20. Mai 2025Peter Pionke
Blinde Psychologin Handrup: Erfolgreich als Radsportlerin

Manche Protagonisten kennt man gut, andere weniger. Ob bekannt oder weniger bekannt: Wer ihre Portraits liest, möchte vermutlich die eine oder den anderen persönlich kennenlernen oder kennengelernt haben. Bisher hat der Journalist und Autor Dr. Matthias Dohmen an gleicher Stelle Uwe Blass, Dorothea Brandt, Karin Brehm, Herbert Bungard, Klaus Burandt, Christine Flunkert, Uwe Flunkert, Peter Klassen, Heidemarie Koch, Werner Kleine, Johannes Nattland, Josa Oehme, Hans Werner Otto, Willfried Penner, Reiner Rhefus, Klaus Saalmann, Erika Schneider, Ingrid Schuh, Hermann Schulz, Klaus Schumann, Peter Steinmetz, Wolfgang Suchner, Hans Günter Wachtmann, Klaus Waller, Michael Walter und Wolf von Wedel Parlow vorgestellt.
Radfahren (Zeitfahren, Straßenrennen, Tandemradsport auf der Bahn und auf der Straße), singen und Gitarre spielen, schwimmen, Krimis lesen, mit dem Hund lange Spaziergänge unternehmen, eine psychoonkologische Praxis aufbauen: Die 1983 in Wuppertal geborene, am Katernberg aufgewachsene Diplompsychologin Henrike Handrup geht so schnell keiner Herausforderung aus dem Wege.
Studium an der Bergischen Universität
Zur Schule ist sie in der Birkenhöhe gegangen, später zum St. Anna, wo sie ihr Abitur machte. Studiert hat sie Psychologie an der Bergischen Universität Wuppertal und absolvierte ein Praktikum in Düsseldorf, arbeitete in Köln für die Kampagne „Kinder stark machen“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), ist psychologische Verhaltenstherapeutin mit der Zusatzausbildung für Psychoonkologie und betreibt eine eigene Praxis, nachdem sie im Anschluss an eine Weiterbildung ein Jahr am Helios-Klinikum gearbeitet hat. Dort war sie bereits von 2015 bis 2021 in der entsprechenden Fachabteilung tätig.

So weit, so anspruchsvoll. Aber mit einer Besonderheit: Sie war acht Jahre Mitglied des Behinderten-Radsportnationalteams, denn Henrike ist von Geburt an blind. Nicht sehbehindert und dies vielleicht infolge eines Unfalls oder einer Krankheit, sondern blind. Mit all den Einschränkungen, die das mit sich bringt, und den Perspektiven, die dem Menschen offenstehen, der sein Handicap annimmt und es über die intensive Nutzung aller anderen Sinnesorgane zu kompensieren versucht.
Lesen ist ihre Leidenschaft
Was „liest“ sie gern? Kurze Storys, aber auch lange Romane wie Thomas Manns „Buddenbrocks“, Thriller von Marc Raabe und anderen Autoren, Biographien und Literatur über die unendlichen Weiten des Weltraums. Sie liebt Hörbücher, weil sie auch Atmosphäre vermitteln im Unterschied zu reinen E-Books, deren Text von einer blechernen Computerstimme vorgetragen wird.
Als ich sie kennenlerne, singt sie in einem Chor der Musikschule. Dort bringt sie sich ein, wie jede andere Sängerin und jeder andere Sänger auch. Sie outet sich als Metal-Fan, die selbst zeitweise Gitarre und Querflöte gespielt hat. Sportlich ist sie seit Kindertagen, hat auch eine Zeit lang Ski gefahren, bis sie sich ihr Knie fast ruiniert hatte, und begeisterte sich fürs Inlineskating, das sie immer noch betreibt.

Grenzerfahrungen. Ihre Patienten, früher im Helios und jetzt in ihrer Praxis, haben zumeist Krebs wie der junge, mit Anfang 20 auf der Station an einem Zungentumor verstorbene Patient, der ihr aus seinem Urlaub eine Muschel mitbringt. Mit dem Patienten, dessen Lebenserwartung überschaubar ist, eine Tagesstruktur zu erarbeiten, generell mit der Erkrankung umzugehen, den Folgen und Konsequenzen, ist das Ziel der gemeinsamen Tätigkeit. Und – komplexes Thema – der Umgang mit Angehörigen. Akzeptanz und Abschied.
Wie viele andere Menschen, die mit teilweise substantiellen Einschränkungen zu leben haben, möchte Henrike Handrup „alles möglichst gleich haben wie die anderen“. Sie sieht sich als Skifahrerin, Musikerin und Therapeutin, die „zufällig blind“ ist.
Grosse Reiselust
Also auch auf Reisen geht. In Costa Rica ist sie gewesen, auf dem australischen Subkontinent oder in Südafrika, in Finnland oder als Radsportlerin in Italien, Spanien, Frankreich, Großbritannien oder in Kanada und den USA.
Zufrieden möchte sie sein, ein schönes Leben führen, durchaus in der Gewissheit, dass die globale Umwelt stark gefährdet ist. Sie sei „kein Optimist, aber ein Realist“.
Text: Dr. Matthias Dohmen
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