2. Juni 2025

Der Mann, der ‚höhere Heiterkeit‘ in die Welt tragen wollte

Am 06. Juni 1875 wurde Thomas Mann in Lübeck geboren. Aus Anlass des 150. Geburtstags des berühmten Schriftstellers gibt es an der Bergischen Universität eine Vortragsveranstaltung. Darüber hat sich Autor Uwe Blass im Rahmen der interessanten Uni-Reihe "Transfersgeschichten" mit dem Historiker Dr. Arne Karsten unterhalten.

Der Historiker PD Dr. Arne Karsten von der Bergischen Universität – © Sebastian Jarych

Auf die Frage, was ihm als erstes einfalle, wenn er den Namen Thomas Mann höre, antwortet der Historiker Dr. Arne Karsten von der Bergischen Universität spontan: „Buddenbrooks und Pflichtbewusstsein!“ Der 1901 erschienene Roman ist der Beginn der einzigartigen Erfolgsgeschichte eines Autors, der, so erklärt Karsten, „eine ungeheure, zähe Entschlossenheit hatte, gegen alle inneren und äußeren Widerstände seiner Aufgabe nachzukommen, um mit seinem Lebenswerk, wie Thomas Mann es selber formuliert hat, ´ein wenig höhere Heiterkeit in die Welt zu tragen`“.

Ein Werk geprägt von persönlichen Lebenserfahrungen fasziniert bis heute 

Am 6. Juni vor 150 Jahren wurde Thomas Mann 1875 in Lübeck geboren, der Stadt, in der auch später einer seiner berühmtesten Romane spielt, ‚Buddenbrooks‘, ein biographisch geprägtes Werk. „Thomas Mann hat Zeit seines Lebens immer sehr unterstrichen, dass er eigentlich nichts erfunden habe“, sagt Karsten, „sein Werk ist außerordentlich stark von persönlichen Lebenserfahrungen geprägt, auch da, wo es in ganz verschiedenen Kontexten spielt.“ Das zeige sich z. B. auch in den Romanen ‚Joseph und seine Brüder‘ oder ‚Der Erwählte‘. Im ‚Doktor Faustus‘, seinem großen Roman, den er im Zeichen des Untergangs Nazideutschlands geschrieben hat, tritt dann das Biographische noch einmal mit geradezu überwältigender Intensität in den Vordergrund. „Dazu hat er gesagt, es sei ein spätes Geschwister von Buddenbrooks.

© Bergische Universität

Er war geradezu besessen von autobiographischem Furor, von einer Abschilderung von Familiengeschichten, auch Familientragödien. Das, was er in jungen Jahren schon einmal vorhatte, eine Fortsetzung von ‚Buddenbrooks‘, wenn auch in einem anderen Ambiente spielend, hat er im ´Doktor Faustus` umgesetzt.“
Seine Romane wurden vielfach übersetzt, die Buddenbrooks allein in rund 40 Sprachen. Seine Außenwirkung mache ihn bis heute zu einem der bedeutendsten Erzähler des 20. Jahrhunderts. „Kein Schriftsteller seiner Generation wird heute noch so viel gelesen wie Thomas Mann. Und er ist einer der wichtigsten Arbeitgeber für die Germanisten unter den Schriftstellern des 20. Jahrhunderts.“

Erfolg nur möglich, durch die Frau an seiner Seite

Ohne seine Frau, Katia Mann, wäre Thomas Manns Lebenswerk niemals zustande gekommen. Das hat er auch immer gewusst. In seiner Rede zu ihrem 70. Geburtstag sagte er: „So lange Menschen meiner gedenken, wird ihrer gedacht sein.“ Sie sei der gute Geist gewesen, weiß Karsten, die ihm immer den Rücken freihielt. „Lebenspraktisch und aus sehr wohlhabendem Umfeld kommend, die Eltern Pringsheim gehörten zur Münchener Upper class, war sie Zeit ihres Lebens nicht nur eine sehr sorgsame, aufmerksame Mutter der insgesamt sechs Kinder, die sie zusammen hatten, sondern in gewisser Weise auch seine Managerin. Sie war die Frau, die ihm den Freiraum geschaffen hat, sich auf das Werk konzentrieren zu können“, erklärt der Historiker.

Am Roman ‚Der Zauberberg‘ arbeitet Thomas Mann neun Jahre

Da kam einfach der Erste Weltkrieg dazwischen“, erklärt Karsten die lange Zeitspanne, der Entstehung seines Romans ‚Der Zauberberg‘, „die Irritation, die grundsätzliche Infragestellung seiner ganzen denkerischen, künstlerischen Existenz. Der Kampf, der ja auch ein ideologischer Kampf war, hat ihn, wie er immer wieder selber festgestellt hat, einfach nicht dazu kommen lassen, sich auf das höhere, ironisch- distanzierte Spiel mit den künstlerischen Themen zu konzentrieren, sondern ihn dazu gezwungen, sich selbst Rechenschaft abzugeben über seine Stellung im Kampf der Meinungen.“

Der Schriftsteller Thomas Mann, 1929 – © gemeinfrei

Thomas Mann verlässt vergiftetes Deutschland 1933

Thomas Mann war notgedrungen auch ein politischer Mensch. Er verteidigte die Weimarer Republik und emigrierte in die USA, nachdem die Nazis an die Macht gekommen waren. Der New York Times sagte er 1938: „Es [das Exil] ist schwer zu ertragen. Aber was es leichter macht, ist die Vergegenwärtigung der vergifteten Atmosphäre, die in Deutschland herrscht. Das macht es leichter, weil man in Wirklichkeit nichts verliert. Wo ich bin, ist Deutschland. Ich trage meine deutsche Kultur in mir. Ich lebe im Kontakt mit der Welt und ich betrachte mich selbst nicht als gefallenen Menschen.“ Auch im Exil hat er sich immer eingemischt. Bekannt sind seine insgesamt 55 Radioansprachen die unter dem Titel „Deutsche Hörer“ von 1940 – 1945 von der BBC veröffentlicht wurden.

Dazu Karsten: „Thomas Mann hat sehr früh die fatale Entwicklung in Deutschland erkannt, und, wie er selber sagte, versucht, nach seinen schwachen Kräften zu tun, was irgend möglich ist, um sie aufzuhalten. Als es nicht mehr ging, begann das Exil, das etwas komplizierter ist. Er lebte ja in München und hatte dort im Februar 1933 einen großen Vortrag gehalten über ´Leiden und Größe Richard Wagners`. Dann ging er auf Vortragsreise nach Holland und schloss noch einen kleinen Urlaub in Arosa in der Schweiz an. Dort wurde er überrascht von einem ´Protest der Wagnerstadt München`, wo Münchner Intellektuelle und jene, die sich dazu zählten in hanebüchener und grotesker Weise den Vortrag als undeutsch und unerträglich abqualifizierten. Und da merkte er, es hat keinen Zweck nach Deutschland zurückzugehen.“ Thomas Mann blieb zunächst in der Schweiz, ging dann 1938 schließlich nach Amerika und kehrte erst nach dem Zweiten Weltkrieg nach Europa zurück.

Keine Rückkehr nach Deutschland

Doch Thomas Mann kehrt nicht nach Deutschland zurück, sondern verbringt seinen Lebensabend in der Schweiz. Dafür gäbe es zwei Gründe, sagt Karsten: „Er fürchtete sich vor den zerstörten Städten, schrieb er selber, aber auch vor den zerstörten Seelen. Die Nazis waren ja mit dem Untergang des Dritten Reiches nicht plötzlich spurlos verschwunden. Es gab viele Leute, die ihm das Exil übelnahmen und das damit verbundene Nicht-Miterleben-Müssen, was in Deutschland passiert.“

Buddenbrooks – Thomas Mann – Fischer Verlag – 848 Seiten -ISBN-10: 3596294312 – ISBN-13: 978-3596294312

Das Exil war aber für ihn nicht freiwillig. „Er hatte das Gefühl, dass er sich in Deutschland nicht wohlfühlen würde und hier kommt der Gedanke der Verpflichtung dem Werk gegenüber wieder zum Tragen. Die Atmosphäre in Deutschland war so schwierig, so von Missverständnissen und Übelwollen geprägt, dass er um seine Konzentration und innere Ruhe fürchtete.“ Die Schweiz mochte er seit seiner Hochzeitsreise mit Katia nach Zürich und Luzern 1905 und sagte nach seiner Rückkehr aus Amerika: „Die Schweiz ist das Land, in dem man auf Deutsch das ganz und gar Undeutsche sagen kann, und dafür liebe ich sie!“

Ein schwieriger Mensch

„Was für eine sonderbare Familie sind wir“, schrieb Klaus Mann, einer seiner Söhne später. Thomas Mann selber sagte über sich: ´Jemand wie ich sollte selbstverständlich keine Kinder in die Welt setzen. ` „Er war ganz gewiss sehr schwierig“, beschreibt Karsten den Literaten und schmunzelt, „aber das nette Genie von nebenan, das auch mal unkompliziert bei der Gartenarbeit hilft, das ist ja generell eher selten.“ Ein Mann von der Sensibilität und auch Empfindlichkeit Thomas Manns habe Zeit seines Lebens immer wieder unter Depressionen sowie einer Vielzahl von Krankheiten gelitten. „Wenn man sich seine sorgfältig geführten Tagebücher anschaut und liest, wie oft der Mann allen nur beim Zahnarzt war, muss man sich fast schon wundern, wann er überhaupt noch zum Schreiben gekommen ist.

Er war bei alle dem, was er einmal Richard Wagner zugeschrieben hat, auf eine ´gesunde Art krank`. Die Grundvitalität seines Lebens, die schon zitierte feste Entschlossenheit, sein Werk abzuarbeiten, das er als auferlegt betrachtete, die sorgte dafür, dass der Wille auch immer wieder über die zahllosen Erkrankungen triumphierte.“
Thomas Manns Bedeutung für die deutsche Literatur beschriebt Carl Zuckmayer auf dessen Beerdigung 1955 bis heute treffend folgendermaßen: „An diesem Sarg verstummt die Meinung des Tages. Ein Leben hat sich erfüllt, das nur einem einzigen Inhalt gewidmet war: dem Werk deutscher Sprache, dem Fortbestand europäischen Geistes.“

Tagung aus Anlass des 150. Geburtstages an der Bergischen Universität

Aus Anlass des 150. Geburtstages des Ausnahmeschriftstellers hat PD Dr. Arne Karsten, zusammen mit dem Germanisten Prof. Dr. Michael Scheffel eine Tagung organisiert. Unter dem aus dem Roman ´Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull` stammenden Zitat: Sein sei nicht Wohlsein; es sei Lust und Last, präsentieren sie am 4. Juni ab 14.00 Uhr im Senatssaal der Bergischen Universität, Gebäude K, Ebene 11, Raum 07 fünf Vorträge, die sich mit Thomas Manns Werk und politischer Haltung beschäftigen. Der Eintritt ist frei, interessierte Besucher sind herzlich willkommen.

Weitere Informationen zum Programm unter: akarsten@uni-wuppertal.de

Uwe Blass

Dr. Arne Karsten – © Sebastian Jarych

Über PD Dr. Arne Karsten

PD Dr. Arne Karsten (*1969) studierte Kunstgeschichte, Geschichte und Philosophie in Göttingen, Rom und Berlin. Von 2001 bis 2009 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt-Universität Berlin und Leiter des Forschungsprojekts „REQUIEM“ – Die römischen Papst- und Kardinalsgrabmäler der frühen Neuzeit, www.requiem-projekt.de. Seit dem Wintersemester 2009 lehrt er als Junior-Professor, seit der Habilitation 2016 als Privatdozent für Geschichte der Neuzeit an der Bergischen Universität.

 

 

Kommentare

Neuen Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert