26. Juni 2025Peter Pionke
Der Einfluss von koreanischer Kultur auf Design

Design in Korea bedeutet sowohl Kunsthandwerk als auch die Gestaltung von Industrieprodukten, die hohes Ansehen in einem Land genießen, das sich zum Industriestaat entwickelt hat. Korea avancierte mit seiner Qualität in der industriellen Fertigung neben Japan zur Leitkultur Asiens und hat mit Konsumgütern bekannter Marken wie Samsung oder LG Einzug in Europa und den Vereinigten Staaten gehalten.
Ähnlich ist es mit dem Transportation Design. Koreanische Fahrzeuge erschließen sich aufgrund des Designs, der Technikinnovationen und der Qualität immer größere Kundenkreise – auch bei uns. Die Hongik University in Seoul ist eine der Kaderschmieden für international erfolgreiche Designer. Manuel Löwer, Professor für Produktsicherheit und Qualität in der Fakultät für Maschinenbau und Sicherheitstechnik an der Bergischen Universität hat seit 2006 konstante Kooperationen mit asiatischen Hochschulen und insbesondere dieser Designuniversität aufgebaut.

„Es ist eine Kooperation des Maschinenbaus und der Sicherheitstechnik die sich über verschiedene Module in insgesamt vier Studiengängen der Fakultät für Maschinenbau und Sicherheitstechnik erstreckt. Mit den Kollegen vor Ort arbeite ich schon seit 2006 eng zusammen, damals noch an der RWTH Aachen University, an der ich auch heute noch interdisziplinäre Lehrveranstaltungen mit internationalen Kooperationen anbiete“ erklärt Löwer, der seit seiner Lehrstuhlübernahme in Wuppertal 2017 die Kooperation mit der koreanischen Universität an beiden deutschen Hochschulen zusammenführt.
Der Wissenschaftler: „Seit 2017 haben nun auch unsere Wuppertaler Studierenden die Möglichkeit, an dieser Kooperation teilzunehmen und über Lehrveranstaltungen, Module und Austauschprogramme Ihren akademischen und persönlichen Horizont im Partnerland zu erweitern.“
Beste Designuniversität in Korea
„Die Hongik Universität ist aus meiner Sicht, natürlich gestützt durch Ratings, aktuell die beste Designuniversität in Korea“, konstatiert Löwer. Sie sei eine vergleichsweise alte Universität, die aber sehr zukunftsorientiert arbeite – ähnlich wie man es an der Entwicklung koreanischer Produkte in den letzten 15 Jahren sehr deutlich beobachten kann. „Korea entwickelt eine eigene Designsprache und prägt mit technologischen Innovationen und kulturellen Besonderheiten ganze Märkte aber auch vieles im Alltag der jungen Generation bei uns.“
In allen großen automobilen Unternehmen seien mittlerweile koreanische Designer unterwegs. Wuppertal habe zwar auch eine exzellente Ausbildung und Lehre im Design, das sei jedoch vorwiegend Produktdesign. Mit seinem Hintergrund aus der Automobilindustrie und dem ausgeprägten Interesse an Mobilität, wollte Professor Löwer vor allem aber Fahrzeugdesign mit hineinnehmen, was sich auch in den letzten 19 Jahren bewährt habe.

„Die Kooperation ist im Bereich Systems Engineering und auch im Bereich des Transportation Designs an zwei Fakultäten der Hongik angesiedelt“, berichtet der Wissenschaftler und fährt fort: „Aus Aachen kommen dann die Fahrzeugtechnikstudierenden dazu, weil wir in den Veranstaltungen häufig interessante Projekte und Industriekooperationen aus dem automobilen Sektor, dem Mobilitätssektor, haben. Dementsprechend ergänzt die Wuppertaler Expertise im Bereich des Qualitätsingenieurwesens, der Sicherheitstechnik und auch des konstruktiven Maschinenbaus sehr gut. Diese Interdisziplinarität, erweitert durch interkulturelle Charakteristika, ist für alle Beteiligten dann eine fantastische Bereicherung.“
Designer und Ingenieure – zwei zusammengehörige Denkwelten
„Die Zusammenarbeit zwischen Ingenieuren und Designern ist traditionsgemäß immer etwas herausfordernd, weil unterschiedliche Perspektiven zusammenkommen“, beschreibt Löwer die gemeinsame Projektarbeit. Früher habe man ganz einfach die Maschine fertig konstruiert und dann eine Umhausung angefertigt, die irgendwie ansprechend war. „Heute denkt man das zusammen, d.h. man betrachtet von Anfang an die Anforderungen und Bedarfe der Personen, sozusagen aus der Nutzendenperspektive.“
Mit der Frage, wie kann ich das gestalten, dass es die Funktion gut erfüllt, aber auch für den Nutzenden gut zugänglich, selbsterklärend und ergonomisch passend ist, gehe man interdisziplinär an das Projekt heran. Das mache es auch für die Studierenden sehr interessant. Ingenieur*innen sowohl in Wuppertal als auch in Aachen arbeiteten in der Regel unter sich – im Fachkontext – berechneten, konstruierten und seien mit vielen Formeln unterwegs, erklärt der Fachmann, aber es fehle oft die größere Sicht auf das Ganze. An dieser Stelle komme das Design aber auch die Qualität und Sicherheit ins Spiel und ergänzten den Prozess ganz wunderbar.
Bergische Uni auf Top-Messe in Seoul
Manuel Löwer hat vor kurzem als Vertreter der Bergischen Universität an der Seoul Mobility Expo in Korea teilgenommen, wo Fahrzeuge präsentiert wurden, die mit Bergischem Know-how entwickelt wurden. „Wir haben unterschiedliche Fahrzeugkonzepte zusammen mit dem Unternehmen Klio präsentiert, einem Spin off (ein Spin-off ist die Ausgliederung einer Abteilung oder einer gesamten Geschäftseinheit, die zu einem eigenständigen Unternehmen wird, Anm. d. Red.) von der Hongik Universität.

„Das ist ein Unternehmen, in dem auch Professoren der Hongik Universität engagiert sind“ sagt Löwer. Die dort präsentierten Fahrzeugkonzepte seien insbesondere durch einen sehr hohen Nachhaltigkeitsanteil sowohl für unseren europäischen Markt aber eben auch für den amerikanischen Markt und für Schwellenländer geeignet. „Die Kunststoffkomponenten sind aus 100% recyceltem Material hergestellt, dementsprechend ist auch das deutsche Unternehmen igus GmbH dabei, denn die haben sehr viel Erfahrung mit recyceltem Kunststoff und dessen Verarbeitung. Die Wuppertaler Universität bringt dann noch das Engeneering, das Unternehmen Klio den Designaspekt dazu.“
Die Resonanz auf der Messe war durchweg positiv. „Die Fahrzeuge kamen sehr gut an, denn man muss wissen, es ist eine sehr große Messe gewesen, wo auch viele deutsche Automobilhersteller ausstellten. Wir haben dort auch Flugtaxis gesehen“, erzählt Löwer begeistert, „die in Korea ab 2025 noch mit Pilot*innen, ab 2030 dann aber ferngesteuert bzw. später autonom betrieben werden.“
Recycelter Kunststoff und smartes Design sorgen für Nachhaltigkeit
Obwohl Löwer auch intensiv an der Nutzung von Pilzen forscht, die als Naturprodukt Kunststoffe ersetzen könnten, sagt er jedoch: „Für die kommerzielle Nutzung in problematischen Bereichen müssen wir kurz- und mittelfristig noch auf das Recyceln von technischen Kunststoffen setzen. Wir bemühen uns also, den Kunststoffen im Zuge der Nachhaltigkeit ein zweites Leben zu geben.“
Der besondere Vorteil der aus Wuppertal mitkonzipierten Fahrzeuge liege daher vor allem in der durchdachten Nachhaltigkeit, sowie der Tatsache, dass diese Vehikel am unteren Spektrum dessen angesiedelt seien, was der Kunde monetär für Transport und Mobilität ausgeben wolle. Zudem könne das Fahrzeug mit hoher Flexibilität punkten, denn von der Grundstruktur ausgehend, könnten unterschiedliche Anwendungsfälle mit spezifischen Aufbauten abgedeckt werden.
„Selbst die Randbedingungen für die Zulassung in Europa oder Amerika sind auch schon von Anfang an mit bedacht worden“, erklärt der Fachmann, „so haben wir ein breites Feld an Ländern und an Nutzungsmöglichkeiten.“ Das Fahrzeug könne zum Schluss wieder wesentlich einfacher nahezu sortenrein zerlegt und dem Materialzyklus zugeführt werden.
Die Fahrzeuge mit der Bezeichnung Mule 4B und Mule MC könnten in Zukunft auch den europäischen Markt erobern. „Es gibt verschiedene Interessenten, die einer Kommerzialisierung für dieses Fahrzeug im speziellen sehr positiv gegenüberstehen und das auch übernehmen möchten. Es ist davon auszugehen, dass wir in Zukunft das ein oder andere Fahrzeug auch bei uns auf den Straßen und in der kommunalen Anwendung sehen werden“, sagt Löwer.
Zusammenarbeit mit unterschiedlichen kulturellen und fachlichen Hintergründen
Im Zuge der Zusammenarbeit zwischen den deutschen und der koreanischen Uni achten die Dozenten sehr auf die bestehenden kulturellen Unterschiede, die das Arbeiten nicht immer leichtmachen. Dazu Löwer: „Wenn man mit koreanischen Studierenden arbeitet, stellt man fest, dass viel Kommunikation zwischen denen nonverbal stattfindet. Die Menschen sind oftmals sehr zurückhaltend, man ist nicht derart extrovertiert, was auch die Kritik an Vorschlägen anbelangt, da hält man sich eher zurück. Das ist zunächst recht ungewohnt für unsere Studierenden, entwickelt sich aber in den verschiedenen Phasen der Lehrveranstaltung. Die Phase von März bis Mai, wenn wir nach Korea fahren ist nicht lang und bis dahin findet alles, also Vorlesungen und auch die Teamarbeit online statt.“

Die Herausforderung liegt schon allein darin, dass es keine reinen Wuppertaler, Aachener oder Seouler Teams sind, sondern dass es jeweils zwei der Teamplayer in insgesamt fünf interdisziplinären Teams gibt. „Die müssen, ohne sich je getroffen zu haben, versuchen, sich kennenzulernen und auch ihre kulturelle Prägung zusammenzubringen“ erklärt Löwer die Herangehensweise. Da müsse erst einmal ein Modus Operandi gefunden werden. Zudem müssten alle Teams von Anfang an Ergebnisse liefern. Um so effektiv arbeiten zu können, müsse Verständnis und Empathie für den jeweiligen Projektpartner aufgebracht, also eine Teamidentität entwickelt werden.
Manuel Löwer: „Wir haben festgestellt, dass sowohl die deutschen, als auch die koreanischen Studierenden da sehr offen sind. Das Ganze wird umso schwieriger, weil wir auch in dieser Veranstaltung Industriepartner integrieren, in unserem Fall sind das Volkswagen, Porsche und Audi. Mit denen stimmen wir die Aufgabenstellungen ab, um möglichst realistische Szenarien zu kreieren und die Studierenden müssen in den Design Reviews auch vor den Mitarbeitenden aus den Unternehmen präsentieren. Da bekommen sie direkt ein Feedback aus der Industrie.“
Teams treffen sich erstmalig persönlich in Korea
Neben den genannten Herausforderungen, die die Studierenden in einer relativ kurzen Zeitspanne zu bewältigen haben, kommt auch eine Exkursion nach Korea hinzu, wo man seine Onlineerfahrungen nun auch praktisch weiterentwickeln kann. „Sie lernen vor Ort sehr intensiv, sind von Anfang an eingebunden. Wir bieten dort noch Impulsvorträge an und haben Experten von der lokalen Industrie, aber auch Mitarbeitende von Audi, Volkswagen usw. zu Gast. Die stehen den Studierenden ebenfalls mit Rat und Tat zur Seite. Es gibt dort auch eine Workshop Phase, in der die Studierenden selber einmal handwerklich ranmüssen und Modelle bauen.“
Und natürlich komme man sich bei einem koreanischen Essen oder der gemeinsamen Abendgestaltung nach vorhergehender Onlinepräsenz auch menschlich einmal viel näher. Schließlich schlüpfen unsere Studierenden dann noch in die Rolle der Gastgebenden, wenn gegen Ende Juni der Gegenbesuch der koreanischen Gruppe hier in Wuppertal erfolgt und nach einer weiteren Intensiven Kollaborationsphase die Mobilitätskonzepte finalisiert und präsentiert werden.
Für den Sicherheitstechniker Löwer birgt diese langjährige Kooperation noch viele interessante Überraschungen, resümiert er, denn man lerne auch ständig voneinander.
Uwe Blass

Über Prof. Dr.-Ing. Manuel Löwer
Prof. Dr.-Ing. Manuel Löwer studierte Maschinenbau/Fahrzeugtechnik an der RWTH Aachen. In Wuppertal leitet er seit 2017 den Lehrstuhl für Produktsicherheit und Qualität.
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