24. April 2025Peter Pionke
Kristof Stößel: Theatermacher mit Herzblut und Mut

Seine Leidenschaft für das Theater ist in jedem seiner Projekte zu spüren. Aber auch er, der gern im Rampenlicht steht und das Publikum zum Lachen bringt, kennt auch die Schattenseiten der Branche. Applaus ist das Brot des Künstlers, heißt es so schön im Volksmund. Doch davon allein wird auch ein Schauspieler nicht satt.
Aber zum Glück für ihn, sein Ensemble und sein Publikum ist Kristof Stößel neben seinen vielen Talenten auch ein echter Überlebenskünstler.
Wir haben uns mit dem Organisations-Genie und überaus kreativen Kopf unterhalten.
DS: Schauspieler, Regisseur, Betreiber von Stößels Komödie on Tour, vom KaBARett FLIN in Düsseldorf, künstlerischer Leiter des Stratmanns Theaters in Essen – und dann sind Sie auch noch als Kunstfigur Fabienne van Straten unterwegs. Hat Ihr Tag 48 Stunden oder wie bekommen Sie das alles unter einen Hut?
Kristof Stößel: „Natürlich hat mein Tag auch nur 24 Stunden – auch wenn es sich manchmal anders anfühlt. Ich komme zum Glück mit wenig Schlaf aus und habe mir eine ziemlich gute Organisationsstruktur aufgebaut. Und ja, ich gebe es zu: Ein bisschen Wahnsinn gehört wahrscheinlich auch dazu. Das große Glück ist, dass ich nicht allein bin. Meine Frau Teresa leitet das KaBARett FLIN in Düsseldorf mit Herzblut und einem fantastischen Team.
In Wuppertal bei „Stößels Komödie on Tour“ haben wir ein eingespieltes Team auf und hinter der Bühne – Martin Jansen als technischer Leiter und unsere tollen Kolleginnen an der Kasse, die genau wissen, wie der Hase läuft und natürlich das beste Ensemble, was ich mir vorstellen kann.
Auch im Stratmanns Theater in Essen kümmere ich mich um das Programm, führe Regie, stelle das Ensemble zusammen – und stehe an einigen Abenden auch selbst auf der Bühne. In den nächsten Monaten bin ich aber auf der Bühne in Hannover und Gifhorn: Und trotzdem bin ich mir sicher, dass hier in NRW alles gut weiter läuft.“

DS: Aber da bleibt doch immer noch Ihr zweites, Ihr ‚weibliches Ich‘, ihre Kunstfigur, eine schrille Diva – oder?
Kristof Stößel: „Fabienne van Straten, ja klar! Die gehört natürlich fest zu meinem Leben. Auch wenn es weniger Stadtführungen sind als früher, bin ich in Düsseldorf und Wuppertal immer wieder als Fabienne unterwegs – und das mit großer Freude. Alles zusammen ist natürlich schon viel, aber ich liebe, was ich tue. Und deshalb fühlt es sich meist nicht wie Arbeit an – auch wenn es regelmäßig eine Sieben-Tage-Woche ist.“
DS: Sie könnten auch „nur“ als Schauspieler und Regisseur ganz gut leben. Warum also der ganze Aufwand?
Kristof Stößel: „Ganz einfach: Weil „nur“ für mich eben nicht reicht. Ich bin einfach jemand, der gern die Fäden in der Hand hält – nicht aus Kontrollwahn, sondern weil ich eine klare Vorstellung davon habe, wie gutes Unterhaltungstheater funktionieren kann. Ich liebe es, eigene Ideen umzusetzen und selbst zu entscheiden, welche Stücke wir spielen. Natürlich habe ich auch große Freude am Schauspiel und an der Regie. Aber erst durch die Theaterleitung kommt mein ganzes Herzblut auf die Bühne. Ich möchte ein Theater machen, das die Menschen zum Lachen bringt, sie berührt. Und das kann ich am besten, wenn ich die Richtung selbst mitbestimme.“
DS: Wie stellen Sie sicher, dass bei all dem Trubel wegen der vielen Aufgaben und Verpflichtungen Ihr höchstes Gut, Ihre Kreativität nicht leidet?
Kristof Stößel: „Meine Kreativität ist zum Glück recht treu – sie verlässt mich auch im größten Stress nicht. Ich lasse mich gern inspirieren – durch Reisen, durch Theaterabende in anderen Städten, durch Gespräche mit klugen und manchmal auch ganz schrägen Menschen. Zurzeit schreibe ich sogar an eigenen Theaterstücken – ob sie jemals auf die Bühne kommen, wird sich zeigen. Aber allein das Schreiben ist schon ein schöner kreativer Prozess. Und während Corona, als live nichts mehr ging, haben wir neue Formate online entwickelt – auch das war kreativ und wichtig. Ich kann mir aktuell also keine Situation vorstellen, in der meine Kreativität aussetzen könnte.“

DS: Kunst und Wirtschaftlichkeit, das sind ja eigentlich natürliche Feinde. Wie bekommen Sie diesen Spagat hin?
Kristof Stößel: „Kunst statt Kommerz.Klingt wie der Titel eines philosophischen Essays. Aber nein, für mich ist es kein Widerspruch. Ich kann von dem, was ich tue, leben – und das mit Stolz. Klar, dafür arbeite ich viel. Aber Arbeit bedeutet für mich statt Stress eben mehr Erfüllung und daher bin ich froh, dass ich mir durch meine Arbeit einen Lebensstandard leisten kann, der mich und meine Frau glücklich macht.
Ich weiß, dass das nicht selbstverständlich ist. Viele Kolleginnen und Kollegen kämpfen jeden Monat aufs Neue. Aber ich hatte nie Angst vor der Zukunft – und freue mich, dass meine Projekte bis 2027 geplant sind. Das klappt nur, weil ich so breit aufgestellt bin – und das Herz und die Begeisterung für diesen Beruf dabei sind. Ich befürchte, dass viele Menschen eher unzufrieden in ihrem Job sind – das Gefühl kenne ich nicht.“
DS: Wuppertal ist ja bislang kein gutes Pflaster für Boulevard-Theater, deshalb sind Sie hier seit einigen Jahren mehr oder weniger als Wanderbühne unterwegs. Wie sieht da Ihre Zwischenbilanz aus?
Kristof Stößel: „Also ehrlich gesagt: Ich glaube, Wuppertal wird da manchmal unterschätzt. Mir wurde persönlich gesagt, die Stadt sei zu intellektuell für Boulevard. Aber ich glaube, man kann sehr wohl klug und gleichzeitig unterhaltsam sein – das beweist unser Publikum jeden Abend aufs Neue.
Unsere Zahlen aus der Zeit in der Komödie am Karlsplatz waren hervorragend – bis Corona kam. Wir waren die Ersten die dieses Theater, auch wirtschaftlich erfolgreich bespielt haben. Danach ging’s als Wanderbühne weiter. Und das Publikum ist uns treu geblieben. Heute sind wir froh, dass wir regelmäßig in der Gesellschaft Concordia auftreten können – eine wunderbare Zusammenarbeit, für die wir sehr dankbar sind.
Im April zeigen wir dort „Prosecco für zwei“, im August dann unter freiem Himmel im Biergarten des Wuppertaler Brauhaus. Im Herbst folgt die Komödie „Midlifekrise – Institut“ und zu Weihnachten spielen wir „Höllenbrand am Glühweinstand“ – in Wuppertal, Düsseldorf und Essen. So lange die Menschen zu uns kommen, bleiben wir in Wuppertal sind aber auch sehr froh, dass viele unsere Gäste inzwischen auch nach Düsseldorf kommen und selbst in Essen und Hannover habe ich schon Wuppertaler Fans entdecken können.“

DS: Viele fragen sich, warum machen Sie bei dem Mangel an öffentlicher Unterstützung nicht einfach einen großen Bogen um Wuppertal?
Kristof Stößel: „Weil Wuppertal meine Heimat ist. Ich lebe hier seit über 25 Jahren. Ohne Wuppertal und meine Theatergeschichte in der Stadt, wäre ich heute nicht der, der ich bin. Natürlich war es nicht immer einfach, gerade wenn es um öffentliche Anerkennung und Wahrnehmung ging. Aber inzwischen konzentrieren wir uns in Wuppertal auf das, was wirklich zählt: Unser Publikum. Die Zeit, in der ich mich über fehlende Unterstützung geärgert habe, ist vorbei – jetzt nutze ich diese Energie lieber kreativ, hier und eben auch in anderen Städten.“
DS: Es ist zu hören, dass die Wanderschaft in absehbarer Zeit bald zu Ende geht und Sie in Wuppertal im nächsten Jahr wieder eine feste Spielstätte haben werden. Können Sie dazu schon Näheres sagen?
Kristof Stößel (lacht): „Ein schöner Mythos! Das war unser Aprilscherz 2025 – mit KI-generierten Bildern eines Traumtheaters. Die Resonanz war unglaublich positiv, viele haben sich wirklich gefreut. Und das zeigt uns, wie eng die Verbindung zu unserem Publikum ist. Aber leider war es nicht mehr als ein Aprilscherz.
Aber realistisch betrachtet: So ein Theater würde rund acht bis elf Millionen Euro kosten – und monatlich 25.000 bis 35.000 Euro verschlingen. Wir wären dann bei einem Eintrittspreis von mehr als 50,00 EUR pro Person am Abend. Das geht nicht ohne Subventionen – und wir wollen uns weiterhin selbst tragen. Also bleibt es erstmal bei mobilen Produktionen, die uns auch die Möglichkeit kurzfristig zu reagieren, da keine jahrelangen Mietverträge geschlossen werden.“
DS: Setzen Sie als Theaterchef auf ein festes Ensemble oder eher auf variierende bekannte Namen und prominente Gesichter?
Kristof Stößel: „Unser Ensemble ist unser Herzstück. Viele unserer Schauspielerinnen und Schauspieler haben inzwischen ihre ganz eigene Fangemeinde – das ist wunderbar. Und natürlich ergänzen wir das Team immer wieder mit Gastschauspielern aus anderen Städten, mit denen ich z. B. in Hannover oder Braunschweig gearbeitet habe.
Aktuell passen wir unsere Produktionen an die Bedingungen an – meist mit zwei bis vier Personen auf der Bühne. So können wir flexibel an mehreren Spielorten agieren. Wir haben so die Freiheit, zu entscheiden ob und wie es weiter geht. Ein „Flop“ können wir uns nicht leisten und sollte es zu diesem kommen, dann können und müssen wir eben auch kurzfristig entscheiden, in Wuppertal nicht mehr zu spielen. Das lässt sich umgehen, wenn unsere Gäste weiterhin zu allen Stücken kommen.“

DS: Immer mehr gestandene Bühnen- & Theater-Stars beklagen einen starken Rückgang an Engagements oder an sinkenden Gagen. Kommt Ihnen als Theater-Chef dieser Trend möglicherweise sogar zugute?
Kristof Stößel: „Zugute? Ich würde eher sagen: Wir profitieren davon, dass wir verlässlich arbeiten – und faire Bedingungen bieten. Natürlich zahlen wir keine Gagen wie große Häuser. Aber unsere Leute können von ihrer Arbeit leben – und das ist mir wichtig.
Im Film- und Fernsehbereich ist es viel schwieriger. Viele fürchten, durch KI ersetzt zu werden – vor allem Sprecher. Im Theater sehe ich das noch gelassener: Unsere Säle sind meist gut gefüllt, die Menschen wollen Live-Erlebnisse. Und ich tue alles dafür, gute Schauspieler zu fördern und ihnen auch Engagements an anderen Theatern zu ermöglichen. Nicht jeder „Star“ ist eine wirkliche Bereicherung auf der Bühne und dafür gibt es Quereinsteiger, die das Publikum in den Bann ziehen. Bei mir muss es auf und hinter der Bühne auch menschlich stimmen.“
DS: Wie sehen Sie überhaupt die Zukunft Ihrer Zunft?
Kristof Stößel: „Optimistisch! Theater wird es immer geben. Es wird sich verändern, ja – aber es bleibt. Gerade weil unser Alltag immer digitaler wird, wächst die Sehnsucht nach echten Begegnungen. Und genau das bietet Theater.
KI mag Texte schreiben oder Stimmen imitieren – aber für Emotionen auf der Bühne sorgen, das kann keine Maschine. Deshalb glaube ich fest daran, dass wir mit unserer Arbeit auch in Zukunft ein Publikum erreichen werden, aber man muss sich eben immer wieder etwas einfallen lassen, um die Menschen zu begeistern.“
DS: Halten Sie es noch für zeitgemäß, dass nur sogenannte, klassische Theater von Bund, Land und Kommunen subventioniert werden. Sie als Boulevard-Bühne, die durch gute, populäre Unterhaltung zum Teil mehr Zuschauer anlockt als so manche klassische Bühne, dennoch leer ausgehen?
Kristof Stößel: „Ich bin tatsächlich froh, dass wir ohne große Förderung bestehen können. In Düsseldorf bekommen wir einen Mietzuschuss – das hilft sehr. Der Rest läuft über wirtschaftliches Denken und kreatives Handeln.
Natürlich sehe ich, dass in manchen subventionierten Häusern nicht unbedingt effizient gewirtschaftet wird. Ich würde mir wünschen, dass man da das Publikum ernster nimmt – und sich auch für unterhaltende Formate öffnet. Und das wird man müssen, denn aktuell sehen wir schon, dass die Politik, leider als erstes, an der Kultur sparen wird. Ein großer Fehler, aber eben Realität.

Meine Idee dazu: Eine staatlich aufgeladene Kulturkarte – jeder Bürger hat 100 Euro im Monat, die er frei für Theater, Oper, Comedy oder Kabarett ausgeben kann. Am Monatsende wird abgerechnet. Ich bin sehr gespannt, wo das Geld dann wirklich landet.“
DS: Wie wird das denn in anderen Ländern und Gesellschaften gehandhabt?
Kristof Stößel: „Das deutsche Fördersystem ist international einmalig – viele beneiden uns darum. In anderen Ländern sind Schauspieler fast ausschließlich selbstständig – ohne Absicherung. Trotzdem gibt es funktionierende Privattheater, etwa in den Niederlanden, in Frankreich oder in Großbritannien. Warum also nicht auch bei uns?
Ich glaube, wenn die wirtschaftliche Lage angespannter wird, wird man auch in Deutschland über Fördermodelle nachdenken müssen. Und dann ist es gut, wenn man schon vorher auf eigenen Füßen steht.“
DS: Wie gehen Sie damit um, wenn Sie von Charakter-Darstellern der städtischen Bühnen oder von denen, die sich dafür halten, für Ihre schauspielerische Arbeit, eher belächelt werden – fühlen Sie sich dann als Schauspieler 2. Klasse?
Kristof Stößel (Lächelt): „Ich bin da ganz entspannt. Klar, es gibt sie – die Kultur-Elite mit leicht herablassendem Blick. Aber wissen Sie was? Es ist viel schwerer, Menschen zum Lachen zu bringen, als zum Weinen. Im Idealfall allerdings schafft eine gute Komödie sogar beides. Wir zeigen es und beweisen immer wieder authentisch und echt: Auch in der Unterhaltung gibt es Stücke mit Tiefgang, einer klaren Botschaft und Anregungen zum Nachdenken.
Diese Mischung macht es aus. Und wenn unsere Besucher bei einer Vorstellung alle Emotionen durchleben, dann haben wir alles richtig gemacht. Ich arbeite mit tollen Kolleginnen und Kollegen zusammen, wir machen gute Stücke. Und wenn dann abends 200 Leute lachend klatschen, dann ist das für mich und wohl auch für sie echte, ehrliche Hochkultur. Vielleicht sogar die schönste Form davon.“
DS: Was tun Sie eigentlich, wenn Sie einmal die Zeit finden, so richtig auszuspannen?
Kristof Stößel: „Dann genieße ich das Leben! Wir reisen gern: London, Paris, Amsterdam, zuletzt sogar New York. Natürlich verbunden mit Theaterbesuchen. Aber auch kleine Dinge machen mich glücklich: Beispielsweise mit meinem Hund über den Scharpenacken zu laufen, ein Shoppingbummel durch Hannover oder Maastricht oder ein kühles Getränk auf der Kö in Düsseldorf. Es gibt so viele kleine oder große Momente, die mir Lebensqualität bringen.
Meine Frau liebt Wellness – und wir lieben die Zeit gemeinsam mit unserem Hund und mit unseren wunderbaren Freunden. So wie es jetzt ist, ist es gut. Vielleicht ein bisschen anders als vor Corona geplant – aber wir sind gesund und glücklich, das ist doch das Wichtigste, oder?“
DS: Danke für das offene, ehrliche und spannende Gespräch.
Das Interview führte Peter Pionke
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