nachhaltiger gestaltet werden kann.Weitere Industriepartner sind natürlich jederzeit herzlich willkommen. Wir freuen uns immer auf Rückfragen aus der Wirtschaft.“

Neu bei diesem Projekt ist eine Art Wettbewerb, der auch in eine Präsentation am 9. Juli mündet, die sogar ausgezeichnet wird. Was passiert da?
Leandra Apolte: „Am 9. Juli präsentieren die Studierenden ihre Lösungen im Rahmen eines Pitchs vor einer Jury, die sich aus Vertreterinnen und Vertreter der beteiligten Unternehmen, Prof. Röttger, der Neuen Effizienz und mir zusammensetzt. Für die Studierenden – viele davon kurz vor dem Abschluss – ist das eine hervorragende Gelegenheit, praktische Erfahrungen im Umgang mit Unternehmen zu sammeln, jenseits klassischer Bewerbungssituationen.
Die beste Lösung wird mit dem „bergisch. kompetenz-Löwen“ ausgezeichnet – eine Art Trophäe für nachhaltige Innovation. Die Ergebnisse werden dann zu gegebener Zeit noch einmal einer breiten Öffentlichkeit präsentiert.“
Wie geht es danach weiter?
Leandra Apolte: „Mein Wunsch ist es, dass wir künftig noch mehr solcher Kooperationen umsetzen können – mit weiteren Unternehmen, neuen Modulen und mehr Studierenden. Denn genau in diesem Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft liegt das große Potenzial, echte Transformation nachhaltig und praxisnah zu gestalten. Die Kooperationen könnten wachsen und wir dementsprechend auch unser Masterprogramm erweitern. Das wäre ein Gewinn für beide Seiten.“
Uwe Blass

Über Leandra Apolte
Leandra Apolte ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Konstruktion der Fakultät für Maschinenbau und Sicherheitstechnik. Im Projekt „bergisch. kompetenz“ arbeitet sie im UniService Third Mission mit Fachbereichen und Professorinnen und Professoren an einem nachhaltigkeitsorientierten Masterprogramm.
Europäischen Fonds für regionale Entwicklung
Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand, Klimapolitik und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen
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