20. Juni 2025Peter Pionke
Sind Eiswagen bald ein Relikt aus der Vergangenheit?

Der beliebte Eismann Salvatore Morreale (76), der seit 1970 mit seinem Eismobil unterwegs ist und sein leckeres Eis mit Hilfe von alten, überlieferten Rezepten aus seiner Heimat Sizilien auch selbst produziert, sieht viele Gründe für die rückläufige Entwicklung.
Tatsächlich ist der Speise-Eismarkt merklich in Bewegung geraten. Der Konsum sank in Deutschland und die Kosten explodieren geradezu. Noch 1970 kostete die Kugel Eis 50 Pfennig. Da aber war eine Eiskugel so klein wie ein Eidotter, etwa 25 bis 30 Gramm. Heute ist sie teilweise so groß wie ein Tennisball, 80 bis 110 Gramm schwer.
90 Prozent der Eisproduktionen aus fertigen Pulvertüten
Wenn heute Eis überhaupt noch in diesen kleinen Mengen angeboten wird, liegt die Preisspanne in Deutschland zwischen 1,40 € (Halle Saale) und 2,50 € (Sylt). In den Eisdielen werden oft nur noch große Becher, nicht selten zum Preis von 7 bis 10 € angeboten.

Die Preis-Spirale hat zwangläufig mit Angebot und Nachfrage zu tun, aber auch mit den enorm gestiegenen Rohstoff -, Lohn- und Miet-Kosten. Dabei habe die Kaufkraft nach den Beobachtungen von Salvatore Morreale enorm eingebüßt. In Mehrzahl wird bei ihm nur noch eine Eiskugel geordert, im günstigsten Falle zwei, eine für das Kind, eine für die Mama. Das war noch vor wenigen Jahren deutlich anders.
Kaum ein Eismann mache das Eis heute noch so wie früher, erklärt „Salva“, wie ihn seine Kunden und Freunde liebevoll nennen. 90 Prozent der Eisproduktion stamme heute aus fertigen Pulvertüten, gefertigt von der Großindustrie. Früher habe man seine Eisspeizialitäten noch nach uralten Rezepten angerührt, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden.
„Zum guten Eis gehört frisch gekochte Milch“
Echtes italienisches Eis war einmal ein begehrtes Marken-Produkt – so ähnlich wie Champagner aus Frankreich. Heute dagegen würde im Eisgeschäft fast jedermann mitmischen. Eis herstellen und verkaufen könne inzwischen nach kurzer Anleitung aus dem Internet beinahe jedes Kind.

Dabei komme es bei der Eisproduktion wie auch bei jedem guten Gericht auf die Zutaten an. Zum wirklich guten Eis gehören frisch gekochte Milch, Sahne, Wasser, Eier, Zucker und geschmackvolle Zutaten wie hochwertiger Kakao, echte Vanille oder frische Früchte. Wie gut ein Eis ist, könne man vor allem an Vanille- und Nusseis erkennen, wenn man die natürlichen Vanilleschoten oder die echten Haselnüsse noch rausschmecken kann. Oftmals würden heute kostengünstige künstliche Aromen verwendet. Das schmeckt der Experte sofort heraus.
Salvas Eiskugel zum „Schmunzel-Preis“
Eis sei nicht Eis, die vielschichtigen Angebote entsprächen bei weitem nicht den gewohnten Qualitätskriterien, so jedenfalls der in Wuppertal lebende Sizilianer Salvatore Morrale. Er ist einer von denen ganz wenigen Eisverkäufern, die das Speise-Eis noch täglich selber produzieren, und zwar nach ganz alten italienischen Rezepten in seinem „Eisherstellungsbetrieb Meran“ an der Küllenhahner Strasse.

Trotz der hochwertigen Zutaten kostet die Eiskugel bei „Salva“ aktuell nur 1,40 €. Wie ist das bei gleichbleibender, hoher Qualität überhaupt möglich? Salvatore Morreale verfügt nicht nur über ein eingespieltes Stammpersonal, er hat auch ein großes Stammpublikum. Sein treuer Kundenkreis ist in der Region von Leverkusen bis hinauf nach Münster zu Hause.
Viele große Firmen, aber auch Vereine, buchen den überaus charmanten Italiener mit dem großen Verkaufstalent und dem sonnigen Humor regelmäßig als cooles Highlight für ihre Sommerfeste oder andere Partys. „Eisverkauf ist nichts für Muffel-Köpfe“, davon ist Salva felsenfest überzeugt, sondern sei eine Sache von Mensch zu Mensch, bei der die ganz persönlich Ansprache wichtig sei. „Die Leute lieben mich einfach“, beschreibt er seine Wahrnehmung nicht ohne Stolz.
Keine Vorstellung von der Zeit danach
Der ja schon in die Jahre gekommene Salvatore Morrale sieht die Entwicklung in seiner heiß umkämpften Branche mit großer Sorge. Es gebe auf dem Arbeitsmarkt für das Eisgeschäft keine willigen, motivierten Arbeitskräfte mehr. Kaum einer wolle heute noch so arbeiten, wie er und seine Gilde es seit Generationen gewohnt waren.

„Wenn andere feiern, Ferien oder Sonntag haben, müssen wir raus und unser Eis verkaufen. Das ist unser schöner, aber auch harter Job. Bei uns hier in Deuschland wird aber nicht mehr der Fleiß, sondern eher die Faulheit belohnt. Viele Mitbürger hoffen auf Turbo-Reichtum, ohne dafür viel arbeiten zu müssen“, ein Hauch von Resignation und Unverständnis schwingt in dem fast schon politischen Statement des ehrlichen, freundlichen und fleißigen Eismannes Salvatore Morrelae mit, der den Menschen mit dem exklusiven Produkt seiner Arbeit eigentlich nur Freude bereiten möchte.
Salva selbst hat keine Vorstellungen davon, wie es in der Zeit nach ihm mit dem Eisgeschäft weiter geht. Für sich persönlich hat er aber den Entschluss gefasst: Er will noch solange Eis herstellen und verkaufen, wie ihn der Liebe Gott lässt.
Text: Siegfried Jähne
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