19. Mai 2025

Der WSV braucht wieder Führung und eine gelebte Vision

„Am Tag, als Friedhelm Runge starb und alle Freunde weinten um ihn. Das war ein schwerer Tag, weil eine Welt zerbrach.“ Der leicht abgewandelte Song-Text von Juliane Werdings Hit „Am Tag, als Conny Kramer starb“ aus dem Jahr 1972 passt auch in die Geschichte des Wuppertaler SV, der am 29. November 2024 seinen größten Förderer endgültig verlor.

Von diesen beiden Funktionsträgern hängt für den Regionalligisten Wuppertaler SV eine Menge ab: Sportdirektor Gaetano Manno (l.) und Cheftrainer Sebastian Tyrala – © Archivfoto Jochen Classen

Und nunmehr scheint der Herzensverein von Friedhelm Runge vor einer unsicheren Zukunft zu stehen. Die saftige 0:7- Niederlage im letzen Saisonspiel gegen den FC Gütersloh ließ das mehr als deutlich werden. In der Saison-Abschluss-Tabelle der Regionalliga West belegt die Mannschaft von Cheftrainer Sebastian Tyrala mit 31 Punkten den 13. Tabellenplatz. Das sind sechs Punkte mehr, als der erste Absteiger SV Eintracht Hohkeppel auf dem Konto hat.

Im Lied ging es um Conny Kramer, der vor seinem Drogen-Tod „Ein Meer von Licht und Farben“ sah. In der Fußball-Realität geht es für den WSV auch um große Träume und Illusionen, lange vorgelebt und finanziert von Friedhelm Runge, der im November 2024 im Alter von 85 Jahren starb. Er war Chef des Weltmarktführers für Beschlagteile EMKA mit Hauptsitz in Velbert.

Der geborene, überzeugte Wuppertaler („hier lebe ich, hier werde ich sterben“) war von 1991 bis 2013 WSV-Präsident und unterstützte den Verein auch noch nach seinem Ausscheiden aus dem Amt bis zuletzt mit großzügigen Geldsummen.

WSV brachte Bayern München zum Wanken

Man muss dazu wissen, in Friedhelm Runges Amtszeit fielen u.a. der Aufstieg in die 2. Fußball-Bundesliga in der Saison 1991/92 sowie das Spiel um den Einzug in das Viertelfinale des DFB-Pokals gegen Bayern München. 61.000 Zuschauer sahen in der Saison 2007/2008 in der Schalker Veltins-Arena gegen den damaligen Bundesliga-Spitzenreiter und haushohen Favoriten aus Bayern bis zur Pause ein 2:2-Unentschieden.

Sein Tod hat auch für seinen Herzens-Klub WSV einschneidende Folgen: Friedhelm Runge, langjähriger Präsident und Sponsor des Vereins – © Archivfoto Jochen Classen

Es war ein hervorragendes Spiel der Wuppertaler, das am Ende dann doch mit 2:5 verloren wurde. Die Tore erzielten Damm und Saglik für den WSV und Klose (2x), van Buyten, Luca Toni sowie Altintop für die Bayern.

Der „Spiegel“ schrieb damals: „Die Bayern wankten. Am Ende waren aber alle zufrieden. Die Bayern feierten den Einzug ins Viertelfinale, der WSV sich selbst“. Eine schöne Erinnerung!

Schon vor der letzten Spielzeit 2024/25 reduzierte der zu dem Zeitpunkt schon erkrankte Friedhelm Runge sein Engagement erheblich. Es flossen „nur“ noch 600.000 €. Mit der Folge, dass das seinerzeit noch ambitionierte Team vollends auseinanderbrach. Mit einem relativ kleinem, von 1,9 Mio. € auf rund 1,2 bis 1,4 Mio. €  geschrumpften Etat, einem neuem Trainer (René Klingbeil) und 19 neuen Spielern, fand man sich dann schnell auf einem der Abstiegsplätze wieder.

Erst mit dem Trainerwechsel zu Sebastian Tyrala (36) am 5. November 2024 schien der Erfolg zurückzukehren. Zwei Spitzenteams wurden geschlagen, in Lotte gewann man mit 1:0 und zuhause gegen Gütersloh mit 2:0 Toren. Nach dem Ableben von Friedhelm Runge am 30.11.2024 dauerte es aber ganze vier Monate, ehe der WSV im April 2025 endlich wieder (tabellarisch wirksame) Spiele gewinnen und sich letztlich mit Tabellenplatz 13 aus dramatischer Abstiegsgefahr retten konnte. Soweit die sportliche Seite.

Ein wichtiges Gespräch, das nicht mehr stattfand

Zu Friedhelm Runges Lebzeiten war abgesprochen, im Januar 2025 über die weitere  Entwicklung zu beraten. Das Gespräch konnte aber wegen des Todes des großzügigen Mäzens nicht mehr stattfinden. Stattdessen sickerte schnell durch, dass sich Friedhelm Runges Nachfolger nur noch auf eine Förderung einlassen konnten oder wollten, die bei 100.000 Euro im Jahr liegen würde. Das löste beim WSV hektische Aktivitäten in jede Richtung aus.

Das Smartphone ist derzeit das wichtigste Werkzeug von WSV-Sportdirektor Gaetano Manno, der auf der Suche nach jungen, talentierten, hungrigen und preiswerten Spielern ist – © Jochen Classen

Die enorme finanzielle Einbuße blieb zwangsläufig nicht ohne Einfluss auf die Mannschaft und deren Leistung. Für die Akteure ging es schließlich auch um ihre berufliche Existenz. Während andere Clubs, wie etwa RW Oberhausen, schon im Januar an die Saisonplanung für 2025/26 gingen, hingen die Spieler des WSV lange Zeit regelrecht in der Luft.

Erst als der Klassenerhalt im Mai dieses Jahres gesichert war, konnte man überhaupt an neue Vertragsabschlüsse denken. Bereits elf Abgänge zählte man bis zum 19. Mai, was erneut auf einen großen Umbruch im Kader hindeutet.

Der Verwaltungsratsvorsitzende Dr. med. Jürgen Hoß erklärte mit Blick auf die Saisonplanung 2025/26: „Es wird eine schwere Saison. Wir geben nur das Geld aus, das wir auch haben.“ Er hatte bei seinem Statement wohl auch das Schicksal der in Konkurs geratenen Clubs 1.FC Düren und KFC Uerdingen vor Augen und fügte deshalb hinzu: „Wir gehen kein finanzielles Risiko ein!“

Ob diese Rechnung aufgehen kann? Erste Antworten könnte man der 0:7-Pleite im letzten Spiel beim Vizemeister FC Gütersloh entnehmen. Trainer Sebastian Tyrala resümierte frustriert: „Wir hatten hier sechs Spieler auf dem Feld, die den Verein verlassen werden. Das Ergebnis wird in den Geschichtsbüchern stehen.“

Dr. Jürgen Hoß, Vorsitzender der WSV-Verwaltungsrat – © Jochen Classen

Das 0:7 dürfte die höchste Niederlage in der Vereinsgeschichte gewesen sein. Man muss schon sehr weit zurückgehen, ähnliches erlebt zu haben. In der Bundesligasaison 1973 verlor der WSV einmal gegen Borussia Mönchengladbach mit 1:7.

0:7! Auch eine Abrechnung der Enttäuschten?

Die 0:7-Klatsche am letzten Spieltag beim FC Gütersloh hatte tabellarisch zwar keine großen Auswirkungen mehr, der letzte Eindruck (Recency-Effekt) aber wird wohl noch einige Zeit nachwirken. Das 0:7 in Gütersloh dürfte viele Ursachen haben. „Ich könnte unfassbar viele Superlative finden über die Nicht-Leistung meiner Mannschaft, aber das macht keinen Sinn“, referierte Trainer Tyrala nach dem Spiel. War vielleicht auch eine Abrechnung der Enttäuschten dabei?

WSV Sportdirektor Gaetano Manno: „Wir werden bei der Zusammenstellung des  neuen Kaders noch mehr auf den Charakter achten.“ Junge, hungrige Spieler will man aus dem eigenen Nachwuchs rekrutieren oder anderorts gewinnen, um dann zusammen mit einigen wenigen, wichtigen Routiniers ein neues Team zu bilden. Dabei hofft man auch wieder auf Leihspieler aus der Bundesliga, die oft kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.

So wie zuletzt Benedikt Wimmer und Yousef Qashi, Youngsters von Bayern München. Profi-Vereine verleihen ihre talentierten, aber noch unerfahrenen Nachwuchsspieler gerne auf Zeit an Klubs in der 3. Liga oder auch der Regionalliga,  damit diese Spielpraxis erhalten oder behalten.

Wo ist die integrative Persönlichkeit mit Führungsqualitäten?

Friedhelm Runge war es wichtig, dass sein WSV professionelle Strukturen aufbaut, um eines Tages wieder in der dritten Liga zu spielen. So sein Vermächtnis. Der Weg dahin scheint indessen steiniger denn je.

Es gilt auch, so Gaetano Manno, neue Zuschauer zu gewinnen und bei der Stange zu halten sowie neue Mitglieder und Sponsoren zu generieren, damit der Verein eine längerfristige Perspektive erhalte. Will man auf Dauer Erfolg haben, gilt es aber auch, vereinsintern einiges wieder gerade zu rücken. Wo aber ist die integrative Persönlichkeit mit Führungsqualitäten, der es gelingt, eine Vision zu entwickeln und vorzuleben, eine Persönlichkeit, die auch in der Lage ist, mit verschiedenen Strömungen und Meinungen im Verein umzugehen?

WSV-Mitglied Norbert Müller, mit seinem Buch, in dem er auch den Wuppertaler SV thematisiert – © privat

Der  WSV braucht eine lebendige Kommunikation und Einbindung von Kritikern, wie z.B. Eckhard Osberghaus oder Norbert Müller. Die gehören nicht in die Wüste geschickt. Ihre Meinung sollte angehört und sie als Persönlichkeit möglichst integriert werden.

Norbert Müller erklärte uns jetzt: „Die aus der Finanznot geborene Entscheidung, nun auf die Jugend zu setzen, ist der richtige Weg, den Verein wieder neu zu erfinden. Es ist aber nicht sichtbar, dass die weiteren Baustellen, wie die Beseitigung der Verbindlichkeiten, Entwicklung eines durchgängigen Marketingkonzeptes mit Aufbau einer Vertriebsstruktur, geschlossen wurden. Es ist ein Fehler, das Konzept der Gründung einer Kapitalgesellschaft nicht weiter zu verfolgen. Der Verein braucht potentielle Investoren. Eine echte Vision, die sehe ich nicht.“

Eine gute, nachhaltige Basis dürfte indessen mit der Weiterverpflichtung der Trainer Sebastian Tyrala und Adli Lachheb (Co-Trainer) sowie Sportdirektor Gaetano Manno geschaffen sein. Sie stehen für Konstanz und Kompetenz. Auf der anderen Seite muss der ehemalige Geschäftsführer und Vorstand Marvin Klotzkowski, der für Marketing und Sponsoring zuständig war, ersetzt werden. Immerhin bleibt er dem Verein als ehrenamtlicher Vorstand erhalten. Und auch für den langjährigen kaufmännischen Leiter Jannis Hirt muss kompetenter Ersatz her.

Wie sagte doch der Verwaltungsrats-Vorsitzende Dr. Jürgen Hoß mit Blick auf die Saisonplanung 2025/26: „Es wird eine schwere Saison“. In Juliane Werdings „Conny-Kramer-Song“ heißt es auch: „Komm lass uns auf die Reise gehen“. Vielleicht erfüllt sich Friedhelm Runges Vermächtnis und Vision am Ende doch noch….

Text: SIEGFRIED JÄHNE

 

Kommentare

Neuen Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert